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Aktuelle Pressemitteilungen von www.charite.de

In diesem Feed haben wir die aktuellsten Pressemitteilungen der Charité – Universitätsmedizin Berlin zusammengestellt.

4,6 Millionen Euro für neuartige CAR-T-Zelltherapie

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und des Max Delbrück Center In der Behandlung bestimmter Blut- und Lymphdrüsenkrebsformen haben sich CAR-T-Zellen, im Labor gentechnisch aufbereitete Immunzellen der Patient:innen, bewährt. Doch die Krebsimmuntherapie kann noch effektiver werden. Eine gemeinsame klinische Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max Delbrück Center erhält dafür eine Förderung in Millionenhöhe vom Bundesforschungsministerium. CAR-T-Zelltherapien sind oft der letzte Ausweg für Patient:innen mit bestimmten Formen von Blut- oder Lymphdrüsenkrebs, die auf gängige Behandlungen nicht ansprechen. Dabei werden Immunzellen (T-Zellen) der Erkrankten im Labor mit einem sogenannten chimären Antigenrezeptor (CAR) ausgestattet – einem kleinen Fühler, der Körperzellen abtastet und nach spezifischen Eigenschaften von Krebszellen sucht. Zurück im Körper des Patienten oder der Patientin, spüren sie genau das Oberflächenmolekül auf, auf das sie ausgerichtet sind, und töten die Tumorzellen ab. Die Arbeitsgruppen von Privatdozentin Dr. Uta Höpken und Dr. Armin Rehm am Max Delbrück Center haben einen Ansatz für eine neuartige CAR-T-Zelltherapie gegen eine Form des Lymphdrüsenkrebses entwickelt, die von den B-Lymphozyten ausgeht: das B-Non-Hodgkin-Lymphom. Unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrich Keller und Prof. Dr. Lars Bullinger an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Campus Benjamin Franklin der Charité soll die neue Immuntherapie in einer Phase-I/IIa-Studie erstmals am Menschen getestet werden. Das gemeinsame Projekt der Charité und des Max Delbrück Center fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 4,6 Millionen Euro. Das Ministerium will Therapien gegen Erkrankungen auf den Weg bringen, die bisher nicht oder nur schwer behandelbar sind. Antigen CXCR5: Für einen CAR kaum zu verfehlen Die bislang zur Behandlung von Blut- und Lymphknotenkrebs zugelassenen CAR docken zumeist an das Antigen CD19 an, ein Oberflächenmolekül von B-Zellen, die sich bösartig verändern und zu Krebszellen werden können. Privatdozentin Dr. Höpken und Dr. Rehm haben ein Molekül identifiziert, das sich wahrscheinlich noch besser als Angriffspunkt für einen CAR zur Behandlung von Lymphdrüsenkrebs eignet: CXCR5. Anders als CD19, dessen Menge auf den Krebszellen von Patient:in zu Patient:in unterschiedlich hoch sein oder gar verloren gehen kann, kommt das Molekül CXCR5 gleichmäßig auf allen reifen Lymphdrüsenkrebszellen vor. Es befindet sich darüber hinaus nicht nur auf den Tumor-B-Zellen, sondern auch auf bestimmten T-Helferzellen, die das Tumorwachstum unterstützen. „Diese Eigenschaften machen CXCR5 zu einem einzigartigen Ziel für CAR-T-Zelltherapien“, sagt Privatdozentin Dr. Höpken. In Mausmodellen konnten die Forschenden zeigen, dass die entsprechenden CAR-T-Zellen das CXCR5 besonders zuverlässig finden und die Tumorzellen vernichten. Erste Anwendungen bei Patient:innen stehen bevor Ob die neue Immuntherapie sicher und auch bei Menschen wirksam ist, müssen klinische Studien zeigen. Charité-Klinikdirektor Prof. Keller bereitet mit seinem Team erste Untersuchungen mit wenigen ausgewählten Patient:innen vor: „Wir sind zuversichtlich, dass wir mit dieser Phase-I-Studie die Sicherheit der neuen CXCR5-CAR-T-Zelltherapie nachweisen und auch erste Hinweise auf deren Wirksamkeit finden werden. Sowohl die Tumorzelle als auch deren unterstützende Mikroumgebung therapeutisch zu adressieren, ist ein vielversprechender und hochinnovativer Ansatz.“ Sobald das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) die Herstellung des Zellprodukts und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel die klinische Studie genehmigt haben, beginnt die Rekrutierung von bis zu 24 Patient:innen. Die Wissenschaftler:innen rechnen damit, dass dies Anfang 2024 der Fall sein wird. Eingeschlossen werden zunächst nur Patient:innen, bei denen die Standardtherapie nicht angeschlagen hat.
Veröffentlicht am 26.05.2023 um 09:30:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Charité macht schlau: Medizinische Forschung zum Mitmachen

Mehr als 5.200 Forschende und Ärzt:innen der Charité – Universitätsmedizin Berlin ergründen tagtäglich die Geheimnisse des menschlichen Körpers und entwickeln die Medizin der Zukunft. Zur Langen Nacht der Wissenschaften am 17. Juni teilen sie mit großen und kleinen Lernbegierigen ihr Wissen: Zwischen 17 und 24 Uhr machen sie per Science Slam, Führungen und vielen interaktiven Formaten am Campus Charité Mitte neueste Ergebnisse der medizinischen Forschung greifbar. Ein Highlight in diesem Jahr: Das Berliner Medizinhistorische Museum eröffnet nach umfangreicher Modernisierung mit einer Sonderausstellung zum Gehirn in Wissenschaft und Kunst. Was bedeutet der Klimawandel für Pollenallergiker? Wie kann Physik gegen das „Trockene Auge“ helfen? Und was tun, wenn das Herz aus dem Takt gerät? Über diese und weitere Themen rund um das Immunsystem, das Herz und den Kopf informieren Wissenschaftler:innen der Charité im Rahmen des zentralen Bühnenprogramms – Nachfragen erwünscht! Auch beim Science Slam ist das Publikum gefragt: Wer hält den unterhaltsamsten Kurzvortrag zu seiner oder ihrer Forschung? Besucher:innen erfahren von dem Team des Simulations- und Trainingszentrum der Charité (BeST), wie Tumor-OPs am Kopf sicherer gemacht werden, oder können den Roboter-Anzug „Myosuit“ des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) für Menschen mit Herzschwäche selbst testen. Außerdem: Was sollte man gegen Vergiftungen zu Hause haben? Was machen all diese piependen Geräte auf der Intensivstation? Und wie blickt eigentlich die Kunst auf die medizinische Forschung? Geschichtsinteressierte führt das Team des Projekts „GeDenkOrt.Charité – Wissenschaft in Verantwortung“ zu ausgewählten Orten auf dem historischen Campus der Berliner Universitätsmedizin. Und kleine Nachwuchsforschende lernen spielerisch, warum Knochen hart und das Gehirn weich ist, werfen einen mikroskopischen Blick auf das Wunder Blut und dürfen sogar Leben retten. Diese und mehr spannende Veranstaltungen der Charité und weitere Details sind im Charité-Programmheft übersichtlich zusammengefasst. Servicehinweise Standort: Campus Charité Mitte im und am CharitéCrossOver-Gebäude, Eingang Schumannstraße 20/21, 10117 Berlin, Geländeadresse: Virchowweg 6 Tickets für die Lange Nacht der Wissenschaften kosten 14 Euro (ermäßigt 9 Euro), zusätzlich gibt es Angebote für Familien und Gruppen. Kinder unter 6 Jahren haben freien Eintritt. Tickets sind über Ticketmaster erhältlich.
Veröffentlicht am 22.05.2023 um 09:56:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Bilanz: Aufsichtsrat der Charité stellt Jahresabschluss 2022 fest

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin hat im Jahr 2022 dank der positiven Ergebnisse der Beteiligungsgesellschaften ein Konzernergebnis von 1,3 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Charité als Muttergesellschaft hat einen nur geringen Jahresfehlbetrag von knapp zwei Millionen Euro erzielt – bei gegenüber dem Vorjahr gesteigerten Gesamteinnahmen von rund 2,3 Milliarden Euro. In seiner heutigen Sitzung hat der Aufsichtsrat der Charité den Jahresabschluss festgestellt.  Im Berichtsjahr 2022 ist es den Charité-weit rund 18.200 und konzernweit rund 21.600 Beschäftigten gelungen, ein nahezu ausgeglichenes Jahresergebnis zu erwirtschaften. Dieses Ergebnis ist zudem der erneuten Unterstützung des Landes Berlin zu verdanken, das die coronabedingten Verluste in Höhe von rund 46,8 Millionen Euro fast vollständig ausgeglichen hat. Auch im dritten Jahr der Pandemie waren die Charité-Mitarbeiter:innen stark beansprucht, wobei insbesondere die Mitarbeitenden in den klinischen Bereichen weiterhin extrem gefordert waren. Wie auch schon in den Jahren zuvor hat die Charité eine führende Rolle bei der Versorgung von schweren COVID-Fällen eingenommen. Insgesamt wurden in den drei Jahren der Pandemie mehr als 9.600 Patient:innen mit  COVID-19 stationär versorgt, von denen fast 4.000 auf den Intensivstationen behandelt werden mussten.  Dr. Ina Czyborra, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege sowie Aufsichtsratsvorsitzende der Charité, erklärt: „Eine gut ausgestattete und damit leistungsstarke Hochschulmedizin ist unverzichtbar – das ist nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie deutlich geworden. In Berlin haben wir es der Expertise und dem in einer außergewöhnlichen Situation bemerkenswerten Engagement der Beschäftigten der Charité zu verdanken, dass wir diese Krise bewältigt haben. Dafür gilt ihnen damals wie heute große Anerkennung. Mit dem finanziellen Ausgleich der unvermeidbaren Corona-bedingten Verluste der Charité hat das Land Berlin in dieser Phase Verantwortung übernommen.“ Die Charité konnte 2022 mit rund 736.900 ambulanten sowie mehr als 126.000 voll- und teilstationären Fällen wieder mehr Patient:innen als im Vorjahr versorgen. Insgesamt konnten Umsatzerlöse in Höhe von 1,6 Milliarden Euro erzielt werden. Mit 1,1 Milliarden Euro wurde ein Großteil der Umsatzerlöse in den stationären Bereichen generiert. Astrid Lurati, Vorstandsmitglied für Finanzen und Infrastruktur der Charité, erklärt: „Wir haben erneut ein schwieriges Jahr hinter uns, in dem sich abermals alle Beschäftigten der Charité gemeinsam für ein Ganzes stark gemacht haben. Das ist großartig und verdient höchste Anerkennung! Ebenso ist die Charité dankbar für den fast vollständigen Ausgleich der coronabedingten Verluste durch unseren Eigentümer, das Land Berlin. Der verbleibende kleine Fehlbetrag der Charité ist angesichts der Rahmenbedingungen als positiv zu bewerten, genauso wie unser Konzernergebnis mit rund 1,3 Millionen Euro.“ Sie ergänzt: „Ein wichtiger Meilenstein war der im letzten Jahr abgeschlossene Tarifvertrag Gesundheitsfachberufe Charité, der eine fest definierte Mindestpersonalbemessung für bettenführende Stationen und Funktionsbereiche vorsieht sowie das CHEP-Punktesystem, das die Beschäftigten gezielt entlasten soll. Damit haben wir eine gute und sozialverträgliche Arbeitsgrundlage für unsere Beschäftigten, um auch die Herausforderungen im laufenden Jahr zu meistern.“  Die Medizinische Fakultät konnte im Berichtsjahr insgesamt rund 284 Millionen Euro an Drittmitteln einwerben und erreicht damit erneut einen Rekordwert. Dies dokumentiert die Exzellenz der Forschung und leistet einen erheblichen Beitrag zur wissenschaftlichen Entwicklung Berlins. Die herausragende Forschungsstärke der Berliner Universitätsmedizin spiegelt sich beispielsweise auf nationaler Ebene in der Beteiligung an 31 DFG-Sonderforschungsbereichen und international in 50 EU-Projekten wider.  Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, erklärt: „Wir haben erhebliche Anstrengungen unternommen, die Charité entlang unserer strategischen Planung durch die schwierige Pandemiezeit zu führen. Und auch dieses Jahr kommen neue Aufgaben und Herausforderungen auf uns zu, die Vorstand und Mitarbeiterschaft der Charité partnerschaftlich angehen.“ Er fügt hinzu: „Ein wegweisender strategischer Schritt waren die Vorbereitungen zur Gründung des Deutschen Herzzentrums der Charité zum 1. Januar 2023. Diese Zusammenführung mit dem Deutschen Herzzentrum Berlin ist ein einmaliges Projekt mit enormem Potenzial und der Prozess des Zusammenwachsens begleitet uns auch in diesem Jahr.“ Mit Blick auf weitere Themen im aktuellen Jahr beschäftigen Prof. Kroemer vor allem der Fachkräftemangel in der Pflege und die notwendige Digitalisierung, die prioritär bleiben: „Allerdings werden Lösungsnotwendigkeiten in beiden Bereichen immer drängender. Auch hier sind wir optimistisch, unsere Ziele zu erreichen.“
Veröffentlicht am 08.05.2023 um 14:29:06 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Vorreiter in Deutschland – Berliner Kliniken tauschen Patientendaten digital aus

Gemeinsame Pressemitteilung von Charité und Vivantes Vor einem Jahr haben Charité – Universitätsmedizin Berlin und Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH eine gemeinsame Infrastruktur zum digitalen Austausch strukturierter Behandlungsdaten in Betrieb genommen. Dieses Konzept der digitalen Vernetzung wird jetzt mit weiteren Kliniken in Berlin ausgebaut. Zehn weitere Krankenhausträger mit zusammen 34 Klinikstandorten wollen sich an der Kooperation beteiligen. Mit Charité und Vivantes betreiben damit zwölf Klinikunternehmen plattformbasierten Datenaustausch. Sie repräsentieren mehr als drei Viertel der Klinikbetten in der Stadt – eine deutschlandweit einzigartige Zusammenarbeit.    Bereits seit dem vergangenen Jahr können Mitarbeitende von Charité und Vivantes gemeinsam auf medizinisch relevante Patientendaten wie etwa aktuelle Laborwerte, Vitalzeichen oder schon früher erfasste allgemeine Gesundheitsdaten zugreifen. Das erleichtert die Arbeit, verringert Fehler und verbessert die Behandlungsqualität. Diese Vernetzung soll nicht exklusiv bleiben, denn sie lebt von der Beteiligung möglichst vieler Kliniken.  Daher fand auf Initiative von Charité und Vivantes am 29. März dieses Jahres ein Symposium zur digitalen Vernetzung der Berliner Kliniken unter Schirmherrschaft der damaligen Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung (SenWGPG) und der Berliner Krankenhausgesellschaft e.V. (BKG) statt. Bei dem Symposium wurden konkrete Anwendungsfälle besprochen sowie technische und rechtliche Fragen geklärt. Im nächsten Schritt verpflichten sich zehn beteiligte Klinikträger mit zusammen 34 Klinikstandorten in einem Letter of Intent (LOI) den Datenaustausch nach gemeinsamen Standards in den Bereichen Notaufnahme, Fallkonferenzen und Geriatrie voranzutreiben. So entsteht schrittweise eine gemeinsame, digitale Infrastruktur in der Gesundheitsregion, die allen Kliniken offensteht und auch auf Brandenburg ausgedehnt werden kann.  Hierbei steht stets die optimale, standortübergreifende Versorgung der Patient:innen im Fokus: Relevante Informationen beispielsweise zu Vorerkrankungen, Vitaldaten und Medikation, die in einem anderen Krankenhaus zuvor erfasst wurden, können zur Fortsetzung der Behandlung sofort verwendet, also wertvolle Zeit gespart und Mehrfach-Untersuchungen sowie wiederholte Anamnesegespräche vermieden werden. Die Kooperationspartner zum Projektstart sind:   Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee Alexianer St. Hedwig Kliniken Berlin Berliner Kliniken der Johannesstift Diakonie BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin DRK Kliniken Berlin Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe Jüdisches Krankenhaus Berlin Park-Kliniken Berlin Sankt Gertrauden-Krankenhaus Vitanas Klinik für Geriatrie Berlin Dazu erklärt die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege Dr. Ina Czyborra: „Information ist ein Stoff, der sich vermehrt, wenn man ihn teilt. Das gilt für die Wissenschafts- und Gesundheitsstadt Berlin ganz besonders. Ich freue mich daher sehr, dass die Pionierarbeit von Charité und Vivantes nun von weiteren Krankenhausträgern genutzt wird. Der digitale Austausch von Patientendaten, der hier angestoßen wird, ist deutschlandweit wegweisend. Ich hoffe, dass sich in naher Zukunft noch mehr Kliniken anschließen und wir die digitale Vernetzung auch auf Brandenburg ausdehnen können.“ 
Veröffentlicht am 05.05.2023 um 11:47:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Wie sich Krebsgene selbständig machen

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und des Max Delbrück Centers Tumore verhalten sich manchmal eigenartig: Sie wachsen außergewöhnlich stark oder werden plötzlich gegen ein Krebsmedikament resistent. Dieses Verhalten lässt sich häufig darauf zurückführen, dass sich Krebsgene aus den Chromosomen der Zelle herauslösen und in Ringform „selbständig machen“. Wenig ist bisher darüber bekannt, wie genau diese DNA-Ringe entstehen und wie sie sich im Verlauf des Tumorwachstums weiterentwickeln. Mit einer neuen Methode hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max Delbrück Centers diesen Weg jetzt bei dem Neuroblastom nachgezeichnet. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin Nature Genetics* veröffentlicht. Sie gelten als eine der größten Herausforderungen in der Krebsforschung: DNA-Ringe – also kleine Erbgut-Schlaufen, die zu Hunderten abseits der Chromosomen im Zellkern schwimmen. Bereits seit 1965 bekannt, stellen sie Forschende noch immer vor viele Fragen. Wo kommen all diese Ringe her? Welche Funktion haben sie? Wie wirken sie sich auf die Zelle und den Organismus aus? Klar ist: Nahezu ein Drittel aller Tumore bei Kindern und Erwachsenen tragen in ihren Zellen DNA-Ringe – und diese sind fast immer besonders aggressiv. Auch wenn ein Tumor gegen ein zuvor wirksames Medikament resistent wird, ist das oft auf ringförmige DNA zurückzuführen. Mit der Erforschung dieser speziellen Form der Erbinformation verbinden Wissenschaftler:innen weltweit deshalb die Hoffnung auf neue Therapieansätze gegen Krebs. Allerdings: Nicht immer wirkt sich die „extrachromosomale zirkuläre DNA“ negativ auf das Krebswachstum aus. Manche Ringe scheinen auch harmlos zu sein. „Um die gefährlichen von den harmlosen DNA-Ringen zu unterscheiden und ihre Evolution innerhalb des Tumors nachvollziehen zu können, muss man sich das Gewebe Zelle für Zelle anschauen“, erklärt der Leiter der Studie Prof. Dr. Anton Henssen. Der Mediziner ist an der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité tätig und forscht am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung der Charité und des Max Delbrück Centers. Zusammen mit seinem Team hat er jetzt eine Technologie entwickelt, die für jede einzelne Zelle den genetischen Code der vorhandenen DNA-Ringe auslesen kann. Sie gibt gleichzeitig Auskunft darüber, welche Gene darauf aktiv sind. „So können wir einfach auszählen, wie viele Zellen des Tumors einen spezifischen Ring beherbergen“, sagt Prof. Henssen. „Sind es wenige, ist der Ring nicht besonders relevant für das Krebswachstum. Sind es viele, verleiht er einer Tumorzelle offenbar einen Selektionsvorteil.“ Welche DNA-Ringe treiben das Tumorwachstum an? Die neue Methode nutzten die Wissenschaftler:innen zunächst, um eine Bestandsaufnahme aller DNA-Ringe bei kultivierten Neuroblastomzellen zu machen. Das Neuroblastom ist eine Krebserkrankung, die vor allem sehr junge Kinder betrifft und als besonders bösartig gilt. Das Ergebnis der Untersuchungen: Keine Krebszelle ist wie die andere – während in einer 100 DNA-Ringe schwimmen, können es in der nächsten 2.000 sein. Auch sind die Ringe sehr unterschiedlich groß: Die Winzlinge unter ihnen bestehen nur aus 30, die Riesen aus über einer Million genetischen Bausteinen. „Die großen DNA-Ringe sind beladen mit Krebsgenen, die ursprünglich aus den Chromosomen der Zelle stammen“, erklärt Rocío Chamorro González. Sie ist die Erstautorin der Studie und forscht ebenfalls an der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité sowie am ECRC. „Durch die Ringform umgehen sie die klassischen Gesetze der Genetik – und werden ein Stück weit autonom. Diese Krebsgene haben sich sozusagen selbständig gemacht. Welche Konsequenzen das hat, beginnen wir gerade erst zu verstehen. In unserer Studie haben wir die großen DNA-Ringe in vielen Neuroblastomzellen gefunden, sie treiben das Zellwachstum also offenbar an. Die kleinen Ringe haben wir nur vereinzelt entdeckt, sie haben für die Krebszellen wohl keine große Relevanz.“ Die Evolution eines unabhängigen Krebsgens Um nachzuvollziehen, wie ein „autonomes Krebsgen“ eigentlich entsteht und sich innerhalb eines Tumors weiterentwickelt, analysierte die Forschungsgruppe im zweiten Schritt beispielhaft das Neuroblastom in jungen Patient:innen – und zwar Zelle für Zelle. Die Ergebnisse legen nahe, dass sich zu Beginn des Tumorwachstums in diesem Fall zunächst das bekannte Krebsgen MYCN aus seinem Heimat-Chromosom herauslöste und einen Ring bildete. Anschließend verschmolzen zwei dieser Ringe zu einem größeren, der wiederum einen kürzeren und dann einen längeren Abschnitt verlor. „Erst der letzte Ring scheint einen Wachstumsvorteil mit sich gebracht zu haben, weil nur er in vielen Zellen des Neuroblastoms zu finden ist“, sagt Prof. Henssen. „Das zeigt, dass sich das Krebsgen durch diese Vorgänge nicht nur selbständig gemacht, sondern auch immer weiter ‚verbessert‘ hat.“ Ein solcher Einblick in die Evolution von DNA-Ringen innerhalb eines Tumors wäre ohne die neu entwickelte Methode nicht möglich gewesen. Das Forschungsteam wird sie nun nutzen, um bei weiteren Krebsfällen die Entwicklungsschritte zu rekonstruieren. So wollen die Wissenschaftler:innen künftig noch besser in der Lage sein, die gefährlichen von den harmlosen DNA-Ringen zu unterscheiden. „Unsere Hoffnung ist, dass wir in Zukunft durch einen Blick auf die DNA-Ringe im individuellen Fall erkennen können, ob der Tumor besonders aggressiv ist oder nicht“, sagt Prof. Henssen. „Dann könnten wir die Therapie daran anpassen. Die Vorhersagekraft von spezifischen DNA-Ringen zu testen, ist deshalb unser nächstes Forschungsziel.“
Veröffentlicht am 05.05.2023 um 07:19:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Sonntagsvorlesung zur Leber: Was schützt sie und was schadet ihr?

Die Leber spielt für den Stoffwechsel des Körpers eine zentrale Rolle: Sie entgiftet den Körper und steuert die Bereitstellung von Eiweißen, Fetten und Kohlenhydraten. Doch wie gefährlich sind Fett, Zucker und Alkohol für unser größtes inneres Organ? Und wie kann die Lebergesundheit gestärkt werden? Diese und weitere Fragen beantworten die Charité-Expert:innen in der kommenden Sonntagsvorlesung am 14. Mai.  Prof. Dr. Frank Tacke, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie, spricht über erhöhte Leberwerte und ihre Ursachen. Zudem informiert er über akute und chronische Erkrankungsformen sowie über neue Therapiekonzepte. Von der Regenerationsfähigkeit der Leber berichtet Privatdozentin Dr. Münevver Demir. Zudem gibt sie praktische Empfehlungen für die Gesunderhaltung unseres zentralen Entgiftungsorgans, insbesondere für die Ernährung und den Lebensstil. Darüber hinaus stellen beide ihre aktuellen Forschungsprojekte vor. Im Anschluss an den Vortragsteil beantworten Prof. Tacke und Privatdozentin Dr. Demir die Fragen des Publikums. Die Sonntagsvorlesung „Die Leber: Was sie schützt und was ihr schadet“ findet am 14. Mai um 14 Uhr im Hörsaal Innere Medizin am Campus Charité Mitte, Charitéplatz 1 in 10117 Berlin statt.  Geländeadresse: Sauerbruchweg 2, barrierefreier Zugang: Virchowweg 9.  Der Eintritt ist frei.
Veröffentlicht am 04.05.2023 um 10:25:58 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Chronischen Entzündungen auf der Spur: Prof. Dr. Eicke Latz startet an Charité und Deutschem Rheuma-Forschungszentrum

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin hat Prof. Dr. Eicke Latz zum 1. Mai auf die Professur für Experimentelle Rheumatologie berufen. Zugleich ist er der neue Wissenschaftliche Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin (DRFZ), einem Leibniz-Institut. An der Schnittstelle beider Häuser wird Prof. Latz chronisch-entzündliche und rheumatische Erkrankungen erforschen. Durch neue Erkenntnisse zu molekularen Entzündungsmechanismen möchte er innovative Ansätze für Therapien und Prävention entwickeln. Prof. Dr. Eicke Latz erforscht seit vielen Jahren, wie das angeborene Immunsystem die Gesundheit erhält und unter welchen Umständen es Krankheiten fördert. Dabei untersucht er insbesondere die molekularen Mechanismen, die zu einer Aktivierung oder Hemmung des Immunsystems führen und wie diese die Entzündungsreaktionen bei verschiedenen Erkrankungen – wie etwa Rheuma, Arteriosklerose oder Alzheimer – beeinflussen. „Mir geht es aber nicht allein um den Erkenntnisgewinn, sondern auch darum, diesen erfolgreich in neue Behandlungsmethoden zu überführen sowie Maßnahmen der Prävention ableiten zu können“, erklärt Prof. Latz. Seine translationale Perspektive wurde durch mehr als eine Dekade akademischer Forschung in Boston, einem Zentrum der Pharma- und Biotechindustrie, geschärft. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland hat der Immunologe bereits mehrere Biotech-Unternehmen gegründet, die seine Forschungserkenntnisse erfolgreich in neue Therapie- und Präventionsansätze für verschiedene inflammatorische Erkrankungen überführen. Bis zu seinem Wechsel an die Charité war er am Institut für Angeborene Immunität am Universitätsklinikum Bonn tätig, das er 2010 gegründet hat. An der Charité und dem DRFZ möchte Prof. Latz vorhandene Synergien nutzen, um die molekularen Grundlagen von chronisch-entzündlichen und rheumatologischen Erkrankungen weiter zu entschlüsseln und auch den Einfluss von Umweltfaktoren und des Lebensstils auf diese zu untersuchen. Solche Arbeiten sollen sowohl zu einem besseren Verständnis der Erkrankungen beitragen als auch eine Grundlage für präventive Maßnahmen darstellen. Prof. Latz plant den Aufbau einer Plattform für Präzisions-Immundiagnostik. Mit diesen Verfahren soll das immunologische Geschehen in großen Gruppen von Patient:innen besonders genau charakterisiert werden. Die patientenorientierte Forschung soll ebenfalls das Wissen um die molekularen Mechanismen von entzündlichen Erkrankungen erweitern. Das Ziel: spezifischere Therapien ableiten zu können. „Die enge Verzahnung der Arbeitsgruppen von Charité und DRFZ und vor allem der Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie eröffnet viele Möglichkeiten für eine vielversprechende Zusammenarbeit sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der klinisch-translationalen Forschung. Ich freue mich auf diese Synergien und die neuen Aufgaben“, sagt Prof. Latz.
Veröffentlicht am 02.05.2023 um 07:45:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Bisher unbekannte Funktionen von Genen aufgedeckt

Das Proteom beschreibt die Gesamtheit aller aktiven Eiweißmoleküle in einem Organismus, einem Gewebe oder einer Zelle unter festgelegten Bedingungen und zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftler:innen der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Francis Crick Institute in London, der Universitäten Zürich und Edinburgh hat jetzt die umfassendste zelluläre Proteom-Landkarte auf der Basis von Hefen als Modellorganismen erstellt. Sie gibt Einblick in bislang unerforschte Gene und die Art und Weise, wie Proteine entsprechend ihrer Bauanleitung hergestellt und reguliert werden. Die Studie ist im aktuellen Fachjournal Cell* erschienen. Trotz jahrzehntelanger Forschung ist die Funktion vieler Gene immer noch unbekannt. Das schränkt unser Verständnis bestimmter, mitunter seltener Krankheiten ein und erschwert die Entwicklung neuer Therapien. Auch im Fall von Hefe- und Bakterienzellen fehlt grundlegendes Wissen, um neue Antimykotika oder Antibiotika zu entwickeln, die wegen zunehmender Arzneimitteltoleranzen und -resistenzen dringend benötigt werden. Die aktuelle Studie zählt zu den weltweit umfassendsten Proteomstudien. Um die Aufgabe von Genen, denen bisher noch keine genaue Funktion zugeordnet werden konnte, genauer zu umreißen, hat das Forschungsteam Hefezellen eingehender untersucht. Ziel war es, entscheidende Informationen zu gewinnen, die Rückschlüsse auf Auswirkungen genetischer Mutationen zulassen und dazu beitragen, diagnostische Lücken zu schließen. Die Forschenden wollten offenlegen, wie bestimmte Eiweiße im Einzelnen hergestellt und reguliert werden, um nicht zuletzt einen Grundstein für die Entwicklung neuer Medikamente zu legen. Forschungsleiter Prof. Dr. Markus Ralser, Direktor des Instituts für Biochemie und Einstein-Professor für Biochemie an der Charité, erklärt: „Wir haben eine Sammlung von Hefestämmen genutzt, die von einem internationalen Konsortium generiert wurde und in der alle nicht essenziellen Gene in mindestens einem Stamm fehlten. Wir haben dazu die Massenspektrometrie genutzt, eine Technologie, die Tausende von Proteinen parallel bestimmen kann, um jeden dieser Stämme zu charakterisieren. Das hat schlussendlich zu dieser bisher größten Proteomstudie geführt." Dabei konnten die Forschenden allgemeine Prinzipien ausfindig machen, die der Produktion von Proteinen zugrunde liegen. So konnte die Studie für eine große Anzahl an Proteinen bestimmen, inwieweit deren Funktion oder auch deren biophysikalischen Eigenschaften für die Produktion von Bedeutung sind. Im Zuge der Untersuchungen entstanden umfangreiche Daten über zuvor wenig erforschte Eiweißmoleküle. Gleichzeitig konnte das Team neue Methoden zur Zuweisung von Genfunktionen entwickeln. Mittels Massenspektrometrie, insbesondere speziellen Proteomtechniken, die die Forschenden um Prof. Ralser in den vergangenen Jahren entwickelt haben, sind die Mengen der jeweiligen Eiweiße in den einzelnen Hefestämmen, in Abwesenheit aller nicht essenziellen Gene ermittelt worden. „Die dabei gewonnenen Erkenntnisse haben das Potenzial, das Verständnis der Zellbiologie grundlegend zu verbessern und neue Einblicke in die Genfunktion bei Lebewesen, deren Zellen einen Zellkern besitzen, sogenannten Eukaryoten, zu geben", sagt Dr. Georg Kustatscher, der mit seiner Forschungsgruppe an der Universität Edinburgh die riesigen Datenmengen der Studie analysiert hat und resümiert: „Die Proteome, die wir in der Studie abbilden konnten, enthalten wichtige Informationen für Angriffspunkte potenzieller neuer Medikamente, die Hoffnung auf zukünftige Behandlungsoptionen geben.“ Eine Kooperation zwischen Forschungsteams an der Charité, dem Londoner Francis Crick Institute und der Universität Edinburgh hat die umfassende Studie erst möglich gemacht. Ebenso beigetragen haben Labore in Cambridge und an der Universität Toronto. Hier wurden neuartige Proteomtechnologien und Methoden der funktionellen Genomik entwickelt, die in der Studie zum Einsatz kamen. Prof. Dr. Christoph Messner, jetzt Gruppenleiter an der Universität Zürich, hat die Arbeiten am Francis-Crick-Institute in London verantwortet und betont: „Zu unserer Überraschung ergab die Studie, dass die Reaktion eines Proteins auf jede Mutation stärker von seinen biophysikalischen Eigenschaften abhängt als von seiner Funktion. Das eröffnet einen neuen Blick bei der Analyse von großen biologischen Daten, die mit modernen Sequenzier- oder massenspektrometrischen Techniken bereits häufig erhoben werden, aber oft noch schwer zu interpretieren sind." Aus diesem Grund vermuten die Forschenden, dass die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit weitreichende Auswirkungen auf dem Gebiet der Biowissenschaften haben werden. Die Untersuchung stellt wesentliche Informationen über die Funktion von Genen und das Zustandekommen von Proteinen bereit. Sie ebnet den Weg für zukünftige Durchbrüche im Bereich der Mikrobiologie. Derzeit bereitet das Team eine ähnliche Studie an menschlichen Zellen vor mit dem Ziel, weitere Informationen über noch unbekannte Gene zu generieren. Auch wollen die Forschenden die an Hefen erstellten Proteom-Landkarten mit anderen molekularen Daten verknüpfen, um dazu beizutragen, dass bessere Therapien für Pilzerkrankungen gefunden werden können.
Veröffentlicht am 27.04.2023 um 15:59:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Internationaler Tag des Versuchstiers: Charité veröffentlicht Zahlen für 2022

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin veröffentlicht anlässlich des heutigen Internationalen Tages des Versuchstiers ihre aktuellen Versuchstierzahlen. Diese werden von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Charité jährlich bis zum 31. März an die zuständige Behörde, das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), übermittelt. Für das Jahr 2022 meldeten die Forschenden insgesamt 51.338 Tiere, die im Kontext biomedizinischer Forschungsfragen zum Einsatz kamen. Der weitaus größte Teil dieser Tiere waren Mäuse (92,8 Prozent) und Ratten (5,5 Prozent). „Tierversuche sind für die Weiterentwicklung der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten derzeit noch unersetzbar. Deshalb ist es umso wichtiger, gezielt an Alternativen zu forschen, diese zu entwickeln und in Forschung, Diagnostik und Therapie zunehmend zu nutzen“, betont Prof. Dr. Stefan Hippenstiel, Professor für Infektiologie und Pneumologie an der Charité und Sprecher von Charité 3R. Er ergänzt: „Denn wer mit Tieren forscht, ist gleichzeitig verpflichtet, nach Alternativen zu suchen und alles dafür zu tun, die Belastung für Versuchstiere so weit wie möglich zu reduzieren.“  Um diese Entwicklung an der Charité voranzutreiben, wurde 2018 mit Charité 3R eine Einrichtung zur aktiven Förderung des 3R-Prinzips in der biomedizinischen Forschung gegründet. Ziel des 3R-Prinzips ist es, Tierversuche zu ersetzen (Replace), die Anzahl der Versuchstiere zu reduzieren (Reduce) und die Belastung für Versuchstiere zu mindern (Refine). Über Charité 3R werden innerhalb der Universitätsmedizin vielfältige Aktivitäten in jedem der drei Bereiche Replace, Reduce und Refine in Forschung und Lehre gezielt gefördert. Forschende und Tierschutzbeauftragte arbeiten gemeinsam an Wegen, die Zahl der Versuchstiere insgesamt zu reduzieren, die nicht ersetzbaren Versuche möglichst effektiv zu gestalten und die angewandten Methoden stets neu zu überdenken. Für das Jahr 2022 wurden mit insgesamt 51.338 Tieren rund 4.000 Versuchstiere weniger gemeldet als für das Jahr 2021. Die Zahlen liegen damit in der Größenordnung der vergangenen Jahre. Der Rückgang ist unter anderem auf übliche Schwankungen zurückzuführen, beispielsweise, wenn Arbeitsgruppen neu hinzukommen, größere Projekte starten oder beendet werden. Die sachliche und faktenbasierte Kommunikation zum Thema Tierversuche und Alternativmethoden ist ein zentrales Anliegen der Charité. Seit dem Jahr 2020 ist die Berliner Universitätsmedizin Teil der bundesweiten „Initiative Transparente Tierversuche“. Die Unterzeichnenden der Initiative informieren proaktiv über Tierversuche in der eigenen Einrichtung und bekennen sich dazu, den öffentlichen Dialog über tierexperimentelle Forschung mitzugestalten. Ausführlichere Informationen zur tierexperimentellen Forschung an der Charité mit allen Zahlen und Fakten zu den Versuchstieren sowie den verschiedenen Aktivitäten in Forschung und Lehre rund um das Thema 3R finden Sie auf der Webseite von Charité 3R.   
Veröffentlicht am 24.04.2023 um 08:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

„Der gesunde Mensch“: Berlin Centre for the Biology of Health

Gemeinsame Pressemitteilung von Charité und FU Berlin Krankheiten zuvorkommen. Mechanismen der Gesundheit verstehen. Menschen lange gesund erhalten. So soll eine Medizin der Zukunft aussehen. Spitzenforschende von Charité – Universitätsmedizin Berlin und Freier Universität Berlin wollen schon bald disziplinübergreifend an diesen gesellschaftlich drängenden Fragen arbeiten. Der Ort für die Zukunftsvision der Gesundheitsforschung: ein denkmalgeschützter Bau im Südwesten Berlins. Saniert und erneuert soll das einstige Institut für Hygiene und Mikrobiologie das Berlin Centre for the Biology of Health (BC-BH) beherbergen. Der Wissenschaftsrat des Bundes und der Länder hat heute den Antrag zum gemeinsamen Forschungsbau in Höhe von rund 54 Millionen Euro zur Förderung empfohlen*. Es geht um nicht weniger als einen Paradigmenwechsel. Das gegenwärtige Konzept von Medizin wurde Ende des 18. Jahrhunderts vom Gelehrten und Mediziner Rudolf Virchow (1821-1902) entscheidend geprägt. Es basiert auf der Vorstellung, der Ursprung von Krankheiten liege in Störungen der normalen Funktionen der Zelle. Seither stehen Mechanismen, die Krankheiten verursachen, im Mittelpunkt der Medizin. Das Unterbrechen solcher krankheitsfördernden Signalnetzwerke als therapeutischer Zugang hat sich weithin als erfolgreich erwiesen. „Dieser Konzeption von Medizin wohnt allerdings ein Paradoxon inne, nämlich, dass unser molekulares Verständnis von Gesundheit fast ausschließlich auf der Erforschung von Krankheiten beruht“, sagt der Grundlagenwissenschaftler Prof. Dr. Andreas Diefenbach, Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité. Gemeinsam mit der Klinikdirektorin für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie der Charité Prof. Dr. Britta Siegmund und Forschungskolleg:innen der Freien Universität Berlin hat er den Antrag für einen gemeinsamen Forschungsbau, einen Ort des Austauschs und der Innovation von überregionaler Bedeutung, finanziert durch Bund und Land gemäß Artikel 91b des Grundgesetzes, auf den Weg gebracht. Statt der Erforschung von Krankheitsmechanismen sollen die Mechanismen der Gesundheit und molekulare Strategien der Gesunderhaltung im Mittelpunkt stehen. Erforschen, was Menschen gesund erhält „Wir befinden uns mitten in einem grundlegenden gesellschaftlichen und ökologischen Wandel, der eine neue Konzeption von Medizin benötigt“, so Prof. Diefenbach, der auch eine Einstein-Professur der gleichnamigen Stiftung innehat. „Eine älter werdende Bevölkerung, veränderte Lebensgewohnheiten und sich rapide verändernde Umweltbedingungen führen zu einer Zunahme von Krankheiten, die schon jetzt einen großen Teil der Krankheitslast in Europa ausmachen. Dazu gehören vor allem chronisch-entzündliche, rheumatologische und neurodegenerative Erkrankungen, aber auch Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“ Ein Ausweg aus dieser Situation: neuartige Strategien in der Medizin, die molekulare Mechanismen der Gesunderhaltung nutzen und dem frühzeitigen Erkennen von Erkrankungen dienen. Ein solches Umdenken in den Lebenswissenschaften vollzieht sich derzeit weltweit. Gesundheit wird zunehmend als ein Prozess betrachtet, der auf stets aktiven molekularen und zellulären Mechanismen beruht, sogenannten Hallmarks of Health. Diese gesundheitswahrenden Netzwerke unterscheiden sich grundlegend von jenen, die Krankheiten fördern. Sie stellen eine Gruppe kommunizierender Mechanismen dar, die die Widerstandsfähigkeit und Toleranz des Organismus gegenüber Krankheiten stärken und damit den Zustand Gesundheit stabilisieren. „Genau diese gesundheitserhaltenden Mechanismen wollen wir für die Prävention und Therapie von Krankheiten zugänglich machen, damit Menschen eine möglichst lange gesunde Lebensspanne haben“, beschreibt Prof. Siegmund das Anliegen des BC-BH. Der gemeinsame und auf interdisziplinäres Arbeiten ausgerichtete Forschungsbau auf dem Charité Campus Benjamin Franklin soll dazu beitragen, solche Mechanismen ausfindig zu machen und deren Störung bei entzündlichen Systemerkrankungen langfristig zu erforschen. Hierzulande wie auch international ist dieses Herangehen bislang einzigartig. Hochinteraktiver gemeinsamer Forschungsraum Heute hat sich der Wissenschaftsrat, das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium, für eine Förderung des Vorhabens ausgesprochen. Auf Basis dieser Empfehlung entscheidet im Frühsommer die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder (GWK) über eine Finanzierung des Forschungsbaus, dessen Kosten zur Hälfte vom Bund und vom Land Berlin getragen werden. „In diesem wichtigen Forschungsbau werden Wissenschaftler:innen der Freien Universität und der Charité die molekularen Grundlagen und Mechanismen von Gesundheit erforschen. Es ist eine neue und visionäre Zielstellung, gesunde Körperfunktionen in den Mittelpunkt der Forschung zu stellen“, betont Ulrike Gote, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sowie Aufsichtsratsvorsitzende der Charité. „Dieser innovative Ansatz der Berliner Forscher:innen zeigt, in welcher internationalen Liga die Berliner Gesundheitsforschung spielt. Auch für die Krankenversorgung und damit für die Gesundheitsstadt Berlin ist das ein wichtiger neuer Blickwinkel. Daher freue ich mich, dass der Wissenschaftsrat einen weiteren Forschungsbau für Berlin zur Förderung empfohlen hat, diesmal angesiedelt auf dem Campus Benjamin Franklin der Charité und damit im Südwesten der Stadt. Besonders freue ich mich darüber, dass erstmalig im Forschungsbauförderprogramm auf einen Neubau verzichtet und ein denkmalgeschütztes Gebäude nachhaltig und klimaschutzgerecht saniert wird.“ Forschende von Charité und Freier Universität Berlin werden das BC-BH gemeinsam nutzen. Einziehen soll es in das Gebäude des einstigen Instituts für Hygiene und Mikrobiologie der Freien Universität, ein bedeutsamer und heute unter Denkmalschutz stehender Bau der Nachkriegsmoderne. Auf rund 3.170 Quadratmetern sollen nach Sanierung und Umbau Labor- und Denkflächen für etwa 150 Mitarbeitende und Wissenschaftler:innen, die 17 Arbeitsgruppen und acht Nachwuchsgruppen angehören, bereitstehen. Die bereits organisch angelegte Architektur und offene Laborstrukturen sollen dazu beitragen, die beteiligten Disziplinen zusammenzuführen und einen Austausch auf allen Ebenen zu ermöglichen. Wissenschaftliche Fächer wie Klinische Medizin, Mikrobiologie, Immunologie, Biologie, Biochemie oder Biophysik kommen mit modernsten Technologien wie der Einzelzellanalyse oder der Metabolomik und mit analytischen Disziplinen wie Systembiologie, Bioinformatik, Modellierung und Maschinelles Lernen in dem Gebäude zusammen. „Wir setzen auf diesen hoch interaktiven Forschungsraum, denn das Zusammentreffen an den Schnittstellen der Disziplinen wird Synergieeffekte erzeugen, die völlig neue Erkenntnisse möglich machen“, sagt Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin. „Wir freuen uns, dass der in den 70er Jahren konzipierte Forschungsbau erneut ein Ort modernster biomedizinischer Forschung werden kann.“ Internationale Spitzenforschung und Translation In vier Forschungsschwerpunkten wollen sich die Wissenschaftler:innen von Charité und Freier Universität Berlin ab 2028 in den neuen Räumen dem Zustand der Gesundheit annähern. Zunächst gilt es, Mechanismen zu analysieren, die zu einer gelungenen Anpassung des Organismus an Veränderungen in der Umwelt führen. Dies ist klinisch hoch relevant, da die im Mittelpunkt stehenden Krankheitsbilder im wesentlichen Fehlanpassungen an eine sich in den letzten 150 Jahren rasch verändernde Umwelt darstellen. Ein weiterer Schwerpunkt widmet sich den Veränderungen in diesen Signalnetzwerken bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen. Aufbauend auf den Ergebnissen vorklinischer und klinischer Untersuchungen sollen erste innovative Präventions- und Therapieansätze erprobt werden, die auf der Stärkung gesundheitswahrender Mechanismen beruhen. Und schlussendlich werden Forschungsergebnisse nicht nur den Weg aus dem Labor zu den Menschen finden, sondern Daten aus der Anwendung, aus Therapieansprechen oder -versagen, wiederum Rückschlüsse auf Mechanismen der Gesundheit zulassen. Das BC-BH ist ein wesentliches Projekt der Berliner University Alliance (BUA), dem Verbund der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Technischen Universität Berlin und der Charité, mit dem Ziel einer gemeinsamen Entwicklung der Wissenschaft in Berlin. Die unmittelbare Anbindung des BC-BH an die klinischen Einrichtungen am Campus Benjamin Franklin und an das biowissenschaftliche Umfeld im Berliner Süden sind ideal für die translationale Ausrichtung, also die Idee, Forschungsergebnisse zügig in die Krankenversorgung zu bringen und Beobachtungen von dort zurück ins Labor. „Die geplante bauliche Infrastruktur und Geräteausstattung wird den beteiligten Wissenschaftler:innen ein exzellentes Umfeld bieten, um wichtige gesundheitserhaltende Mechanismen zu identifizieren und diese Erkenntnisse für Patientinnen und Patienten nutzbar zu machen. Das BC-BH wird Schnittstellen und Synergien zwischen Charité und Freier Universität Berlin nochmals verbessern. Zusammen wollen wir das relevante Feld der Gesunderhaltung und Prävention sowie das Fachgebiet der Immunologie weiter ausbauen und entwickeln“, sagt Prof. Dr. Joachim Spranger, Dekan der Charité. Um die wissenschaftlichen Fragestellungen auf internationalem Niveau bearbeiten zu können, soll das BC-BH eine moderne Großgeräteausstattung erhalten. So sind unter anderem Technologie-Einheiten zur Einzelzellanalyse und Bildgebung vorgesehen, die wesentlich zum interdisziplinären Arbeiten beitragen werden.
Veröffentlicht am 21.04.2023 um 20:25:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Team Charité: Die Zukunft mitgestalten

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin startet heute eine stadtweite Kampagne zur Gewinnung von Fachkräften für die Krankenversorgung, Forschung und Lehre sowie die Verwaltung und den Servicebereich. Ziel ist es, die Menschen auf die zahlreichen Karrieremöglichkeiten in der Berliner Universitätsmedizin aufmerksam zu machen und sie für die multiprofessionelle Zusammenarbeit im Team zu begeistern. Besonders im Pflegebereich ist der Mangel an Fachkräften auch an der Charité spürbar. Allein hier werden mehr als 700 Pflegefachpersonen benötigt, deutschlandweit sind es mehr als 370.000. Um dem Anspruch der Spitzenmedizin kontinuierlich gerecht zu werden, braucht es zudem Mitarbeitende aus vielen anderen Bereichen, wie zum Beispiel Beschäftigte in der Verwaltung oder der IT. Sie alle tragen zur Besonderheit der Charité bei und stärken das Miteinander. Denn: Erst im Team werden herausragende Leistungen für die Gesundheit der Menschen möglich. „Wir sind seit Langem sehr bemüht, Fachkräfte zu gewinnen. Doch die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und der demographische Wandel stellen uns zunehmend vor die Herausforderung, das benötigte Personal zu finden”, sagt Carla Eysel, Vorstandsmitglied für Personal und Pflege der Charité. Sie ergänzt: „Darüber hinaus sind strukturelle Veränderungen notwendig, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. So hat sich beispielsweise deutlich gezeigt, dass sich die Arbeitsbedingungen für alle verbessern lassen, wenn wir uns multiprofessionell aufstellen und auch die Diversität in der großen Charité aufnehmen und fördern.“  Die Kampagne „Charité. Zukunft gestalten. Jede:r zählt.“ ist sowohl berlinweit auf großen Plakaten als auch digital sichtbar. Auf den ersten Motiven sind Mitarbeiter:innen aus den Gesundheitsfachberufen, der Forschung und der Klinik sowie der Verwaltung und der Lehre zu sehen. Diese sind in den jeweiligen Arbeitssituationen der Mitarbeitenden entstanden und das „Charité-C“ umrahmt ihre Köpfe. Prägnante Slogans sollen einen schnell erfassbaren Kontext ermöglichen und Interesse wecken. Im Laufe des Jahres werden weitere Motive folgen und die Kampagne zudem bundesweit auch in anderen deutschen Städten zu sehen sein.  „Wir wollten mit echten Kolleg:innen bebildern, dass alle, die an der Charité arbeiten, die Medizin der Zukunft mitgestalten. Ganz egal, ob auf den Stationen, am PC oder im Labor. Jede und jeder hat einen Job mit Sinn”, betont Susanne Nitzsche, Leiterin der Stabsstelle Personalmarketing und HR Digitalisierung.  Über die Fotokampagne hinaus gibt es einen virtuellen Rundgang, der exklusive Einblicke in den OP und weitere Bereiche gibt. Die virtuelle 360° Umgebung erlaubt interaktive Einblicke in die Charité. Dort können unter anderem 13 Schlüsselbereiche erkundet werden und so ist auch ein Blick in den OP-Saal während einer Operation möglich. Aber auch Behandlungen auf einer Intensivstation, eine Lehrsituation oder ein Labor können entdeckt werden. Weitere Informationen rund um das Arbeitsleben in der Charité – auch abseits der Krankenversorgung – vermitteln die aktuell mehr als 20 Videos. 
Veröffentlicht am 17.04.2023 um 10:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Impfung gegen RSV in der Schwangerschaft könnte Kinder künftig schützen

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist ein weltweit verbreiteter Erreger, der schwere Atemwegserkrankungen hervorrufen kann. Insbesondere für Neugeborene und Säuglinge kann eine Infektion mit RSV gefährlich werden. In einer groß angelegten internationalen Impfstudie unter Beteiligung von Charité – Universitätsmedizin Berlin und London School of Hygiene and Tropical Medicine ist nun die Wirksamkeit eines ersten Impfstoffkandidaten untersucht worden. Teilnehmerinnen erhielten diesen während der Schwangerschaft. Wie die Forschenden im Fachmagazin The New England Journal of Medicine* beschreiben, waren bis zu 81 Prozent der Kinder in ihren ersten sechs Lebensmonaten zuverlässig vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt. In Deutschland stecken sich Schätzungen zufolge etwa 50 bis 70 Prozent der Kinder während ihres ersten Lebensjahres mit RSV an. Bis zum zweiten Geburtstag hat fast jedes Kind eine RSV-Infektion durchgemacht. Die Erkrankung beginnt meist mit einem leichten Schnupfen, greift dann auf die unteren Atemwege und die Lunge über und kann zu akuten Atembeschwerden und Atemnot führen. Weltweit starben im Jahr 2019 etwa 100.000 Kinder unter fünf Jahren an den Folgen einer RSV-Infektion – rund 97 Prozent davon in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. „Eine RSV-Erkrankung kann bislang nur symptomatisch behandelt werden. Bei schweren Verläufen ist eine Sauerstoffgabe überlebenswichtig, was in ärmeren Ländern häufig nicht rechtzeitig oder in ausreichendem Maße realisiert werden kann“, sagt Prof. Dr. Beate Kampmann, Leiterin des Instituts für Internationale Gesundheit der Charité und Einstein-Professorin für Global Health. „Wir benötigen daher dringend eine Impfung, um die vulnerabelste Gruppe, nämlich Kinder unter sechs Monaten, wirksam vor schweren Krankheitsverläufen nach einer RSV-Infektion schützen zu können.“ Eine effektive Möglichkeit stellt eine Impfung während der Schwangerschaft dar, wie sie etwa gegen Grippe, Keuchhusten oder COVID-19 bereits empfohlen wird. Die werdende Mutter bildet nach der Impfung Antikörper, die sie über die Plazenta an das ungeborene Kind weitergibt. Es verfügt dann über einen effektiven Immunschutz, der über die ersten Lebensmonate anhält. Umfangreiche Impfstudie in 18 Ländern Einen solchen Impfstoff, der während der Schwangerschaft verabreicht wird, hat ein Pharmaunternehmen nun gegen RSV entwickelt. In einer umfangreichen internationalen Studie, die zwischen 2020 und 2022 in 18 Ländern durchgeführt wurde, ist der Impfstoff namens RSV-preF jetzt auf Verträglichkeit und Wirksamkeit geprüft worden. Prof. Kampmann hat im Rahmen ihrer langjährigen Forschungsarbeit in der Abteilung für Impfstoff- und Immunitätsforschung des Medical Research Council (MRC) in Gambia, Teil der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM), maßgeblich an der Untersuchung mitgewirkt. In der nun vorliegenden Phase III-Studie wurde der Impfstoff 3.682 zufällig ausgewählten Studienteilnehmerinnen während des zweiten oder dritten Schwangerschaftsdrittels als Spritze in den Oberarm verabreicht. Eine ähnlich große Vergleichsgruppe erhielt ein Placebo, also eine Spritze ohne Impfstoff. Weder die Studienteilnehmerinnen, noch die Leitenden der Studie wussten bis zum Abschluss des Studienzeitraums, wer den Impfstoff und wer das Placebo erhalten hat. Es handelt sich also um eine Placebo-kontrollierte, randomisierte Doppelblindstudie, die höchsten Qualitätsstandards entspricht. Nach der Geburt wurden die Kinder über ein bis zwei Jahre regelmäßig sowie bei Anzeichen von Atemwegserkrankungen untersucht. Dabei wurde auf das RS-Virus getestet und die Schwere der Erkrankung nach einem vorab festgelegten Studienprotokoll bewertet. Zulassung für RSV-Impfstoff beantragt „Die Ergebnisse der Impfstudie sind ausgesprochen positiv“, sagt Prof. Kampmann. „Bei über 80 Prozent der Kinder konnte durch die Impfung der Mutter während der Schwangerschaft ein schwerer Verlauf einer RSV-Erkrankung in den ersten drei Lebensmonaten verhindert werden, über zwei Drittel waren auch noch im Alter von sechs Monaten geschützt. Auch wurde die Impfung von den Frauen sehr gut vertragen.“ Die Zulassung des Impfstoffs ist bei den europäischen und US-amerikanischen Arzneimittelbehörden beantragt. Die Ergebnisse der Prüfung sollen voraussichtlich noch in diesem Jahr vorliegen. Die Teilnehmerinnen der Studie kamen zu knapp der Hälfte aus den USA, 30 Prozent von ihnen sind in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen beheimatet. In Gambia beispielsweise hat das Team um Prof. Kampmann rund 200 Teilnehmerinnen rekrutiert. „Unsere Plattform für Impfstudien mit schwangeren Frauen, die wir in Gambia bereits etabliert hatten, konnten wir für die RSV-Impfstudie erfolgreich nutzen“, sagt Prof. Kampmann. Die ausgewiesene Expertin für Kinderinfektiologie ist seit über einem Jahrzehnt in dem westafrikanischen Land aktiv. Hier hat sie unter anderem für die Bekämpfung von Keuchhusten im Kindesalter ein Programm zur Immunisierung während der Schwangerschaft ins Leben gerufen. Erkrankungen wie diese sollen auf diese Weise verhindert und die Säuglingssterblichkeit gesenkt werden. „Es ist wichtig, Impfstudien in den Ländern durchzuführen, in denen die Impfstoffe später auch genutzt werden sollen“, sagt Prof. Kampmann. „Gerade in sozio-ökonomisch benachteiligten Ländern leiden die Menschen aufgrund schlechter Hygienebedingungen häufig an chronischen Darmentzündungen. Das kann – wie etwa im Fall der Rotavirus-Impfung – zu einer geringeren Effektivität der Impfung führen. Und es gibt Co-Erkrankungen wie Malaria oder HIV, die den Antikörper-Transport über die Plazenta beeinträchtigen. All das beeinflusst, wie gut ein Impfstoff letztlich wirkt.“ Für nationale Impfgremien ist es darüber hinaus wichtig, dass sich ein Impfstoff auch innerhalb der eigenen Region als wirksam erwiesen hat, um ihn später empfehlen zu können. „Die Verträglichkeit des RSV-Impfstoffs war bei den Studienteilnehmerinnen insgesamt ganz hervorragend und die Effektivität bei der Prävention von schweren RSV-Erkrankungen der Säuglinge überzeugend. Wir danken den Frauen für ihre Teilnahme und hoffen, dass der Impfstoff bald eingesetzt werden und viele junge Leben retten kann.“ Junge Leben in Gambia und in der ganzen Welt, denn gerade die zurückliegende Saison 2022/23 hat die Folgen von RSV-Infektionen deutlich vor Augen geführt: Allein in Deutschland waren die Aufnahmen von Säuglingen und Kleinkindern auf Intensivstationen laut Robert Koch-Institut auf bis zu 350 Prozent angestiegen. Eine Situation, in der die Gesundheitsversorgung zeitweise an ihr Limit gelangte.
Veröffentlicht am 06.04.2023 um 07:40:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Prof. Dr. Kai Kappert ist Charité-Professor für Laboratoriumsmedizin

Prof. Dr. Kai Kappert hat zum 1. April die Professur für Laboratoriumsmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin übernommen. Damit geht die Leitung des Instituts für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Pathobiochemie der Charité sowie die des Fachbereichs Laboratoriumsmedizin und Toxikologie der Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH einher. Der Labormediziner und Pharmakologe war in diesen Funktionen bereits seit zwei Jahren kommissarisch tätig. Die Laboratoriumsmedizin – das medizinische Fachgebiet für Labordiagnostik – stellt ein interdisziplinäres Querschnittsfach dar. Klinisch tätige Ärztinnen und Ärzte sind regelmäßig damit befasst, Patient:innen Proben zu entnehmen und diese labordiagnostisch untersuchen zu lassen. „Nur aufgrund einer genauen Diagnose können wirksame Therapien eingeleitet werden. Ebenso beruht die Verlaufs- und Therapiekontrolle oft auf Untersuchungen der Laboratoriumsmedizin. Deshalb kommt unserem Fachgebiet eine große Bedeutung zu“, erklärt Prof. Kappert. „Es ist mir ein wichtiges Anliegen, auch Studierenden das Faszinierende der Laboratoriumsdiagnostik näher zu bringen, ihr Interesse zu wecken und ihre Weiterentwicklung in diesem spannenden Tätigkeitsfeld zu fördern. Im Zuge dessen möchte ich dafür sorgen, dass wir die praxisnahen Lehrveranstaltungen weiterentwickeln“, betont der gebürtige Marburger. Am Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Pathobiochemie der Charité stehen die Ausbildung von Studierenden der Human- und Zahnmedizin sowie die labordiagnostische Forschung im Mittelpunkt. Die Arbeitsgruppe von Prof. Kappert beschäftigt sich insbesondere mit Erkrankungen der Blutgefäße und des Stoffwechsels sowie mit der biochemischen Weiterleitung von Signalen. „Um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden, spielt Forschung, beispielsweise auch die Identifizierung neuer diagnostischer Biomarker, eine ganz wichtige Rolle“, sagt Prof. Kappert. Die Labordiagnostik für die Krankenversorgung von Charité, Vivantes und weiteren regionalen und überregionalen Krankenhäusern erbringt seit 2011 die Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH. Hier ist Prof. Kappert Direktor des Fachbereichs Laboratoriumsmedizin und Toxikologie. Dieser stellt labormedizinische Diagnostik rund um die Uhr sicher. In seiner neuen Funktion möchte Prof. Kappert an der Charité die Zusammenarbeit in den Bereichen klinische Versorgung und translationale Forschung intensivieren und die Einführung neuer Ansätze für die Präzisionsdiagnostik vorantreiben. Außerdem ist ihm wichtig, die Digitalisierung der Labordiagnostik unter anderem bei der Auswertung von Langzeit- und Querschnittsdaten weiterzuentwickeln. „Hierfür ist eine interdisziplinäre und durch Vertrauen geprägte Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen unserer Kliniken und Institute sowie denen des Berlin Institute of Health in der Charité essentiell. Auch, um an der Umsetzung der Strategie Charité 2030, etwa der digitalisierten Universitätsmedizin als zukunftsweisender Aufgabe, mitzuwirken“, erklärt Prof. Kappert.
Veröffentlicht am 04.04.2023 um 10:58:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Nasenimpfstoff gegen Corona erfolgreich getestet

Gemeinsame Pressemitteilung von Charité, Max Delbrück Center und FU Berlin Seit Beginn der Corona-Pandemie arbeiten Forschende an Schleimhautimpfstoffen, die über die Nase verabreicht werden. Nun haben Berliner Wissenschaftler:innen, unter ihnen Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin, eine abgeschwächte Lebendimpfung für die Nase entwickelt und erprobt. In der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Nature Microbiology* beschreibt das interdisziplinäre Team den besonderen Immunschutz, den sie auslöst. Coronaviren verbreiten sich vor allem durch die Luft. Wenn eine infizierte Person spricht, hustet, niest oder lacht, scheidet sie mit ihrer Atemluft Tröpfchen mit Viren aus. So können die Erreger in die Atemwege anderer Menschen gelangen und sie anstecken. Ein Berliner Forschungsteam will das Virus genau dort bekämpfen, wo es zuerst angreift: an den Schleimhäuten von Nase, Mund, Rachen und Lunge. Zu diesem Zweck haben die Wissenschaftler:innen einen nasal zu verabreichenden, abgeschwächten Lebendimpfstoff gegen SARS-CoV-2 entwickelt und konnten zeigen, wie dieser im Vergleich zu herkömmlichen Impfstoffen eine noch bessere Immunität vermittelt. Bereits im Herbst vergangenen Jahres wurden zwei Präparate zur Impfung über die Nase in Indien und China zugelassen. Sie beruhen auf abgeschwächten Adenoviren, also Viren, die unter anderem Atemwegs- oder Magen-Darm-Erkrankungen auslösen, sich selbst aber nicht mehr oder nur noch schlecht vermehren und somit keine Krankheit verursachen. Weitere nasale Lebendimpfstoffe befinden sich weltweit in der Entwicklung und Erprobung. Schützt dort, wo der Infekt beginnt und darüber hinaus Die Vorteile eines Impfstoffs in Form eines Nasensprays gehen weit darüber hinaus, als dass Menschen mit Angst vor einer Spritze aufatmen können. Wird ein Impfstoff gespritzt, baut sich die Immunität vor allem im Blut und über den ganzen Körper verteilt auf. Das bedeutet aber, dass das Immunsystem Coronaviren im Ernstfall erst verhältnismäßig spät entdeckt und bekämpft – denn diese dringen über die Schleimhäute der oberen Atemwege in den Körper ein. „Genau dort benötigen wir eine lokale Immunität, wenn wir ein Atemwegsvirus frühzeitig abfangen wollen“, sagt Co-Letztautor der Studie Dr. Jakob Trimpert, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Virologie der Freien Universität Berlin. „Nasale Impfstoffe bekommen das wesentlich besser hin als Vakzine, die injiziert werden und die Schleimhäute nur schwer oder gar nicht erreichen“, sagt Dr. Emanuel Wyler, ebenfalls Co-Letztautor. Er erforscht das Coronavirus seit Ausbruch der Pandemie in der Arbeitsgruppe RNA-Biologie und Posttranskriptionale Regulation unter der Leitung von Prof. Dr. Markus Landthaler am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie des Max Delbrück Center (BIMSB-MDC). Im Idealfall regt ein nasaler Lebendimpfstoff direkt vor Ort die Bildung von Antikörpern, Immunglobulinen A (IgA), an und lässt damit eine Infektion gar nicht erst zu. IgA ist das am häufigsten vorkommende Immunglobulin in den Schleimhäuten der Atemwege. Es besitzt die Fähigkeit, Krankheitserreger zu neutralisieren, indem es sich an sie bindet und sie so daran hindert, Atemwegszellen zu infizieren. Gleichzeitig stimuliert die Impfung auch systemische Immunreaktionen, was insgesamt zu einem wirksamen Schutz vor einer Infektion beiträgt. „Ähnlich wie Antikörper in der Schleimhaut, so sind auch im Lungengewebe ansässige T-Gedächtniszellen von Nutzen. Diese weißen Blutkörperchen können sich an Krankheitserreger erinnern und verbleiben nach einer Infektion im jeweiligen Gewebe. Ihre Positionierung in der Lunge ermöglicht es ihnen, schnell auf Krankheitserreger zu reagieren, die über die Atemwege eindringen“, sagt Dr. Geraldine Nouailles, Immunologin und Arbeitsgruppenleiterin an der Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Intensivmedizin der Charité. Die Co-Erstautorin verweist auf eine Beobachtung, die das Team im Rahmen der Studie machen konnte: „Wir konnten nachweisen, dass es bei vorangegangener intranasaler Impfung auch zu einer verstärkten Reaktivierung dieser lokalen Gedächtniszellen im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion kommt. Darüber haben wir uns natürlich besonders gefreut.“ Lokale Immunität verhindert Virusbefall Die Wirkung des neu entwickelten nasalen COVID-19-Impfstoffs testeten die Wissenschaftler:innen an Hamstermodellen, die Dr. Trimpert und sein Team bereits zu Beginn der Pandemie an der Freien Universität Berlin etabliert haben. Die Tiere sind derzeit der wichtigste nichttransgene Modellorganismus für COVID-19, da sie sich mit denselben Virusvarianten wie Menschen infizieren und ähnliche Krankheitssymptome entwickeln. Nach einer zweimaligen Gabe des Impfstoffes konnte sich das Virus im Modellorganismus nicht mehr vermehren. „Das Immungedächtnis wurde sehr gut angeregt, und die Schleimhäute waren aufgrund der hohen Antikörperkonzentration sehr gut geschützt“, konstatiert Dr. Trimpert. Auch könnte die Übertragbarkeit des Virus auf diese Weise deutlich reduziert werden. Darüber hinaus verglichen die Wissenschaftler:innen die Wirksamkeit des abgeschwächten Lebendimpfstoffes mit der von intramuskulär injizierten Impfstoffen. Dafür impften sie die Hamster entweder zweimal mit dem Lebendimpfstoff, einmal mit einem mRNA- und danach mit dem Lebendimpfstoff, oder zweimal mit einem mRNA- oder Adenovirus-basiertem Impfstoff. An Gewebeproben der Nasenschleimhaut und Lunge überprüften sie, wie stark bei einer anschließenden Infektion mit SARS-CoV-2 die Viren die Schleimhautzellen noch angreifen konnten. Außerdem bestimmten sie das Ausmaß der Entzündungsreaktion mithilfe der Einzelzellsequenzierung. „Der abgeschwächte Lebendimpfstoff schnitt in allen Parametern besser ab als die Vergleichsimpfstoffe“, fasst Dr. Wyler zusammen. Ausschlaggebend dafür dürfte sein, dass der nasal verabreichte Impfstoff eine Immunität direkt an der Eintrittspforte des Virus aufbaut. Außerdem enthält der Lebendimpfstoff alle Virusbestandteile und nicht nur das Spike-Protein, wie es beim mRNA-Impfstoff der Fall ist. Spike ist zwar das wichtigste Antigen des Virus – doch das Immunsystem kann das Virus darüber hinaus an ungefähr 20 weiteren Proteinen erkennen. Schützt besser als herkömmliche Impfstoffe Den besten Schutz vor dem SARS-Coronavirus 2 konnte eine zweifache Impfung über die Nase erzielen, gefolgt von der Kombination aus einer Injektion des mRNA-Impfstoffes in den Muskel und dem anschließend nasal verabreichten Lebendimpfstoff. „Das könnte den Lebendimpfstoff besonders als Booster interessant machen“, sagt Co-Erstautorin der Studie Julia Adler, Tierärztin und Doktorandin am Institut für Virologie der Freien Universität Berlin. Das Prinzip der abgeschwächten Lebendimpfstoffe ist alt und kommt etwa bei der Masern- oder Röteln-Impfung zum Einsatz. Früher allerdings erzeugten Wissenschaftler:innen die Abschwächung zufällig, indem sie mitunter jahrelang auf Mutationen gewartet haben, die ein abgeschwächtes Virus hervorbrachten. Die Berliner Forschenden hingegen haben den genetischen Code der Coronaviren gezielt verändert. „So wollen wir verhindern, dass die abgeschwächten Viren zu einer aggressiveren Variante zurückmutieren“, erklärt Dr. Dusan Kunec, Wissenschaftler am Institut für Virologie der Freien Universität Berlin und ebenfalls Co-Letztautor. Der maßgebliche Mitentwickler des Impfstoffes betont: „Unser Lebendimpfstoff ist also sicher und kann auf neue Virusvarianten zugeschnitten werden.“ Als nächstes stehen Sicherheitsprüfungen an: Die Forschenden arbeiten dafür mit der RocketVax AG zusammen, einem Schweizer Start-up mit Sitz in Basel. Das Biotech-Unternehmen entwickelt den abgeschwächten Lebendimpfstoff gegen SARS-CoV-2 weiter und bereitet eine klinische Phase-1-Studie im Menschen vor. „Wir freuen uns sehr, dass wir eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung und Herstellung des attenuierten SARS-CoV-2-Lebendimpfstoffs in Form eines Nasensprays haben. Unser Ziel ist es, die Produktion schnell zu skalieren und die klinische Prüfung für den Marktzugang voranzutreiben, um allen Menschen Schutz vor COVID-Symptomen zu bieten. Wir sehen auf dem Markt ein großes Potenzial für saisonale nasale Impfstoffe“, sagt Dr. Vladimir Cmiljanovic, CEO von RocketVax. Welche nasale Impfung am Ende am besten schützt, wird die Zukunft zeigen. Die Hersteller der in Indien und China entwickelten intranasalen Adenovirus-Impfstoffe haben in Europa bislang keine Zulassung beantragt. Fest steht nach Ansicht der Forschenden allerdings: Da sie als Nasenspray oder -tropfen verabreicht werden, sind nasale Impfstoffe grundsätzlich gut geeignet für einen Einsatz bei begrenztem Zugang zu geschultem medizinischem Personal. Auch sind sie kostengünstig in der Herstellung, einfach zu lagern und zu transportieren. Nicht zuletzt können Lebendimpfstoffe wie der hier eingesetzte nachweislich einen Kreuzschutz gegen verwandte Virenstämme bieten.
Veröffentlicht am 03.04.2023 um 14:41:33 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Neu an der Charité: Prof. Gerhard Krönke ist Direktor der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie

Prof. Dr. Gerhard Krönke hat zum 1. April die Professur für Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin übernommen. Damit verbunden sind die Direktion der gleichnamigen Klinik am Campus Charité Mitte sowie die Leitung des Bereichs Autoimmundiagnostik der Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH. Prof. Krönke wechselt aus Bayern an die Spree und folgt auf Prof. Dr. Gerd-Rüdiger Burmester, der die Professur seit 1993 innehatte und der Charité als Seniorprofessor verbunden bleibt. Prof. Krönke ist Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie und war zuletzt Professor für Translationale Immunologie an der Universität Erlangen-Nürnberg und geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Innere Medizin 3, Rheumatologie und Klinische Immunologie, am Universitätsklinikum Erlangen. Der 45-Jährige freut sich auf den Wechsel an die Berliner Universitätsmedizin: „Die Charité ist eine der renommiertesten Kliniken Deutschlands und bietet ein großartiges wissenschaftliches Umfeld. Darüber hinaus ist natürlich Berlin auch eine sehr spannende Stadt.“ Der gebürtige Österreicher ergänzt: „Meine klinischen Schwerpunkte sind vor allem die systemischen Autoimmunerkrankungen, wie beispielsweise die Rheumatoide Arthritis oder der Systemische Lupus Erythematodes. In der wissenschaftlichen Arbeit beschäftige ich mich insbesondere mit den molekularen Grundlagen der Entzündungs- und Immunantwort sowie den kurativen Therapieansätzen bei Autoimmunerkrankungen. Dazu gehört unter anderem die Wiederherstellung der immunologischen Toleranz, beispielsweise durch CAR-T-Zell-Therapien.“  Ein besonderes Anliegen ist Prof. Krönke zudem die Lehre und Förderung junger Mediziner:innen: „Ich möchte die Studierenden und medizinischen Nachwuchstalente für die Fächer Immunologie und Rheumatologie begeistern und ihnen auch die Wichtigkeit der Verknüpfung von klinischer Arbeit und der Forschung vermitteln.“
Veröffentlicht am 03.04.2023 um 08:55:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Charité Campus Virchow-Klinikum wird G-BA-Traumazentrum

Auf Antrag der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat das Land Berlin den Campus Virchow-Klinikum als erstes Traumazentrum ausgewiesen. Dazu gehört auch die Versorgung schwerverletzter junger Patient:innen in einem kindertraumatologischen Referenzzentrum. Grundlage sind die Zentrums-Regelungen des Gemeinsamen Bundessausschusses (G-BA). Mit dem Traumazentrum verfügt die Charité nun mit dem Berliner Centrum für Seltene Erkrankungen (BCSE), dem Charité Comprehensive Cancer Center (CCCC) sowie dem Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) über insgesamt vier G-BA-Zentren.  Prof. Dr. Martin E. Kreis, Vorstandsmitglied Krankenversorgung, ordnet den Schritt ein: „Die Traumatologie am Campus Virchow-Klinikum hat bereits jetzt eine herausragende Bedeutung für die Gesundheitsregion. Mit der Ernennung zum G-BA Zentrum wird diese besondere Stellung anerkannt und sichtbar gemacht. Zukünftig werden somit noch mehr Patientinnen und Patienten von der Expertise und der Vorhaltung bestimmter Leistungen der Charité profitieren. Daneben wird auch der Austausch und die Vernetzung zu anderen Leistungserbringern gefördert. Dies birgt viele Vorteile, wie beispielsweise eine verbesserte und bedarfsgerechte Krankenversorgung sowie den Forschungs- und Wissenstransfer.“ Die Ausweisung als G-BA-Traumazentrum ermöglicht es, die digitalen Strukturen auf Landesebene auszubauen, telemedizinische Leistungen für externe Kliniken zu erbringen sowie interdisziplinäre Fallkonferenzen mit anderen Häusern durchzuführen. Zudem tragen zentrumsbezogene Fortbildungsangebote und übergreifende qualitätssichernde Maßnahmen dazu bei, eine hochqualitative Versorgung von Patient:innen mit Verletzungen aller Schweregrade zu sichern und auszubauen. Darüber hinaus werden bestimmte technische Angebote permanent am Campus Virchow-Klinikum vorgehalten, die eine besonders hohe Qualität bei der Versorgung von traumatologischen Einzelfällen sowie bei Großschadensereignissen ermöglichen. Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, betont: „Die G-BA-Zentren sind im deutschen Gesundheitswesen bemerkenswerte Strukturen, die im Grunde vieles von dem, was in den Reformvorschlägen der Regierungskommission zur Krankenhausfinanzierung speziell der Universitätsmedizin zugedacht wird, bereits heute realisieren. Ganz konkret ist das die Unterstützung anderer Krankenhäuser über die Zentren selbst oder via telemedizinische Infrastruktur sowie die Koordination der regionalen Versorgung. Insofern ist die Zuweisung dieser neuen Aufgaben für die Charité sehr erfreulich und auch eine gute, zukunftsgerichtete Entwicklung für die Versorgung in Berlin.“
Veröffentlicht am 30.03.2023 um 10:26:27 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

SUDEP-Präventionsprogramm für Kinder mit Epilepsie

Das Deutsche Epilepsiezentrum für Kinder- und Jugendliche der Charité – Universitätsmedizin Berlin startet jetzt das SUDEP-Präventionsprogramm. Das Programm ist bundesweit einzigartig und zielt darauf ab, den sogenannten plötzlichen Epilepsietod zu vermeiden. Derzeit sterben jährlich weltweit rund 50.000 Menschen an SUDEP, allein in Deutschland sind es etwa 700 Menschen. Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, die im Laufe des Lebens etwa 3 von 100 Menschen betrifft. Die Ursachen für SUDEP, den anfallsbedingten Herz-Kreislauf-Stillstand, sind im Einzelnen noch nicht hinreichend erforscht. Dabei können plötzliche Todesfälle bei Epilepsie auch bei einem weitgehend stabilen Gesundheitszustand auftreten. Ziel des Präventionsprogramms ist es daher, die Eltern ab der Diagnose Epilepsie bei ihrem Kind ausführlich über die Möglichkeiten der Behandlung zu informieren. Dazu gehören Medikamente, Diäten und chirurgische Möglichkeiten ebenso wie bestimmte Verfahren zur Stimulation und der automatisierten Erkennung von Anfällen. Zudem werden potenzielle Risiken und ihre Vermeidung sowie konkrete Möglichkeiten der Ersten Hilfe und der Reanimation besprochen. So können Gefahren im Alltag reduziert und das Auftreten eines plötzlichen Epilepsietodes verringert werden.  „Insbesondere Kinder und Jugendliche mit therapieschweren Epilepsien haben ein hohes Risiko, Komplikationen zu erfahren,“ betont Prof. Dr. Angela M. Kaindl, Initiatorin des Projekts und Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Neurologie sowie Ärztliche Leiterin des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ). Sie ergänzt: „Dabei möchten wir unsere Patient:innen nicht in Panik versetzen, vielmehr soll die Aufklärung über die Risiken den betroffenen Familien wieder ein selbstbestimmtes und geschütztes Leben ermöglichen.“   Prävention in der Praxis verankern „Das SUDEP-Präventionsprogramm wird dringend gebraucht“, sagt Dr. Iris-Maria Killinger, die ihren vierzehnjährigen Sohn Oskar 2019 an SUDEP verloren hat. Gemeinsam mit Oskars Vater hat sie die stopSUDEP-Initiative der Oskar Killinger Stiftung ins Leben gerufen: „Zu viele Eltern wissen nichts über das SUDEP-Risiko und was man dagegen tun kann. Das muss sich ändern.“ Die Mehrheit der SUDEP-Todesfälle tritt nachts bei allein schlafenden Personen auf. Dementsprechend müssen Patient:innen auch über die Möglichkeit der automatisierten Erkennung von Anfällen und das Erlernen von Basiskenntnissen in der Reanimation von Kindern und Jugendlichen informiert werden. „Mit diesem Programm schaffen wir erstmalig einen geschützten Raum, der es uns ermöglicht, alle Präventionsfaktoren umfassend zu behandeln und jede Familie dort abzuholen, wo sie steht“, schließt Prof. Kaindl. Kontakt für betroffene Familien Weitere Informationen finden Sie unter https://epilepsie.charite.de. Einen Termin können Sie per E-Mail an kinderepilepsie(at)charite.de oder telefonisch unter +49 30 450 616 304 bzw. per Fax +49 30 450 566 953 vereinbaren.
Veröffentlicht am 03.03.2023 um 07:02:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Europäische Gesundheitssysteme neu denken

2030 werden in Deutschland voraussichtlich sechs Millionen Menschen über 80 Jahre alt sein. 2050 werden es Schätzungen zufolge fast zehn Millionen sein. Gleichzeitig fehlen dann voraussichtlich bis zu 7.000 Ärzt:innen und etwa 500.000 Pflegende. So wie Deutschland blicken nahezu alle europäischen Länder auf eine große Herausforderung: eine alternde Bevölkerung, die mehr medizinischer Betreuung bedarf, bei gleichzeitigem Fachkräftemangel und steigenden Kosten durch medizinischen Fortschritt. An der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben heute führende europäische Universitätsklinika, zusammengeschlossen in der EUHA, und Vertreter:innen internationaler Institutionen einen Prozess angestoßen, der Lösungen für die Zukunft der Gesundheitssysteme finden soll. „Rethinking European Healthcare Systems“ – europäische Gesundheitssysteme neu denken – lautet die Überschrift eines Expertenworkshops an der Charité. Mit nicht weniger als diesem Ziel sind führende Köpfe von zehn europäischen Universitätsklinika, seit 2017 verbunden in der European University Hospital Alliance (EUHA), mit internationalen Akteuren des Gesundheitssektors zusammengekommen – unter ihnen Verantwortliche der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa (OECD) und Gesundheitsexpert:innen der Europäischen Kommission. Gemeinsam wollen sie nachhaltige Lösungen für die stetig steigenden Anforderungen in der Gesundheitsversorgung finden und erörtern, welche Rolle die Universitätsmedizin im Zuge des gesellschaftlichen Wandels dabei einnehmen kann. Zwar unterscheiden sich die europäischen Gesundheitssysteme im Einzelnen, dennoch stehen die Mitglieder der EUHA beim Blick in die Zukunft vor ähnlichen Herausforderungen. Darunter sind der Umgang mit einem erheblichen Mangel an Fachpersonal und die Frage, wie künftig Mediziner:innen und Personal in Gesundheitsberufen bestmöglich ausgebildet werden. Innovation und neue Arbeitsweisen Alternde Gesellschaften, kulturelle Veränderungen und komplexe, wenig flexible Finanzierungsmodelle gelten als wesentliche Ursachen des derzeitigen Arbeitskräftemangels im Gesundheitssektor. Die Pandemie und die darauffolgende Energie- und Finanzkrise haben die Situation für Fachkräfte zusätzlich verschlechtert. Wie sich europäische Gesundheitssysteme neu aufstellen können, welche Instrumente bereits gut funktionieren und welche Rolle Universitätsklinika bei der Bewältigung des Arbeitskräftemangels übernehmen können, dazu kamen die Fachexpert:innen der EUHA und weiterer internationaler Organisationen heute erstmalig zusammen. Ihr Fazit: Die bisherigen Strategien genügen nicht, ein grundlegendes Umdenken ist notwendig. „Steigende Anforderungen an die Gesundheitsversorgung, verschärft durch einen zunehmenden Fachkräftemangel, können nicht allein durch Anwerbungs- und Bindungsstrategien bewältigt werden“, sagt Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité. In seinen Augen bedarf es eines strukturelleren Ansatzes, der darauf ausgerichtet ist, das europäische Gesundheitsmodell neu zu denken. „Ganz essenziell wird dabei das Vermeiden von Krankheiten sein, mit einem neuen gesamtgesellschaftlichen Fokus auf Prävention und Gesunderhaltung der Menschen in allen Bereichen. Gleichzeitig müssen wir technologische und digitale Innovationen gezielt zur Entwicklung neuer Arbeitsweisen im Gesundheitswesen und innovativer Ausbildungsprogramme für zukünftige Gesundheitsfachkräfte nutzen. Auch angepasste Vergütungssysteme, neue Versorgungsnetze für Stadt und Land, telemedizinische Ansätze und der Zugang und Austausch von medizinischen Daten im europäischen Gesundheitsraum sind wichtige Instrumente, die wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern voranbringen müssen.“ Gemeinsame Ansätze für Prävention und Ausbildung Die Gesundheitssysteme in Europa müssen sich auf lange Sicht anpassen, um zu bestehen. Schon jetzt stellen Universitätsklinika die Weichen dafür. In gemeinsamen Forschungsprojekten und Arbeitsgruppen entwickeln die EUHA-Partner beispielsweise neue Ansätze für Zell- und Gentherapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMPs) zur Behandlung von Krebspatient:innen. Auch erarbeiten sie gemeinsame Strategien und Programme für die Ausbildung von Gesundheitsfachkräften und sind aktiv an der Entwicklung des European Health Data Spaces beteiligt. „Die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit in Gesundheitsthemen hat sich in der Hochphase der Pandemie besonders deutlich gezeigt. Der direkte, unkomplizierte und vertrauensvolle Austausch mit unseren europäischen Kolleginnen und Kollegen war essenziell zur Bewältigung der Krise. Diese Erfahrung müssen wir nutzen und die Zusammenarbeit weiter ausbauen, denn der Fachkräftemangel, die Auswirkungen des Klimawandels oder Arzneimittelresistenzen sind Herausforderungen, die wir nur gemeinsam meistern können“, fasst Dr. Claire Mallinson, Bildungsdirektorin von King's Health Partners, die Relevanz des Expertenworkshops in Berlin zusammen, wo sie die Londoner Universitätsmedizin vertritt. Auf die heutige Zusammenkunft werden weitere Treffen folgen. Während der diesjährigen EUHA-Präsidentschaft der Charité von Juni bis November werden Themen wie die Entwicklung gemeinsamer Präventions- und Innovationsansätze sowie die Ausgestaltung neuer Berufsbilder im Gesundheitswesen und die Weiterentwicklung der medizinischen Ausbildung in Europa weiter im Fokus stehen.
Veröffentlicht am 02.03.2023 um 13:48:44 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Die weitreichenden Folgen von Kindesmissbrauch

Belastende Kindheitserfahrungen einer Mutter können Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit ihrer Kinder haben. Das berichten Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin jetzt in der Fachzeitschrift The Lancet Public Health*. Misshandlungen in der Kindheit der Mütter gehen demnach mit einem höheren Risiko für Krankheiten wie etwa Asthma, Autismus oder Depressionen für die nachfolgende Generation einher. Eine frühzeitige Unterstützung der betroffenen Mütter könnte helfen, dem entgegenzuwirken. Misshandlungen in der Kindheit sind ein besonders gravierender Risikofaktor für Gesundheitsprobleme, da sie eine Vielzahl von Folgen für das gesamte Leben eines Menschen mit sich bringen. Dazu zählen körperliche, psychische, verhaltensbezogene und auch soziale Auswirkungen, die sich bis in die Zeit der Schwangerschaft und Elternschaft fortsetzen können. So können kritische Erfahrungen in der Kindheit der Eltern die Entwicklung und Gesundheit ihrer Kinder beeinflussen. Höheres Risiko für Asthma, ADHS, Autismus und Depressionen In der jetzt veröffentlichten Studie belegt ein Forschungsteam um Prof. Dr. Claudia Buß vom Institut für Medizinische Psychologie der Charité, dass bei Kindern von Müttern, die als Kind Misshandlung erfahren haben, häufiger Gesundheitsprobleme auftreten. Als Misshandlung verstehen die Wissenschaftler:innen körperliche, emotionale und sexuelle Misshandlungen oder Vernachlässigung durch einen Elternteil oder eine Betreuungsperson, die zu einer körperlichen oder emotionalen Schädigung beziehungsweise einer drohenden Schädigung eines Kindes führen. Sie haben Daten von über 4.300 amerikanischen Müttern und ihren Kindern aus 21 Langzeitkohorten ausgewertet. Mütter berichteten darin über die Erfahrungen, die sie in ihrer Kindheit gemacht haben. Zudem wurden Diagnosen ihrer biologischen Kinder bis zum Alter von 18 Jahren angegeben oder bei Studienterminen festgestellt. Diese wertvolle Datengrundlage von zwei miteinander verbundenen Generationen ermöglichte es den Forschenden, aussagekräftige Zusammenhänge aufzuzeigen. Demnach haben Kinder von Müttern, die negative Erlebnisse berichteten, ein höheres Risiko, an Asthma, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Autismus zu erkranken. Diese Kinder weisen auch häufiger Symptome und Verhaltensweisen auf, die mit Depressionen und Angststörungen in Verbindung stehen, sogenannte internalisierende Störungen. Zudem haben Töchter dieser Mütter ein höheres Risiko, an Fettleibigkeit zu erkranken, als deren Söhne. „All diese Zusammenhänge sind unabhängig davon, ob die Mutter dieselbe jeweilige Diagnose erhalten hat“, erklärt Prof. Buß, leitende Autorin der Studie. „Das spricht gegen eine genetische Übertragung des jeweiligen Krankheitsrisikos.“ Erste Studie, die mehrere Krankheiten untersucht Die Mechanismen, wie genau das Risiko auf die nachfolgende Generation übertragen wird, sind noch nicht hinreichend entschlüsselt. Es gibt Hinweise darauf, dass negative Erfahrungen in der Kindheit die mütterliche Biologie während der Schwangerschaft beeinflussen können, zum Beispiel durch Stresshormone. Das kann sich auf die Entwicklung des Fötus auswirken. Solche biologischen Veränderungen sind stärker ausgeprägt, wenn die Mutter in Folge der traumatischen Erfahrungen eine psychische Erkrankung entwickelt hat, beispielsweise eine Depression. Eine beeinträchtigte psychische Gesundheit der Mutter kann sich auch nach der Geburt auf den Umgang mit ihrem Kind auswirken, was wahrscheinlich ebenso für die generationsübergreifenden Effekte von Bedeutung ist. „Unseres Wissens nach ist dies die erste Studie, bei der mehrere Krankheiten gleichzeitig in Bezug auf frühe Traumata der Mutter in einer großen soziodemografischen und ethnisch vielfältigen Stichprobe untersucht wurden. Bislang ist das vor allem für einzelne Erkrankungen geschehen“, erläutert Dr. Nora Moog, ebenfalls vom Institut für Medizinische Psychologie der Charité und Erstautorin der Publikation. Entsprechend konnten die Forschenden zeigen, dass betroffene Kinder mit einer größeren Wahrscheinlichkeit mehrere körperliche und psychische Leiden entwickelten. Auch ist das Risiko umso höher, je schwerwiegender die mütterlichen Erfahrungen in der Kindheit waren. „Gleichzeitig möchte ich betonen, dass unsere Ergebnisse nicht bedeuten, dass alle Kinder von Müttern mit negativen Kindheitserfahrungen automatisch gesundheitliche Probleme bekommen“, ordnet Prof. Buß die Befunde ein. „Das Risiko ist zwar erhöht, es muss aber nicht zwangsläufig in einer Erkrankung münden.“ Betroffene frühzeitig identifizieren und unterstützen „Ich gehe davon aus, dass eine angemessene Unterstützung der belasteten Mütter ihre Gesundheit sowie die ihrer Kinder positiv beeinflussen kann. Dafür ist es sehr wichtig, dass wir betroffene Mütter und Kinder frühzeitig identifizieren“, sagt Prof. Buß. So könnten etwa Ärztinnen und Ärzte im Rahmen von pränatalen oder kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen auch die Kindheitserfahrungen der Eltern thematisieren und Kontakt zu verschiedenen Unterstützungsprogrammen oder Beratungsstellen herstellen. Von einer frühen Hilfe würden dann gegebenenfalls zwei Generationen profitieren: der Elternteil, der Misshandlung erfahren hat und möglicherweise an gesundheitlichen Folgen leidet, und das Kind, bei dem Krankheiten verhindert werden könnten. Um neue, zielgerichtete therapeutische Maßnahmen zu entwickeln, ist ein besseres Verständnis darüber nötig, wie genau das höhere Krankheitsrisiko auf die nachfolgende Generation übertragen wird. Daran arbeitet das Forschungsteam aktuell. Zudem möchte es durch Folgestudien ergründen, welche Kinder widerstandsfähig bleiben, also keine Folgen über eine Generation hinweg erleiden: Was zeichnet sie und ihre Mütter sowie ihr soziales Umfeld aus? Darüber hinaus finden bislang die Kindheitserfahrungen des Vaters verhältnismäßig wenig Beachtung. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass diese ebenfalls an die nächste Generation weitergegeben werden können, wobei sich die Übertragungsmechanismen teilweise von denen der Mütter unterscheiden. Auch diesen Forschungsfragen möchten die Wissenschaftler:innen künftig detaillierter nachgehen.
Veröffentlicht am 24.02.2023 um 07:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Warum Migräne häufig während der Menstruation auftritt

Werden Frauen von Migräneattacken heimgesucht, passiert das häufig kurz vor oder während der Monatsblutung. Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat jetzt eine mögliche Erklärung dafür gefunden. Der im Fachmagazin Neurology* veröffentlichten Studie zufolge bilden betroffene Frauen während der Menstruation besonders große Mengen an CGRP. Der Botenstoff trägt bekanntermaßen entscheidend zur Entstehung einer Migräne bei. Frauen sind dreimal häufiger von Migräne betroffen als Männer. Besonders zahlreiche und heftige Attacken erleben sie rund um die Regelblutung, aber auch bei Eintritt in die Wechseljahre. Dagegen verbessern sich die Symptome in vielen Fällen während der Schwangerschaft, und auch mit Abschluss der Menopause werden die Migräneattacken seltener. Dass Hormonschwankungen mit Migräne in Zusammenhang stehen, ist also seit Langem bekannt. Wie genau sie das tun, ist dagegen noch immer größtenteils unklar. „Aus dem Tiermodell haben wir Hinweise, dass Schwankungen von weiblichen Hormonen – insbesondere von Östrogen – zu einer verstärkten Freisetzung des Entzündungsbotenstoffs CGRP im Gehirn führen“, erklärt Dr. Bianca Raffaelli vom Kopfschmerzzentrum der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie am Charité Campus Mitte, die die Studie geleitet hat. „CGRP steht für ‚Calcitonin Gene-Related Peptide‘ und ist eine körpereigene Substanz, die bei Migräne vermehrt ausgeschüttet wird und die Blutgefäße im Gehirn stark erweitert. Dadurch entsteht eine Entzündungsreaktion, die einer der Gründe für die starken Kopfschmerzen bei Migräne sein könnte.“ Erhöhter CGRP-Spiegel während der Menstruation Anhand von insgesamt 180 Frauen prüfte die Charité-Forschungsgruppe nun, ob der Zusammenhang zwischen weiblichen Hormonen und der Ausschüttung von CGRP auch beim Menschen besteht. Dazu bestimmten die Forschenden bei Migränepatientinnen zweimal im Verlauf des Zyklus den CGRP-Spiegel, und zwar während der Monatsblutung und zum Zeitpunkt des Eisprungs. Ein Vergleich mit Frauen ohne Migräne belegte: Während der Menstruation ist die Konzentration an CGRP bei Migräne-Betroffenen deutlich höher als bei den gesunden Probandinnen. „Wenn also der Östrogenspiegel zur Einleitung der Periode sinkt, schütten die Migränepatientinnen vermehrt CGRP aus“, sagt Dr. Raffaelli, die auch Fellow des Clinician Scientist Programms ist, das die Charité zusammen mit dem Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) unterhält. „Das könnte erklären, warum die betroffenen Frauen kurz vor und während der Monatsblutung häufiger Migräneattacken erleben.“ Bei Frauen, die die Pille einnehmen, gibt es kaum Schwankungen des Östrogenspiegels. Wie die Forschenden in der aktuellen Studie nachwiesen, verändert sich auch die CGRP-Konzentration im Verlauf des „künstlichen Zyklus“ nicht und ist bei Migränepatientinnen vergleichbar mit der gesunder Frauen. Ähnliches beobachteten die Wissenschaftler:innen bei Frauen, die die Wechseljahre abgeschlossen hatten. „Auch wenn diese Daten noch durch größere Studien bestätigt werden müssen: Sie deuten darauf hin, dass beim Menschen die Freisetzung von CGRP abhängig vom hormonellen Zustand ist“, resümiert Dr. Raffaelli. „Tatsächlich kann die Einnahme der Pille und das Ende der Wechseljahre manchen Migränepatientinnen Linderung verschaffen. Wie aber aus unserer Studie ersichtlich wird, gibt es Frauen, die auch ohne Hormonschwankungen Migräne bekommen. Wir vermuten, dass bei ihnen andere Prozesse im Körper eine Rolle bei der Entstehung einer Attacke spielen. Denn CGRP ist nicht das einzige entzündliche Peptid, das Migräne auslösen kann.“ Mögliche Relevanz für Migräne-Medikamente Aufgrund der zentralen Funktion von CGRP in der Migräneentstehung sind in den letzten Jahren neue Medikamente entwickelt worden, die sich gegen den Botenstoff richten – sogenannte CGRP-Inhibitoren. Dr. Raffaelli: „Auf Basis unserer Studie stellt sich nun die Frage: Haben CGRP-Inhibitoren bei verschiedenen hormonellen Zuständen eine unterschiedliche Wirkung? Wäre es also zum Beispiel sinnvoll, diese Medikamente zyklusabhängig zu verabreichen? Das müssen jetzt weitere Studien zeigen.“ Künftig wird das Forschungsteam untersuchen, welche weiteren körperlichen Prozesse durch den Menstruationszyklus beeinflusst werden und zur Entstehung von Migräneattacken beitragen könnten – zum Beispiel die Funktion der Blutgefäße oder die Erregbarkeit des Gehirns. Außerdem planen die Forschenden, auch den CGRP-Spiegel bei Männern unterschiedlicher Altersgruppen genauer in den Blick zu nehmen.
Veröffentlicht am 23.02.2023 um 07:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

1,3 Millionen Euro für zehn neue Forschungsvorhaben im 3R-Bereich

Krankheiten werden oft mithilfe von Tierversuchen erforscht. Die Charité – Universitätsmedizin Berlin fördert jetzt zehn neue Projekte, die mittels menschlichem Gewebe alternative Modelle entwickeln, die Zahl der Versuchstiere reduzieren oder die Tierhaltung verbessern. Angewendet wird dabei das sogenannte 3R-Prinzip, dessen Ziel es ist, Tierversuche zu ersetzen (Replace), die Anzahl der Versuchstiere zu reduzieren (Reduce) oder die Belastung für Versuchstiere zu mindern (Refine). Die Vorhaben werden mit insgesamt 1,3 Millionen Euro über einen Zeitraum von in der Regel zwei Jahren unterstützt. „Tierversuche sind weiterhin ein wichtiger Baustein im Methodenmix der biomedizinischen Forschung an der Charité“, sagt Prof. Dr. Joachim Spranger, Dekan der Charité. „Aus diesem Grund, aber auch aus ganz grundsätzlichen Erwägungen im Hinblick auf die mangelnde Reproduzierbarkeit mancher tierexperimenteller Studien im Menschen, sehen wir an der Charité eine besondere Verpflichtung, die Suche nach neuen experimentellen Methoden und Modellen stetig voranzutreiben und alles dafür zu tun, notwendige Tierversuche zu verbessern, ihre Zahl zu verringern und sie wo immer möglich zu ersetzen. Die jetzt gestarteten Forschungsprojekte bilden sehr anschaulich einen Querschnitt durch die heterogene Forschungslandschaft der Berliner Universitätsmedizin und zeigen die vielfältigen Möglichkeiten und Bedarfe für eine Weiterentwicklung der 3R-Prinzipien an der Charité.“ „Für die Entwicklung von neuen Forschungsmethoden, die einerseits zu besseren Therapien für den Menschen führen sollen und die gleichzeitig potenziell die Zahl der Tierversuche reduzieren, braucht es sehr breit angelegte Förderinitiativen und einen langen Atem“, sagt Prof. Dr. Stefan Hippenstiel, Sprecher von Charité 3R. „Daher freut es uns sehr, dass wir einige der vielen Forschungsprojekte nun nachhaltig unterstützen und diese Entwicklung weiter verstärken können.“ Die zehn geförderten Vorhaben wurden aus vielen Bewerbungen in einem unabhängigen wissenschaftlichen Begutachtungsprozess ausgewählt. Koordiniert wurden die Förderausschreibungen und der Begutachtungsprozess von Charité 3R. Charité 3R ist eine Einrichtung, die die Umsetzung des 3R-Prinzips an der Charité über das gesetzlich geforderte Maß hinaus intensiv unterstützt. Die 3R-Forschung an der Charité widmet sich nicht allein der Stärkung des Tierwohls, sondern gleichzeitig einer Verbesserung der Translation – also der Übertragung von Ergebnissen aus der biomedizinischen Forschung auf den Menschen –, verbunden mit einem Maximum an Tierwohl. Drei Projekte im Detail Eines der neuen Forschungsprojekte im Bereich „Reduction“ forscht beispielsweise mit sogenannten Wildling-Mäusen. Denn herkömmliche Labormäuse werden zumeist unter keimarmen Bedingungen gehalten, während Menschen und Tiere „in freier Wildbahn“ von einer wesentlich komplexeren Gruppe von Mikroorganismen besiedelt sind. Dieses sogenannte Mikrobiom spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit und die Entstehung von Krankheiten. Im Wildling-Projekt wollen die Forschenden deshalb untersuchen, ob Labormäuse mit einem natürlichen Mikrobiom im Vergleich zu herkömmlichen Labormäusen besser für die Untersuchung von Krankheitsmechanismen und die Entwicklung neuer Therapien geeignet sind. Dazu wird eine große Bandbreite von relevanten Krankheiten wie Virusinfektionen, Alzheimer, Krebs und Schlaganfall untersucht. Die Wissenschaftler:innen erwarten, dass Forschung mit Wildling-Mäusen effektiv zu neuen Therapien und daher langfristig zu einer Reduzierung von Tierversuchen führen wird. Im Bereich „Replacement“ wollen Forschende in einem neuen Projekt ein auf menschlichen Zellen basierendes Modell etablieren, das die Entwicklung von Medikamenten für das sogenannte SynGAP-Syndrom unterstützt. Bei diesem Syndrom handelt es sich um eine seltene genetische Erkrankung, der eine Mutation auf einem speziellen Gen, dem SynGAP1-Gen, zugrunde liegt. Diese Mutation führt zu einer schweren neurologischen Entwicklungsstörung mit geistiger Behinderung, autistischen Zügen und Krampfanfällen. Das Forschungsteam will Mini-Gehirn-Organoide aus menschlichen Stammzellen entwickeln und an ihnen die Effekte der durch die Mutation gestörten Signalübertragung zwischen Nervenzellen untersuchen. Ziel ist es, ein System für die Erprobung möglicher Medikamente für das SynGAP-Syndrom bereitzustellen und gleichzeitig die Anzahl der für das Verständnis der Krankheitsmechanismen erforderlichen Tiere zu reduzieren. Ein Projekt im Bereich des „Refinement“ startet mit dem Ziel, neue Konzepte für die Haltung von Ratten zu entwickeln. Die Bedingungen in der Tierhaltung haben einen großen Einfluss auf das Wohlergehen von Versuchstieren. Ratten stellen nicht nur aufgrund ihrer Körpergröße besondere Anforderungen an Haltungssysteme. Sie besitzen zudem ein ausgeprägtes Spiel- und Erkundungsverhalten und interagieren intensiv mit ihren Sozialpartnern und mit Menschen. Gleichzeitig besteht in der Forschung der Bedarf an Tieren, die über einen längeren Zeitraum gehalten werden, da mit der demografischen Alterung der Gesellschaft auch die altersbedingten Erkrankungen zunehmen. Um diesem besser begegnen zu können, braucht es ausgewachsene und ältere Versuchstiere. Die Antragstellenden wollen verschiedene Konzepte für Käfigumbauten erproben, um den Tieren abwechslungsreiche und individuelle Optionen für Aktivität und Ruhe zu ermöglichen. Weitere Informationen zu allen geförderten Forschungsprojekten und Förderlinien finden sich auf der Charité 3R-Webseite.
Veröffentlicht am 21.02.2023 um 10:02:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Nature-Studie entdeckt Entstehungsmechanismus für seltene Erbkrankheiten

Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik (MPIMG) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) haben im Detail aufgeklärt, wie das äußerst seltene erbliche BPTA-Syndrom entsteht: Die Ladungsänderung eines Proteins bringt die zelluläre Selbstorganisation durcheinander, eine Entwicklungsstörung ist die Folge. Das Team identifizierte außerdem hunderte vergleichbare genetische Veränderungen, die unter anderem mit Störungen der Hirnentwicklung oder einer Krebs-Veranlagung in Zusammenhang stehen. Der jetzt im Fachmagazin Nature* beschriebene Mechanismus könnte damit die Ursache für zahlreiche unaufgeklärte Erkrankungen sein. Tausende genetische Veränderungen stehen in Verbindung mit verschiedenen Erkrankungen. Wie genau diese Mutationen zu Krankheiten führen, ist meistens jedoch unklar. Das liegt daran, dass sie Abschnitte von Proteinen betreffen, deren dreidimensionale Struktur ungeordnet ist und über deren Funktion in der Zelle man bisher wenig weiß. „Die Aufgaben solcher Proteinabschnitte sind schwer zu erforschen, weil sie häufig erst zusammen mit anderen Molekülen ihre Wirkung entfalten“, sagt Dr. Martin Mensah vom Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik der Charité. Er ist einer der beiden Erstautoren der Studie und Fellow des Digital Clinician Scientist Programms, das die Charité zusammen mit dem Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) betreibt. „Am Beispiel des BPTA-Syndroms haben wir nun im Detail beschrieben, wie Veränderungen in ungeordneten Proteinbereichen eine genetisch bedingte Krankheit verursachen können.“ Damit hat das Forschungsteam einen neuen Entstehungsmechanismus von Erbkrankheiten entdeckt – der der Studie zufolge überraschenderweise gar nicht so selten ist. BPTA steht für „Brachyphalangie-Polydaktylie und tibiale Aplasie/Hypoplasie“. Die Betroffenen haben schwerwiegende Fehlbildungen an den Gliedmaßen, dem Gesicht, dem Nerven- und Knochensystem und anderen Organen. Mit weniger als zehn dokumentierten Fällen weltweit ist die Krankheit extrem selten. Um der Ursache für das BPTA-Syndrom auf die Spur zu kommen, entschlüsselten die Forschenden die Erbinformation von fünf Betroffenen und stellten fest, dass bei allen das Protein HMGB1 verändert ist: Das letzte Drittel seiner Struktur ist durch eine sogenannte Rasterschub-Mutation nicht länger negativ, sondern positiv geladen.  Das Kernkörperchen verfestigt sich Durch die Ladungsänderung ähnelt HMGB1 nun Proteinen, die sich vorzugsweise im sogenannten Kernkörperchen aufhalten. Das Kernkörperchen ist ein kleiner Bereich im Zellkern, in dem Teile der Proteinfabriken zusammengebaut werden. Es ist daher fundamental wichtig für die Lebensfähigkeit einer Zelle. Wie das Forschungsteam anhand von Versuchen mit isolierten Proteinen und Zellkulturen belegte, wird das mutierte HMGB1-Protein mit seinem nun positiv geladenen Endstück fälschlicherweise zum Kernkörperchen hingezogen. Weil der Proteinfortsatz zum Teil auch zäher geworden ist, verklumpt das HMGB1-Protein außerdem. „Im Mikroskop konnten wir nachvollziehen, dass das Kernkörperchen dadurch seine eigentlich flüssigkeitsähnlichen Eigenschaften verliert und zunehmend erstarrt“, erklärt Dr. Henri Niskanen, Wissenschaftler am MPIMG und ebenfalls Erstautor der Studie. Die Verfestigung des Kernkörperchens beeinträchtigt die Lebensfunktion der Zellen: Mit dem mutierten Protein starben mehr Zellen in der Kultur als ohne die Mutation. Prof. Dr. Malte Spielmann, Direktor des Instituts für Humangenetik des UKSH und einer der drei leitenden Autoren der Studie, resümiert: „Wir haben also gezeigt, wie Mutationen in ungeordneten Proteinabschnitten eine Krankheit verursachen können: Durch eine Ladungsänderung sammelt sich das Protein fälschlicherweise im Kernkörperchen an und beeinträchtigt so dessen lebenswichtige Funktion. In der Folge ist die Entwicklung des Organismus gestört.“ Existierende Krankheiten neu erklärt Anschließend durchsuchte das Forschungsteam in Datenbanken die DNA-Sequenzen von tausenden Personen auf der Suche nach ähnlichen Fällen. Tatsächlich konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr als 600 Mutationen in 66 Proteinen identifizieren, die dem Protein-Endstück sowohl eine positive Ladung als auch zähere Eigenschaften verliehen. 101 davon waren bereits zuvor mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht worden, darunter neuronale Entwicklungsstörungen und eine erhöhte Anfälligkeit für Krebs. Für 13 ausgewählte Proteine prüfte das Team in der Zellkultur, ob sie durch die Mutationen eine Affinität für das Kernkörperchen erhielten. Das traf in zwölf Fällen zu. Etwa die Hälfte der getesteten Proteine beeinträchtigten die Funktion des Kernkörperchens und ähnelten damit dem Krankheitsmechanismus des BPTA-Syndroms.  „Der Entstehungsmechanismus, den wir beim BPTA-Syndrom entdeckt haben, könnte also bei vielen weiteren Krankheiten zum Tragen kommen“, sagt Prof. Dr. Denise Horn, leitende Studienautorin vom Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik der Charité. „Wir stoßen damit eine Tür auf, die zur Aufklärung zahlreicher weiterer Erkrankungen führen könnte. Die eigentliche Arbeit beginnt deshalb erst jetzt.“ Zumindest für einige Erkrankungen könnte der jetzt bekannte Mechanismus außerdem einen neuen Therapieansatz liefern. „Tumorleiden sind auf genetische Veränderungen in den betroffenen Zellen zurückzuführen“, erklärt Dr. Denes Hnisz, Forschungsgruppenleiter am MPIMG und dritter leitender Autor der Studie. „Möglicherweise können wir in Zukunft also die Krebsentwicklung unterbinden, indem wir in die Selbstorganisation der Zelle eingreifen, die über ungeordnete Proteinabschnitte vermittelt wird.“
Veröffentlicht am 08.02.2023 um 16:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Mit vereinten Kräften gegen Krebs

Gemeinsame Pressemitteilung von Charité, BIH und Max Delbrück Center Insgesamt sechs Standorte kooperieren von nun an im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Am Berliner Standort ist ein zentraler Partner die Charité – Universitätsmedizin Berlin in enger Zusammenarbeit mit Forschenden des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und des Max Delbrück Center. Das gemeinsame Ziel: modernste klinische Krebsforschung in Deutschland nachhaltig voranbringen und damit die Behandlung und Lebensqualität von Krebspatient:innen immer weiter verbessern. Das NCT ist eine langfristig angelegte Kooperation zwischen dem DKFZ in Heidelberg und exzellenten Partnern in der Universitätsmedizin sowie weiteren herausragenden Forschungseinrichtungen an verschiedenen Standorten in Deutschland. Seit 2019 unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit der Nationalen Dekade gegen Krebs das Ziel, Ergebnisse aus der Krebsforschung schneller für Erkrankte zugänglich zu machen. Jetzt hat das Ministerium die Erweiterung des NCT um vier neue Standorte bestätigt, somit umfasst das translationale Konsortium nun sechs Standorte bundesweit. Im NCT arbeiten Ärzt:innen eng mit Forschenden zusammen, um Patient:innen eine auf die eigene Erkrankung zugeschnittene Krebstherapie zu ermöglichen. Mit der weiteren Förderung können die neuen Standorte ausgebaut werden. Neben Berlin gingen die Standorte Köln/Essen, Tübingen/Ulm/Stuttgart und Würzburg/Erlangen/Regensburg erfolgreich aus dem kompetitiven Bewerbungsverfahren hervor. Diese vier neuen NCT-Standorte sollen zukünftig noch mehr onkologischen Patient:innen frühzeitig Zugang zu Innovationen der personalisierten Medizin ermöglichen. Drei leistungsfähige Kooperationspartner haben den NCT-Standort Berlin entwickelt: die Charité, das BIH und das Max Delbrück Center. Prof. Dr. Ulrich Keilholz, Leiter des Charité Comprehensive Cancer Center (CCCC) und Koordinator des Berliner NCT-Antrags, freut sich über diesen Schritt: „Die Charité gewährleistet bereits heute mit seinem CCCC die umfassende Versorgung von Patientinnen und Patienten und führt klinische und translationale Krebsforschung durch. Jeder Patient und jede Patientin erhält einen individuellen Behandlungsplan, der in einem interdisziplinären Team optimiert entwickelt wird. Zusätzlich ermöglichen wir die Teilnahme an klinischen Studien. Als künftiger NCT-Standort Berlin werden wir noch erfolgreicher forschen und behandeln können und unsere Expertise weiter ausbauen.“ Mitkoordinatorin Prof. Dr. Angelika Eggert leitet die Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie an der Charité und ist Berliner Standortsprecherin im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK). Sie erforscht mit ihrem Team neue molekular gezielte Therapien und Immuntherapien speziell für krebskranke Kinder. „Das körpereigene Immunsystem spielt eine entscheidende Rolle im Kampf gegen Krebs. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort in Berlin konnten wir entscheidende Fortschritte erzielen. Gerade bei den doch eher seltenen Krebsfällen im Kindesalter werden wir sehr von der deutschlandweiten Zusammenarbeit mit den anderen NCT-Standorten profitieren." Ebenfalls federführend beteiligt ist Prof. Dr. Lars Bullinger, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Campus Virchow-Klinikum. „Wir freuen uns über die Möglichkeit, zukünftig in einem neuen NCT-Gebäude Spitzenforschung, modernste Patientenversorgung und direkte Kontakte mit Patientenvertretern unter ein Dach zu bringen.“ BIH-Chair für Klinisch Translationale Medizin Prof. Dr. Christof von Kalle leitet das Klinische Studienzentrum von BIH und Charité. Bevor er nach Berlin wechselte, hatte er in Heidelberg das dortige NCT mitgegründet und über zehn Jahre geleitet. Auch er hat das Konzept für den NCT-Standort Berlin mitentwickelt. „Aus meiner langjährigen NCT-Erfahrung in Heidelberg weiß ich, wie entscheidend die enge Verzahnung von Forschung und Klinik, aber auch die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen im Kampf gegen den Krebs sind. Gleichzeitig müssen wir auch die Digitalisierung noch weiter vorantreiben, damit die vielen Daten, die in der Forschung und bei der Behandlung von tausenden Krebspatienten anfallen, den größtmöglichen Nutzen entfalten können. Als NCT-Standort Berlin können wir diese Herausforderungen meistern.“ Das Max Delbrück Center gehört zu den international führenden biomedizinischen Forschungszentren. Seine Wissenschaftler:innen untersuchen mit neuesten Technologien die molekularen Grundlagen von Krankheit und Gesundheit, um so der Medizin der Zukunft den Weg zu bereiten. In der Krebsmedizin entwickeln sie unter anderem neue Immuntherapien: Die CAR-T-Zelltherapien von PD Dr. Uta Höpken und ihren Kolleg:innen werden bereits an der Charité klinisch erprobt, hinzu kommt umfassende Expertise zu T-Zell-Therapien gegen solide Tumoren. Zudem werden innovative Schlüsseltechnologien wie die 3D-Einzelzell-Analyse, Proteomik und Metabolomik mit Hilfe künstlicher Intelligenz in neue medizinische Konzepte umgesetzt. Prof. Dr. Maike Sander, Wissenschaftliche Vorständin des Max Delbrück Center, freut sich ebenfalls sehr über die Förderung. „Berlin wird ein exzellenter Standort für das erweiterte Nationale Centrum für Tumorerkrankungen: Hier kommt alles perfekt zusammen. Für uns am Max Delbrück Center bedeutet das, dass wir unsere Forschung und Expertise auf dem Gebiet der Immuntherapie, der Krebsentstehung und der zellbasierten Krebsmedizin weiter vorantreiben können. Und durch die enge Zusammenarbeit mit der Charité und dem BIH möchten wir unsere Erkenntnisse möglichst schnell zu den Patientinnen und Patienten bringen. Es geht um die personalisierte Onkologie der Zukunft.“ Die einzigartige Expertise der drei Kooperationspartner macht Berlin vor allem zu einem international herausragenden Standort für Systemmedizin und klinisch angewandte Einzelzell-Technologien. Auf der Basis dieser Erfolge hat Prof. Dr. Nikolaus Rajewsky, Direktor des Berliner Instituts für Medizinische Systembiologie des Max Delbrück Center (MDC-BIMSB), gemeinsam mit dem klinischen NCT-Team ein wegweisendes zukünftiges Konzept zellbasierter Krebsmedizin entwickelt. Die Innovationen am NCT umfassen dabei neben den klinischen Programmen drei wesentliche Themen: Präzisionsonkologie, zelluläre Immuntherapie und digitale Medizin. Das CCCC koordiniert den Aufbau des NCT-Partnerstandortes Berlin. Alle relevanten Fachgebiete der Krebsmedizin und Patientensprecher:innen sind dabei im Lenkungsausschuss des NCT Berlin vertreten. Ein eigenes Gebäude ist auf dem zukünftigen klinischen Forschungscampus am Charité Campus Virchow-Klinikum geplant. Hier sollen modernste Forschungslabore, eine Ambulanz sowie ein Informationszentrum für Krebspatientinnen und -patienten entstehen. Das BIH Charité Clinician Scientist Programm sowie zahlreiche andere Weiterbildungsmöglichkeiten machen Berlin zu einem attraktiven Standort für die Rekrutierung junger Talente in der Krebsforschung. Neben der Hauptstadt wird sich der Einzugsbereich des NCT Berlin mit der Bevölkerung Berlins, Brandenburgs und Sachsen-Anhalts von insgesamt 8,6 Millionen Einwohnern auf etwa ein Zehntel Deutschlands erstrecken, mit erwartet mehr als 55.000 neu diagnostizierten Krebsfällen pro Jahr. Das nun erweiterte NCT wird nachhaltige gemeinsame Forschungs- und Kooperationsstrukturen aufbauen. Es bündelt die vorhandenen nationalen Potenziale und schafft dadurch Synergien, die die Übertragung von Innovationen in die Patientenversorgung, das Gesundheitssystem, die Wirtschaft und die Gesellschaft vorantreiben. Nur durch die bedeutende Investition des BMBF ist es möglich, dieses „one NCT“-Vorhaben zu realisieren. Im Endausbau wird das erweiterte NCT mit insgesamt rund 100 Millionen Euro pro Jahr vom BMBF und vom jeweiligen Bundesland im Verhältnis 90 zu 10 finanziert. Darüber hinaus ermöglichen es die Sitzländer durch ihre Finanzierung, an jedem der vier neuen Standorte ein patientenorientiertes NCT-Gebäude zu errichten.
Veröffentlicht am 02.02.2023 um 10:53:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Wie treffen wir lebensnotwendige Entscheidungen?

Sind wir hungrig, sollten wir wach bleiben und essen. Sind wir müde, sollten wir schlafen und keine Nahrung zu uns nehmen. Es ist offenkundig: Die Verhaltensprogramme für Essen und Schlafen schließen sich gegenseitig aus. Nur wie legt das Gehirn fest, welches Programm im jeweiligen Augenblick das richtige ist? An der Charité – Universitätsmedizin Berlin geht der Neurophysiologe und Verhaltensforscher Prof. Dr. David Owald dieser Frage jetzt eingehend nach, beispielhaft am winzigen Gehirn der Fruchtfliege. Das Projekt „Simple Minds“ wird in den kommenden fünf Jahren mit rund zweieinhalb Millionen Euro durch einen ERC Consolidator Grant gefördert. Was lässt uns Entscheidungen treffen? Wie werden wir gesteuert? Und wie entscheiden wir, welches Verhalten zu einem bestimmten Moment das sinnvollste ist? Jahrhunderte alte Fragen, die Forschende immer wieder aufs Neue zu beantworten suchen. „Noch immer ist wenig darüber bekannt, wie genau Netzwerke von Nervenzellen und Filtermechanismen im Gehirn zu gewissen Verhaltensmustern beitragen“, sagt Prof. Owald. „Uns interessieren vor allem die Zusammenhänge von Aktivitätsmustern, Gedächtnisspuren und neuronalen Filtern, wie sie beispielsweise den lebensnotwendigen Bedürfnissen zugrunde liegen. Ziel ist es, die physiologischen Grundlagen dieser Vorgänge besser zu verstehen, denn sie könnten einen Zugang zu unseren Entscheidungsgrundlagen, aber auch zu Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen ermöglichen.“ Prof. Dr. David Owald arbeitet mit einem internationalen interdisziplinären Team am Institut für Neurophysiologie der Charité und ist Mitglied des Exzellenzclusters NeuroCure. Schon während der Promotion galt sein Interesse molekularen Einflüssen, die die Stärke der Verbindungen zwischen Nervenzellen ändern können. Später erforschte er unter anderem in Oxford, wie Belohnungsgedächtnisse im Gehirn von Fruchtfliegen gespeichert werden. Heute gehören zu den Forschungsschwerpunkten des Neurobiologen Grundlagen für Lernprozesse, Suchtverhalten und Gedächtnisveränderungen wie auch die neuronale Steuerung von Motivation. Der nun gewährte ERC Consolidator Grant folgt im Anschluss an eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe, finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Simple Minds: Die Taufliege als Modell Die Taufliege Drosophila melanogaster, weithin als Fruchtfliege bekannt, hat sehr grundlegende Bedürfnisse. Und sie besitzt mit etwa 200.000 Nervenzellen ein recht übersichtliches Gehirn. Einige Verhaltensweisen, die sich in dieser kleinen Fliege beobachten lassen, und die dazugehörigen Prozesse im Gehirn sind in leicht veränderter Form auf den Menschen übertragbar. Mit genetischen Techniken, die in jüngster Zeit weltweit stark entwickelt wurden, lassen sich gezielt die Aktivität einzelner Nervenzellen oder auch die Aktivität von Nervenzellverbünden beobachten und verschiedene Formen der Steuerung messen – von Molekülen bis hin zu ganzen Netzwerkensembles. „Basierend auf unseren Vorarbeiten gehen wir im Projekt ‚Simple Minds‘ der Hypothese nach, dass sensorische Informationen gezielt gefiltert werden, um ein Verhalten wie beispielsweise Schlaf oder auch Ein- und Durchschlafen zu ermöglichen. Grundlage dessen sind rhythmische Netzwerkaktivität und Veränderungen in der Verbindungsstärke von Nervenzellen. Wie das genau geschieht, wollen wir im Gehirn der Taufliege beobachten“, erklärt Prof. Owald. Und was passiert, wenn das Tier nicht erreichen kann, was das Gehirn ihm nahelegt? Wenn es wie Sisyphos trotz aufgebrachter Mühe nicht zum Ziel gelangt? Der Neurowissenschaftler vermutet, dass ein solcher Zustand zu einem Gefühl der Hilflosigkeit führen kann, ähnlich wie es Patientinnen und Patienten mit Depressionen mitunter erleben.
Veröffentlicht am 31.01.2023 um 11:30:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Charité startet Podcast zur Gesundheitsforschung

Wie findet man heraus, wie viel Schlaf man wirklich benötigt? Hilft warme Milch beim Einschlafen? Und ist Mittagsschlaf gesund? Fragen wie diesen geht die Charité – Universitätsmedizin Berlin ab heute mit „Better Ask Charité“ nach und startet ihren gleichnamigen Unternehmenspodcast. Mediziner:innen und Wissenschaftler:innen beantworten Fragen zu ihrem Fachthema in der Gesundheitsforschung sowie zu ihrem Arbeitsalltag, die Fragen stellt die Social-Media-Community. Der Gast der jeweiligen Folge wird auf dem Instagram-Kanal der Charité angekündigt, wo Follower ihre Fragen einreichen können. Aus einer Vielzahl von Fragen werden dann die spannendsten ausgewählt. „Better Ask Charité“ wird nicht nur als Podcast, sondern auch als Video auf YouTube veröffentlicht. Podcasts sind fester Bestandteil des alltäglichen Medienkonsums. Insbesondere die Themen Gesundheit und Medizin stoßen auf ein großes Interesse. Vor diesem Hintergrund hat die Charité den Podcast „Better Ask Charité“ konzipiert, dessen erste Episode heute veröffentlicht wurde. Zu Gast ist Prof. Dr. Ingo Fietze, Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Charité. Der Podcast ist auf allen gängigen Audio-Plattformen abrufbar. Einen Überblick hierzu findet sich auf der Webseite der Charité. „Better Ask Charité“ erscheint alle vier Wochen. „Podcasts sind ein wertvolles Instrument in der Gesundheitskommunikation, da sie die Möglichkeit bieten, komplexe medizinische Themen auf eine einfache und zugängliche Art zu präsentieren. Gerade in Zeiten, in denen schnelle und präzise Gesundheitsinformationen von entscheidender Bedeutung sind, ermöglicht unser neues Format eine unkomplizierte Verbreitung und erreicht dadurch eine breite Zielgruppe, die immer wieder Antworten auf konkrete, individuelle Fragen sucht", sagt die Leiterin des Geschäftsbereichs Unternehmenskommunikation Manuela Zingl.
Veröffentlicht am 26.01.2023 um 10:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Neue Versorgungsform: Anfallsleiden ambulant diagnostizieren

Der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) hat bundesweit 16 weitere Vorhaben zur Entwicklung neuer Versorgungsansätze auf den Weg gebracht. Das Ziel: die Regelversorgung von Patientinnen und Patienten in Deutschland innovativ weiterzuentwickeln. Eines der neuen Projekte leiten Medizinerinnen und Mediziner der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Menschen mit unklaren Anfallsleiden soll künftig eine Diagnostik zu Hause ermöglicht werden, anstelle eines mehrtägigen Krankenhausaufenthaltes. An zwei weiteren neuen Vorhaben sind Teams der Charité als Partner beteiligt. Der G-BA fördert Forschungsprojekte zur Erprobung von Ansätzen, die über die bisherige Regelversorgung hinausgehen und neue Wege in der Versorgung erschließen. Nach erfolgreicher Evaluation und Empfehlung durch den Innovationsausschuss können diese in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. „Die Themen der aktuellen Förderwelle zeigen einmal mehr, dass Projekte, die zur Digitalisierung der Gesundheitsversorgung beitragen und der Verlagerung von bisher stationären Leistungen in den ambulanten Sektor – in interdisziplinären und sektorenübergreifenden Versorgungsnetzwerken – dienen, weiterhin an Bedeutung gewinnen“, sagt Prof. Dr. Elke Schäffner, Sprecherin der Plattform – Charité Versorgungsforschung. Eines der neu geförderten Projekte nutzt computationale Ansätze in der Neurologie und wird an der Charité koordiniert: Ambulantes Langzeit-Video-EEG-EKG für Menschen mit Anfallserkrankungen (ALVEEG) Rund 5,5 Millionen Menschen deutschlandweit leiden unter Anfällen unbekannter Ursache, es kann sich dabei beispielsweise um Epilepsien, Synkopen oder Krämpfe handeln. Innovative, tragbare Video-EEG-Monitoring-Systeme, sogenannte Wearables, und eine Datenauswertung mittels Künstlicher Intelligenz soll Betroffenen, insbesondere in ländlichen Regionen, zukünftig einen schnellen, effizienten und sektorenübergreifenden Zugang zu der bisher stationär durchgeführten Diagnostik im häuslichen Umfeld ermöglichen – bei bestbewährten Standards. Ausgestattet mit einem mobilen EEG-Gerät und einer Kamera wird ein mehrtägiges Video-EEG erstellt, während Patient:innen ihrem Tagesablauf weiter folgen, im Homeoffice arbeiten oder Kinder betreuen können. Das Team an der Charité plant eine prospektive, multizentrische, randomisiert kontrollierte Interventionsstudie an fünf Epilepsiezentren, die die niedergelassenen mitbehandelnden Ärztinnen und Ärzte einbezieht. Projektleitung: Privatdozent Dr. Christian Meisel, Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie, Campus Charité Mitte und Berliner Institut für Gesundheitsforschung in der Charité (BIH) An zwei weiteren Projekten ist die Charité als Konsortialpartnerin beteiligt: EVA-RADIUS Evaluation eines interaktiven sektorenübergreifenden „Blended-Treatment“-Ansatzes bei Alkoholkonsumstörungen nach Entzug – ein kombinierter Ansatz von klassischer Psychotherapie und Online-Tools. Konsortialführung: Evangelisches Klinikum Bethel gGmbH Projektleitung an der Charité: Prof. Dr. Dr. Andreas Heinz und Privatdozent Dr. Christian Müller, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité Campus Mitte PeriOP-CARE HF Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche haben vor, während und nach Operationen ein erhöhtes Komplikationsrisiko. Das Projekt erprobt daher eine perioperative interdisziplinäre, intersektorale Prozess-Optimierung bei Herzinsuffizienz. Konsortialführung: Justus-Liebig-Universität Gießen Projektleitung an der Charité: Prof. Dr. Sascha Treskatsch, Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Campus Benjamin Franklin
Veröffentlicht am 26.01.2023 um 09:06:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Mit Diamant-Sensoren neurale Exoskelette präziser steuern

Gemeinsame Pressemitteilung von Charité und Fraunhofer IAF Gehirn-Computer-Schnittstellen können gelähmten Menschen durch die Steuerung von Exoskeletten einen Teil ihrer Bewegungsfähigkeit zurückgeben. Von der Kopfoberfläche lassen sich komplexere Steuersignale bislang jedoch nicht auslesen, da herkömmliche Sensoren hierfür nicht sensitiv genug sind. Dieser Herausforderung hat sich ein Verbund aus Fraunhofer IAF, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Universität Stuttgart und Industriepartnern angenommen: Im kürzlich gestarteten BMBF-Leuchtturmprojekt »NeuroQ« entwickeln die Partner hochsensitive diamantbasierte Quantensensoren, die es Gelähmten ermöglichen sollen, neurale Exoskelette präziser zu steuern. Für Menschen, die beispielsweise aufgrund einer Rückenmarksverletzung, eines Schlaganfalls oder einer anderen Krankheit ihre Hände oder Beine nicht bewegen können, stellen sogenannte Brain-Computer-Interfaces (BCIs) eine große Hoffnung dar: Diese Gehirn-Computer-Schnittstellen ermöglichen die Steuerung eines Gerätes allein mittels Hirnaktivität – so kann etwa ein Exoskelett nur durch die Vorstellung von einer Bewegung gesteuert werden. Damit bieten BCIs gelähmten Menschen die Chance, die Kontrolle über einen Teil ihrer Bewegungsfähigkeit wiederzuerlangen. BCIs, die Hirnaktivität von der Kopfoberfläche messen, haben den Vorteil, dass sie Patientinnen und Patienten einen aufwendigen und risikobehafteten chirurgischen Eingriff am Gehirn ersparen. »Wir haben bereits ein nicht-invasives BCI-System entwickelt, das es Menschen mit hoher Querschnittslähmung ermöglicht, mittels willkürlicher Veränderung ihrer Hirnströme, Alltagsgegenstände zu greifen«, berichtet Prof. Dr. Surjo R. Soekadar, Einstein-Professor für Klinische Neurotechnologie an der Charité, und fügt hinzu: »Trotz der beachtlichen Fortschritte ist es bislang jedoch nicht gelungen, komplexe Handbewegungen mit einem solchen nicht-invasiven System zu steuern.« So lässt sich zwar die Bewegungsabsicht erkennen, aber nicht, welche Bewegung genau ausgeführt werden soll. Um dies zu erreichen, müsste die Sensitivität der Sensoren erheblich gesteigert werden. Quantensensoren messen Hirnströme Dieser Aufgabe haben sich nun neun Partner angenommen und das Projekt »Laserschwellen-Magnetometer für neuronale Kommunikationsschnittstellen«, kurz »NeuroQ«, gestartet. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Vorhaben entwickeln die Projektpartner Quantensensoren, die so sensitiv sind, dass sie kleinste Magnetfelder, die durch Hirnströme entstehen, messen können. Diese Quantenmagnetometer sollen in ein BCI-System integriert werden und es damit Gelähmten ermöglichen, ein Hand-Exoskelett deutlich präziser zu steuern als es bislang der Fall ist. Magnetfelder liefern deutlichere Signale Bei nicht-invasiven BCIs erfolgt die Messung der neuronalen Aktivität bislang hauptsächlich über elektrische Felder. Dabei bringt die Messung von Magnetfeldern erhebliche Vorteile mit sich: »Magnetfelder durchdringen Haut und Schädel unverzerrt und liefern damit wesentlich deutlichere Signale als elektrische Felder, da diese auf dem Weg von der Quelle zum Sensor stark abgeschwächt werden. So hat die Magneto-Enzephalographie (MEG) signifikante Vorteile gegenüber der Elektro-Enzephalographie (EEG), wird jedoch aufgrund technischer Hürden nur selten angewendet«, erklärt Dr. Jan Jeske, Projektleiter von »NeuroQ« und Forscher am Fraunhofer IAF. Die technischen Hürden von MEGs liegen an den eingesetzten Sensortechnologien: SQUID-Sensoren (Superconducting Quantum Interference Devices) sind hochpräzise, benötigen allerdings eine Tieftemperaturkühlung, was ihren Einsatz extrem teuer und aufwendig macht. Optisch gepumpte Magnetometer (OPMs) auf der Basis von Dampfzellen übertreffen sogar die Sensitivität von SQUIDs, funktionieren jedoch nur im absoluten Nullfeld – das bedeutet, dass für ihren Betrieb jedes Hintergrundmagnetfeld (inklusive Erdmagnetfeld) vollständig abgeschirmt werden muss, was ebenfalls einen enormen bautechnischen Aufwand mit sich bringt. »Bislang sind keine Magnetometer realisiert worden, die unter Umgebungsbedingungen – also in nicht abgeschirmten Umgebungen – eine Empfindlichkeit erreichen, die für den Nachweis neuromagnetischer Felder geeignet wäre. Das Vorhaben von ›NeuroQ‹ übertrifft den Stand der Technik erheblich«, fasst Prof. Dr. Jörg Wrachtrup, Leiter des 3. Physikalischen Instituts an der Universität Stuttgart, zusammen. Diamantbasierter Sensor erlaubt Einsatz in Alltagsumgebung Das Besondere an den im Projekt »NeuroQ« zu entwickelnden Quantenmagnetometer ist ihr Ausgangsmaterial: Sie basieren auf NV-Zentren (nitrogen-vacancy center) in Diamant und verfügen damit über einzigartige Eigenschaften: Diamant-Quantenmagnetometer sind die einzigen hochsensitiven Magnetometer, die bei Raum- bzw. Körpertemperatur funktionieren. Sie messen auch in Anwesenheit eines Hintergrundmagnetfelds und können die genaue Richtung eines Magnetfeldes (d. h. alle drei Komponenten des Vektors) bestimmen. Zudem sind sie biokompatibel und können nah an die Quelle herangebracht werden, was wiederum stärkere Signale ermöglicht. Das alles führt dazu, dass Diamant-Quantenmagnetometer perspektivisch in Kliniken, Praxen, einer Reha-Umgebung, aber auch zu Hause und im Alltag eingesetzt werden könnten, um die Lebensqualität gelähmter Menschen wesentlich zu verbessern und einen wichtigen Beitrag zu ihrer gesellschaftlichen Inklusion zu leisten. Multidisziplinäres Verbundprojekt Da die bislang entwickelten Diamant-Magnetometer die geforderte Empfindlichkeit noch nicht erreichen, sollen im Rahmen von »NeuroQ« zunächst neue hochsensitive Quantenmagnetometer auf Basis eines neuartigen NV-Diamant-Lasers realisiert werden. Das Messystem wird anschließend mit der benötigten Kommunikationsschnittstelle zu einem BCI-System entwickelt und zur Demonstration, Auswertung und Weiterentwicklung im klinischen Umfeld an der Charité in Berlin eingesetzt. Die beteiligten Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) leisten nicht nur einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung, sondern auch zur anschließenden Verwertung der Technologie und fördern damit den Transfer der Ergebnisse in marktfähige Produkte und Anwendungen. Das BMBF fördert das fünfjährige Verbundvorhaben im Rahmen der Maßnahme »Leuchtturmprojekte der quantenbasierten Messtechnik zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderung« mit insgesamt knapp 9 Millionen Euro.
Veröffentlicht am 25.01.2023 um 15:54:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Angeborene Immunschwäche entdeckt – und aufgeklärt

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und des Max Delbrück Centers Wie der Austausch eines einzelnen Bausteins im Erbgut einen bisher unbekannten Immundefekt beim Menschen auslöst, berichtet jetzt ein internationales Forschungsteam im Fachmagazin Science Immunology*. Maßgeblich beteiligt waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max Delbrück Centers. Sie haben eine spezifische Mutation im Genregulator IRF4 entdeckt. Bei sieben Kindern mit ausgeprägter Immunschwäche entdeckte ein internationales Konsortium von Forschenden eine übereinstimmende Mutation im Gen für den Interferon-Regulations-Faktor 4 (IRF4). IRF4 ist ein sogenannter Transkriptionsfaktor, er reguliert also die Aktivität bestimmter Gene. Er ist aber auch wichtig während der Entwicklung und Aktivierung von Immunzellen. Die Patient:innen stammen aus sechs nicht verwandten Familien, die auf vier unterschiedlichen Kontinenten leben. Wie das Team, zu dem die Gruppe von Prof. Dr. Stephan Mathas und Privatdozent Dr. Martin Janz vom ECRC gehört, belegen konnte, ist bei den Betroffenen im IRF4-Gen ein einzelner Baustein ausgetauscht. Bezeichnet wird diese spezifische genetische Veränderung als T95R-Mutation. Die Forschenden konnten außerdem aufklären, wie sich die Mutation auf das Immunsystem auswirkt: Ein bisher unbeschriebener Mechanismus führt zu einem angeborenen Immundefekt. Angeborene Immundefekte sind selten und oft unterschiedlich stark ausgeprägt. „Immundefiziente Kinder leiden immer wieder an Infekten der oberen Atemwege“, erklärt Prof. Mathas. Es sind häufig Infektionen mit dem Epstein-Barr- oder Zytomegalie-Virus oder mit Pneumocystis jirovecii, einem Erreger, der Lungenentzündungen auslöst; allesamt Infektionen, die Mediziner:innen gut von Menschen mit Immunschwäche kennen. Auch die sieben Patient:innen leiden unter diesen Infektionen. Bei genauer Untersuchung hat darüber hinaus ihr Immunsystem Gemeinsamkeiten: „Es fiel auf, dass alle Kinder zu wenig Antikörper im Blut haben und sehr wenig B-Zellen, die normalerweise diese Antikörper produzieren. Zudem ist die Zahl ihrer T-Zellen und deren Funktion im Vergleich zu Gesunden reduziert“, sagt Prof. Mathas. T-Zellen sind neben den B-Zellen und Antikörpern ein wichtiger Arm des Immunsystems. Bei vielen Kindern mit angeborener Immunschwäche ist die Ursache des Defekts unbekannt, kann aber heutzutage durch Entschlüsselung der Erbinformation ermittelt werden. Auf diese Weise kam auch die IRF4-Mutation T95R zutage. Durch engen Austausch unter Kollegen in internationalen Netzwerken wurde klar, dass es sich bei der genetischen Ursache der Erkrankung dieser Kinder, deren Familien nicht verwandt sind, um die gleiche Mutation handelt. Sie sind die Indexpatient:innen, bei denen der Defekt nun erstmals beschrieben wird. Dem internationalen Konsortium ist es zudem gelungen, das gleiche Krankheitsbild auch durch gezielte Mutation von IRF4 bei der Maus zu erzeugen, wodurch es gelang, die durch IRF4 ausgelösten Fehlfunktionen im Immunsystem im Detail besser zu verstehen. Die Mutation T95R liegt immer nur auf einer der beiden Kopien des Erbguts. Und obwohl die Patient:innen auch immer die gesunde Form von IRF4 bilden, entwickeln alle Betroffenen diese Immunschwäche. „Die Biologie der Mutation schlägt quasi die der gesunden Form“, sagt Prof. Mathas. Wie Erbgutanalysen der Familien ergaben, erbten die Indexpatient:innen die Genveränderung nicht von ihren Eltern, sondern sie trat spontan in der Keimbahn oder der frühen embryonalen Entwicklung auf. Die Mutation liegt genau an der Stelle von IRF4, mit der der Genregulator an die DNA bindet. „Durch die Mutation verändert sich im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren die Affinität von IRF4 für die DNA“, erklärt Prof. Mathas. Das mutierte IRF4-Protein bindet deshalb nicht nur an bekannte DNA-Bindungsstellen je nach Kontext stärker oder schwächer, sondern zudem auch an Stellen des Erbguts, wo es gar nicht binden sollte; also Stellen, an denen die normale Variante des Proteins nie haften würde. Durch bioinformatische Analysen gelang es den Forschenden, diese neuen Bindungsstellen zu identifizieren. Die Forschenden beschreiben die Mutation in ihrer Publikation deshalb als „multimorph“, weil nicht nur bestimmte Gene blockiert, sondern andere und sogar neue aktiviert werden. Je nach Art und Ausprägung einer angeborenen Immunschwäche erhalten Betroffene beispielsweise Stammzelltransplantationen oder lebenslange, regelmäßige Injektionen mit Antikörpern. „Die nun publizierte Arbeit lässt vermuten, dass man die Bindungsstellen von mutierten Transkriptionsfaktoren verändern könnte, ohne dabei die gesunde Variante zu beeinflussen“, sagt Prof. Mathas. Die IRF4-Mutation T95R wird nun jedenfalls in den Katalog der Gene kommen, die zur Diagnostik der angeborenen Immunschwäche gehören. Interessanterweise spielt IRF4 auch bei der Entstehung von bestimmten Blutkrebsarten, an denen Prof. Mathas mit seinem Team forscht, eine wichtige Rolle.
Veröffentlicht am 23.01.2023 um 08:10:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Einweihung der modernisierten Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin hat heute die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Campus Charité Mitte nach aufwändiger Sanierung eingeweiht. Zu den Baumaßnahmen gehörten die Rekonstruktion des kompletten Daches sowie die vollständige Erneuerung der technischen Infrastruktur. Ein besonderer Fokus lag zudem auf den Stationen und Patientenzimmern, die modern, komfortabel und im Sinne einer heilenden Architektur gestaltet wurden. Für die Landesbaumaßnahme wurde eine Gesamtsumme von über 25 Millionen Euro investiert. Der Ensembleteil der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie von 1905 benötigte dringend eine Erneuerung, um den Ansprüchen einer zeitgemäßen Patientenversorgung sowie den gebäudetechnischen Anforderungen zu genügen. Im Rahmen des Bauprojekts wurde der Gebäudeteil in mehreren Abschnitten umfassend und gemäß den denkmalpflegerischen Vorgaben modernisiert. Ebenso wurden die heilungsfördernden Qualitäten des historischen Klinikgebäudes architektonisch und durch die Gestaltung hoher, lichter Räume sowie mit einem durchgängigen Bezug zu den umgebenden Gartenanlagen unterstrichen. Ziel war es, die Aufenthaltsqualität und die Funktionalität gleichermaßen zu verbessern. Ulrike Gote, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sowie Aufsichtsratsvorsitzende der Charité, erklärte dazu: „Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie – ein Ort mit langer Geschichte – steht für medizinischen und gesundheitspolitischen Fortschritt, damals wie heute. Dass dieses bedeutende Haus im Herzen von Berlin heute saniert ist, ist vor allem Klinikdirektor Professor Andreas Heinz zu verdanken, der den Bedürfnissen der Patient:innen eine Stimme gegeben und auf die seinerzeit unhaltbaren baulichen Zustände aufmerksam gemacht hat. Die Modernisierung war ein Kraftakt, der nur durch eine Baudienststelle zu stemmen war, die trotz vieler Widrigkeiten an dem Ziel festhielt, einen Ort zu schaffen, an dem sich Patient:innen wohlfühlen können. Nicht zuletzt gilt den Mitarbeiter:innen der Klinik großer Dank. Denn sie sorgten dafür, dass Klinikbetrieb, Forschung und Lehre auch während der Sanierung aufrechterhalten werden konnten.“ Astrid Lurati, Vorstandsmitglied Finanzen und Infrastruktur der Charité, skizzierte die vielfältigen Anforderungen und baulichen Gegebenheiten: „Sanieren im denkmalgeschützten Bestand ist immer eine besondere Herausforderung, insbesondere, wenn zugleich die Anforderungen an eine moderne klinische Infrastruktur erfüllt werden sollen. Hierzu gehört in der Charité selbstverständlich auch die gesundheitsfördernde Gestaltung von Klinikräumen durch Farb- und Lichtkonzepte sowie die Verwendung von nachhaltigen Materialien im Sinne der ‚Healing Architecture‘.“ Die ganzheitliche Gestaltung der Stationen und Patientenzimmer orientiert sich an dem Gedanken, dass sich die Patient:innen dort wohlfühlen und die Gestaltung der Umgebung den Genesungsprozess unterstützen kann. Eine angenehme Atmosphäre und die leitliniengerechte medizinische Versorgung gehören im Konzept der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie zusammen.  Prof. Dr. Dr. Andreas Heinz, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Campus Charité Mitte, sagte: „Wir bedanken uns ganz besonders bei unserem Klinikrat aus Angehörigen und Betroffenen, die sich für die Modernisierung der Klinik und der Gärten eingesetzt haben. Gerade der vielfältige Zugang zu den großen Gärten mit einem sehr alten Baumbestand ist für das Wohlbefinden der Patienten und Patienten besonders wichtig.“ *© Charité | Sabine Gudath
Veröffentlicht am 18.01.2023 um 13:01:28 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Erkrankungen des Alters besser verstehen – Stoffwechselexperte kommt an die Charité

Prof. Dr. Michael Ristow hat zum Jahresbeginn die Professur auf Lebenszeit für Experimentelle Endokrinologie und Diabetologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin angetreten. Sein Forschungsschwerpunkt: das Entstehen altersbedingter Erkrankungen. Welche Rolle spielen dabei die molekularen Mechanismen unseres Stoffwechsels? Und wie beeinflussen sie die Lebenserwartung des Menschen? Diesen Fragen wird Prof. Ristow an der Charité weiter auf den Grund gehen. Das Ziel: die Gesundheit von Menschen möglichst lange zu erhalten. Verbunden mit der Professur ist die Leitung des Instituts für Experimentelle Endokrinologie der Charité. Prof. Ristow wechselt von Zürich nach Berlin und folgt auf Prof. Dr. Josef Köhrle, der im Ruhestand ist. Prof. Ristow war in den vergangenen zehn Jahren als Professor für Energiestoffwechsel am Department Gesundheitswissenschaften und Technologie der ETH Zürich in der Schweiz tätig. Sein Forschungsschwerpunkt, den er nun mit an die Charité bringt, liegt im Bereich der Stoffwechselregulation, insbesondere im Hinblick auf das Entstehen altersbedingter Erkrankungen und die Lebenserwartung des Menschen. „Fettleibigkeit, Diabetes, Neurodegeneration und viele Krebsarten beruhen auf einem gestörten Stoffwechsel“, sagt Prof. Ristow. „Mein Ziel ist es, die dahinterstehenden molekularen Mechanismen besser zu verstehen. Neu entwickelte Therapieansätze und Maßnahmen zur Gesundheitsprävention könnten dann ganz gezielt an den entsprechenden Stoffwechselstellschrauben drehen und so der Entstehung von Krankheiten entgegenwirken.“ Um den hochkomplexen Stoffwechselwegen auf den Grund gehen zu können, wird Prof. Ristow neben Zellkulturen mit Versuchsmodellen des in der Forschung häufig genutzten Fadenwurms Caenorhabditis elegans arbeiten. Darüber hinaus wird er mit seinem Forschungsteam klinisches Probenmaterial untersuchen und anonymisierte Patientendaten mithilfe moderner computergestützter Methoden auswerten, um etwa herauszufinden, ob die Einnahme bestimmter Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel dazu führt, dass Patient:innen länger gesund bleiben als diejenigen, die andere oder gar keine Medikamente einnehmen. „Ich freue mich, dass ich nach vielen Jahren forschender Tätigkeit nun zusätzlich wieder klinisch tätig sein werde“, sagt der gebürtige Lübecker. „Viele spannende Forschungsfragen, die mir schon lange unter den Nägeln brennen, werde ich nun im klinischen Umfeld der Berliner Universitätsmedizin angehen und translational umsetzen können.“ Seine Motivation verbindet er insbesondere mit den Veränderungen, die der demografische Wandel mit sich bringt: „Wir haben heute eine enorm hohe Lebenserwartung. Doch häufig beginnt schon mit etwa 60 Jahren eine lange Lebensphase, die bei vielen Menschen von Krankheit geprägt ist. Wichtig wäre aus meiner Sicht – für den Einzelnen und das Gesundheitssystem –, die gesunde Lebenszeit zu verlängern. Dazu möchte ich mit meiner Forschung und im Rahmen der Professur gerne beitragen.“
Veröffentlicht am 11.01.2023 um 10:45:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Prof. Dr. Joachim Spranger ist neuer Dekan der Charité

Zum 1. Januar 2023 hat Prof. Dr. Joachim Spranger das Amt des Dekans an der Charité – Universitätsmedizin Berlin übernommen. Damit ist er als Mitglied des Vorstandes für Wissenschaft an der Charité zuständig. Er folgt auf Prof. Dr. Axel Radlach Pries, der die Geschicke der Fakultät acht Jahre lang geleitet hat. Heute fand die feierliche Amtsübergabe statt. Prof. Spranger wurde 2008 als Heisenberg-Professor an die Charité berufen und leitet seit 2011 die Medizinische Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Charité und den Fachbereich Endokrinologie und Stoffwechsel der Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH. Der Fakultätsrat wählte ihn am 4. Juli 2022 als neuen Dekan der Medizinischen Fakultät für eine Amtszeit von fünf Jahren. Damit löst er Prof. Pries ab, der das Amt von Januar 2015 bis Dezember 2022 ausgeübt und zum Jahresende aus persönlichen Gründen niedergelegt hatte. Der Dekan der Charité ist verantwortlich für alle Angelegenheiten in Forschung und Lehre. Er ist Mitglied des Vorstandes, leitet den Fakultätsrat und steht zugleich an der Spitze der Fakultätsleitung. Diese vertritt die Medizinische Fakultät der Charité in akademischen Fragen nach innen und außen. Sie prägt Ausrichtung und Schwerpunkte von Forschung und Lehre und sichert ihre Qualität. Prof. Spranger war bereits von 2017 bis 2022 als Prodekan für Studium und Lehre in der Fakultätsleitung tätig. Ulrike Gote, Berliner Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sowie Aufsichtsratsvorsitzende der Charité: „Prof. Dr. Axel Radlach Pries hat in den vergangenen acht Jahren als Dekan der Charité einzigartig gewirkt und vieles erreicht. Er hat Menschen zusammengeführt, Partner:innen für die Charité gewonnen und Strategien entwickelt und umgesetzt. Für seine Erfolge für die Wissenschaft ist ihm Berlin dankbar. Ich wünsche Herrn Pries alles Gute für seine weiteren Aufgaben, zum Beispiel als Präsident des World Health Summit. Genauso viel Erfolg und gutes Gelingen wünsche ich nun Prof. Dr. Joachim Spranger im neuen Amt. Ich bin voll und ganz überzeugt, dass er ein würdiger Nachfolger sein wird. Seine Wahl im Fakultätsrat mit überwältigender Mehrheit ist Ausdruck des Vertrauens, das die Vertreterinnen und Vertreter von Forschung und Lehre der Charité in ihn setzen. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit.“ Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, würdigt die Verdienste von Prof. Pries als Dekan: „Prof. Pries hat in den zurückliegenden Jahren die wissenschaftliche Stärke der Berliner Universitätsmedizin konsequent ausgebaut. Im Namen des gesamten Vorstandes danke ich Prof. Pries für seine beeindruckenden Leistungen und sein langjähriges Engagement für unsere Fakultät, das Berlin Institute of Health und die Charité als Ganzes.“ Prof. Kroemer erklärt weiter: „Mit Prof. Spranger beginnt jetzt ein profilierter Klinikdirektor und exzellenter Wissenschaftler als neuer Dekan der Charité. Ich bin mir sicher, dass er die herausragende Forschung, den Bereich Studium und Lehre sowie die Kooperationen der Charité weiter vorantreiben wird. Der Vorstand wünscht ihm einen guten Start und viel Erfolg bei den anstehenden Aufgaben!“ Prof. Spranger sagt: „Die Charité ist eine beeindruckende Institution mit einer Vielzahl großartiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Ich freue mich auf die anstehende Tätigkeit als Dekan und werde mich neben vielen anderen Themen schwerpunktmäßig der Weiterentwicklung unserer Studiengänge, der Nachwuchsarbeit und der Verbesserung der Forschungsinfrastruktur widmen. Zudem ist mir wichtig, die Zusammenarbeit mit universitären sowie außeruniversitären Partnern in Berlin, aber auch auf nationaler und internationaler Ebene, weiter auszubauen.“
Veröffentlicht am 10.01.2023 um 09:44:41 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Prof. Dr. Il-Kang Na wird neue Direktorin des BIH Charité Clinician Scientist Programms

Prof. Dr. Il-Kang Na wird zum 1. Januar 2023 neue Direktorin des BIH Charité Clinician Scientist Programms (CSP). Die BIH Johanna-Quandt-Professorin folgt auf Prof. Dr. Duška Dragun, die das Programm bis zu ihrem viel zu frühen Tod Ende 2020 als Programmdirektorin geleitet hatte. 2021 und 2022 hatten Prof. Dr. Britta Siegmund und Prof. Dr. Dominik N. Müller das Programmdirektorat übergangsweise ehrenamtlich übernommen. Das Clinician Scientist Programm des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin bietet Ärzt:innen in der Weiterbildung während verschiedener Phasen ihrer Karriere die Möglichkeit, neben ihrer klinischen Tätigkeit zu forschen. Im Laufe der letzten elf Jahre hat sich das BIH Charité Clinician Scientist Programm (CSP) stetig weiterentwickelt: So gibt es heute neben dem etablierten CSP auch das Junior, Digital und Advanced CSP und somit für jede Karrierestufe während und nach der Facharztweiterbildung ein maßgeschneidertes strukturiertes Förderprogramm. Aktuell sind die Berliner Programme mit rund 150 aktiven Fellows und rund 200 Alumni nicht nur der mit Abstand größte Clinician-Scientist-Standort in Deutschland, sondern sie setzen laut Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG) auch bundesweit „best practice“-Standards – insbesondere auch durch Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Die neue Programmdirektorin ist Inhaberin einer BIH Johanna Quandt Professur und Leiterin der Forschungsgruppe „Defekte und Dysfunktionen des Immunsystems in Tumorpatienten“ am BIH. Gleichzeitig ist sie Oberärztin an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Charité Campus Virchow-Klinikum und hat zudem als langjähriges Mitglied des BIH Charité Clinician Scientist Boards und als Sprecherin der Berlin School of Integrative Oncology (BSIO) vielfältige Erfahrungen im Bereich der Nachwuchsförderung gesammelt. Sie möchte das CSP längerfristig weiterentwickeln und die Nachwuchsförderung von Mediziner:innen in der Universitätsmedizin der aktuellen Situation anpassen. „Die digitale Transformation und der medizinische Fortschritt einerseits, der akute Fachkräftemangel und die Pandemie andererseits, stellen die jungen Ärztinnen und Ärzte in der Universitätsmedizin heute vor besondere Herausforderungen“, sagt Prof. Na. „Wer neben der klinischen Tätigkeit ernsthaft Forschung betreiben möchte, braucht Unterstützung, insbesondere in dieser Situation. Die wollen wir bieten.“ Prof. Dr. Christopher Baum, Vorstand des Translationsforschungsbereichs der Charité und Vorsitzender des BIH Direktoriums, gratuliert der neuen Programmdirektorin. „Prof. Il-Kang Na erfüllt das Profil der CSP Programmdirektorin wie maßgeschneidert: Als Ärztin und Wissenschaftlerin ist sie selbst das Role Model für Clinician Scientists. In der medizinischen Translation geht es darum, medizinische Probleme zu erkennen, in einen Forschungsansatz zu überführen und die Ergebnisse wieder aus dem Labor in die Klinik zu übertragen. Aus diesem Grund sind die Clinician Scientists so wichtig für uns: Sie wissen, was den Patienten fehlt, und verstehen gleichzeitig, wie man das Problem erforschen kann. Und machen so aus Forschung Gesundheit.“ Prof. Dr. Joachim Spranger, Dekan der Charité, sprach zunächst Prof. Siegmund und Prof. Müller seinen großen Dank aus. „Die beiden haben das Programm zwei Jahre lang mit großem Engagement und hohem zusätzlichen Zeitaufwand neben ihren vielfältigen anderen Aufgaben ehrenamtlich geleitet. Damit war es uns ohne Unterbrechung möglich, unseren angehenden Ärztinnen und Ärzten in den verschiedenen Fachdisziplinen zu ermöglichen, Forschung auf höchstem Niveau zu betreiben und gleichzeitig die Weiterbildung zum Facharzt zu verfolgen. Mit Prof. Na übernimmt nun eine exzellent qualifizierte Kollegin die Leitung dieses wichtigen und gemeinsamen BIH-Charité-Programms. Ich gratuliere Prof. Na ganz herzlich zu ihrer neuen Aufgabe und wünsche ihr viel Erfolg bei der kommenden Tätigkeit. Ich bin überzeugt, dass sie einen wichtigen Beitrag leisten wird, um die klinisch tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Charité weiterhin mit geschützter Forschungszeit in ihren wissenschaftlichen Aktivitäten zu unterstützen.“ Anders als unter Prof. Dragun, die auch als Direktorin der BIH Biomedical Innovation Academy (BIA) fungierte, sind das CSP Programmdirektorat und die Leitung der BIA nun voneinander getrennt. Dr. Nathalie Huber und Dr. Iwan Meij leiten gemeinsam die BIA und setzen die Arbeit von Prof. Dragun rund um die akademische Personalentwicklung fort. Auch die Clinician Scientist Geschäftsstelle mit deren Leiterin Dr. Huber bleibt an der BIA verortet. Prof. Dr. Igor M. Sauer, stellvertretender Direktor der Chirurgischen Klinik und Leiter der Experimentellen Chirurgie an der Charité, sowie sein Stellvertreter Prof. Dr. Robert Gütig, Leiter der BIH Arbeitsgruppe Mathematische Modellierung des Neuronalen Lernens, leiten das Digital Clinician Scientist Programm. Gemeinsam mit Prof. Na, ihrer noch zu bestimmenden Stellvertretung sowie der BIA-Leitung bilden sie das Führungsteam, das die enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen CS Programmen und der BIA sicherstellt.
Veröffentlicht am 09.01.2023 um 10:00:02 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Win-win-Situation im Zellverbund: Kooperierende Zellen leben länger

Tauschen Zellen Stoffwechselprodukte miteinander aus, beschert ihnen dies ein längeres Leben. Das konnte ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin nun erstmals in einer Studie am Beispiel von Hefezellen zeigen. Dass der Stoffaustausch einen direkten Einfluss auf die Lebensdauer von Zellen hat, könnte für die Erforschung von Alterungsprozessen und altersbedingten Erkrankungen von Menschen künftig eine wichtige Rolle spielen. Die Studie ist im aktuellen Fachmagazin Cell* erschienen. Stoffwechsel und Altern gehören untrennbar zusammen: Stoffwechselprozesse tragen zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen bei, sorgen für Wachstum oder stoßen Reparaturmaßnahmen in Zellen an. Doch es werden auch Stoffe produziert, die schädlich für die Zelle sind und den Alterungsprozess vorantreiben. „Die Stoffwechselprozesse, die innerhalb von Zellen ablaufen, sind hochkomplex“, sagt Prof. Dr. Markus Ralser, Direktor des Instituts für Biochemie an der Charité und Einstein-Professor für Biochemie. „Eine zentrale Rolle spielt dabei unter anderem der Stoffaustausch zwischen Zellen einer Zellgemeinschaft, denn er beeinflusst den internen Zellstoffwechsel maßgeblich mit.“ Zellen stehen mit benachbarten Zellen – etwa in Körpergeweben – in stetigem Austausch: Sie schleusen nicht benötigte Stoffe aus ihrem Zellinneren aus und nehmen Substanzen aus ihrer Umgebung auf. In einer aktuellen Studie ging das Team um den Stoffwechselexperten Prof. Ralser der Frage nach, ob der Austausch von Stoffwechselprodukten, sogenannten Metaboliten, einen Einfluss auf die Lebensdauer von Zellen hat. Für ihre Untersuchungen arbeiteten die Forschenden mit Hefezellen und führten Experimente zur Bestimmung der Lebensdauer durch. Hefezellen sind ein wichtiges Modell der Grundlagenforschung, ein dominierender Mikroorganismus in der Biotechnologie und auch in der Medizin wichtig, da sie Pilzinfektionen auslösen können. „Wir konnten zeigen, dass sich die Lebensspanne der Zellen um rund 25 Prozent verlängerte, wenn sie Metaboliten miteinander austauschen konnten“, sagt Dr. Clara Correia-Melo, ebenfalls vom Institut für Biochemie der Charité und Erstautorin der Studie. „Nun wollten wir natürlich wissen, welche Stoffe und Austauschprozesse hinter dieser lebensverlängernden Wirkung stehen.“ Um das herauszufinden, nutzten die Forschenden ein spezielles, durch Massenspektrometrie gestütztes Untersuchungssystem, mit dem sich der Stoffaustausch zwischen den Zellen genau nachverfolgen lässt. Sie stellten fest, dass junge Zellen, die sich noch gut und oft teilten, Aminosäuren ausschieden, und dass diese von den älteren Zellen aufgenommen wurden. Aminosäuren sind die Bausteine, aus denen Proteine zusammengesetzt sind. Das Forschungsteam fand heraus, dass der Austausch der Aminosäure Methionin das Leben der beteiligten Zellen verlängert. Die Aminosäure kommt in allen Organismen vor und spielt für die Proteinherstellung und auch in vielen zellulären Prozessen eine wichtige Rolle. „Das Interessante ist, dass für die Lebensverlängerung der alten Zellen der Stoffwechsel der jungen Zellen verantwortlich war“, sagt Prof. Ralser. Einige junge Zellen gaben Methionin ab, das andere junge Zellen aufnahmen. Dadurch wurde deren Zellstoffwechsel so verändert, dass sie Stoffwechselprodukte ausschieden, von denen die Methionin produzierenden Zellen profitierten. Dabei handelt es sich etwa um Glycerol, das für den Aufbau von Zellmembranen benötigt wird und zellschützende Eigenschaften hat. „Geben langlebige, Methionin aufnehmende Zellen Glycerol ab, verlängern sie dadurch auch das Leben der Methionin produzierenden Zellen – eine Win-win-Situation“, erklärt Dr. Correia-Melo. „Und durch diesen kooperativen Stoffaustausch zwischen den Zellen verlängert sich die Lebensdauer der gesamten Zellgemeinschaft.“ Mit ihrer Studie konnten die Forschenden anhand von Hefezellgemeinschaften erstmalig zeigen, dass der Stoffaustausch einen direkten Einfluss auf die Lebensdauer und den Alterungsprozess von Zellen hat. Sie vermuten, dass dies auch für andere Zelltypen, etwa menschliche Körperzellen, zutrifft und wollen dies in weiterführenden Studien prüfen. „Um die Entstehung altersbedingter Erkrankungen wie etwa Diabetes, Krebs oder neurodegenerative Erkrankungen zu erforschen, müssen die komplexen Stoffwechselwege innerhalb, aber eben auch zwischen den Zellen besser verstanden werden“, sagt Prof. Ralser. „Der Stoffaustausch zwischen Zellen ist ein bislang übersehener, aber ganz offensichtlich maßgeblicher Faktor für den zellulären Alterungsprozess. Wir hoffen, dass wir mit unserer Studie dazu beitragen können, dass künftig der Austausch von Stoffwechselprodukten zwischen Zellen verstärkt in den Blick genommen wird.“ In folgenden Forschungsprojekten möchte Prof. Ralser die genauen Mechanismen der zellschützenden und lebensverlängernden Wirkung von Glycerol genauer untersuchen.
Veröffentlicht am 06.01.2023 um 08:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Gesundheit und Chancen auf Gesundheit weltweit voranbringen

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und der Einstein Stiftung Berlin An der Berliner Universitätsmedizin entsteht mit dem Charité Centrum Global Health (CCGH) eine neue Plattform für Globale Gesundheit. Im Zentrum: Das Institut für Internationale Gesundheit der Charité – Universitätsmedizin Berlin, zuvor Institut für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit, geleitet mit Jahresbeginn von der Einstein-Professorin für Global Health Prof. Dr. Beate Kampmann. Die ausgewiesene Expertin für internationale Kindergesundheit wird zusammen mit Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Charité, das CCGH leiten, seine wissenschaftliche Ausrichtung schärfen und Potenziale in Berlin und darüber hinaus zusammenführen. Unterstützt wird dies durch den Bereich Global Engagement im CCGH, der ein Kristallisationspunkt für Global-Health-Aktivitäten an der Charité sein wird und in Kooperation mit dem World Health Summit (WHS) sowie nationalen und internationalen Partnern strategische Initiativen für die globale Gesundheit bahnen und vorantreiben soll. Das Programm der Einstein-Profil-Professur erlaubt es den Berliner Universitäten, international führende Wissenschaftler:innen zu berufen. Es wird ermöglicht durch die Einstein Stiftung Berlin mit großzügiger finanzieller Unterstützung der Damp Stiftung. Gesundheit muss zunehmend global verstanden werden. Infektionserreger machen vor Landesgrenzen nicht halt. Pandemie, Epidemie, Krieg oder Klimafolgen – aktuellen wie auch neuen Herausforderungen für die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen lässt sich nur durch internationale Kooperation, mit neuen Ideen und weltweiter Gesundheitsforschung begegnen. Schon vor der COVID-19-Pandemie haben viele Akteure in Deutschland begonnen, sich stärker für Fragen der globalen Gesundheit zu engagieren. Der Berliner Universitätsverbund, die Berlin University Alliance (BUA), hat Global Health als eine besondere globale Herausforderung und somit als eine seiner Grand Challenges definiert. An den über einhundert Kliniken und Instituten der Charité bestehen vielfältige Erfahrungen auf dem Gebiet globaler Gesundheitsforschung und -praxis. Internationale Foren für Vernetzung und Austausch sind auf Anregung oder im Umfeld der Charité entstanden, darunter der World Health Summit (WHS), die German Alliance for Global Health Research (GLOHRA) und der WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence. Es ist an der Zeit, das Puzzle der zahlreichen Initiativen und die einzelnen Disziplinen in Berlin zusammenzubringen, findet Prof. Kampmann, die in den vergangenen viereinhalb Jahren an der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM) als Professorin für pädiatrische Infektionen und Immunität gelehrt und geforscht hat. Auch war die Expertin für internationale Gesundheit Direktorin des dortigen Zentrums für Vakzineforschung, das sich mit Impfschutz und der Evaluation von Impfstoffen befasst. Nun kehrt die Medizinerin nach Deutschland zurück, um das Institut für Internationale Gesundheit an der Charité (vormalig Institut für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit) wie auch das Fachgebiet Global Health in Berlin neu aufzustellen und die globale Vernetzung von dieser Basis aus voranzubringen. „Es gibt hier bereits eine starke Forschung, internationale Klinikpartnerschaften und viele gute Ansätze, die wir versammeln und intensivieren wollen. An der Charité werden wir künftig ein Dach für alle bieten, die mit Global-Health-Themen befasst sind. Auch affiliierte Forschende und assoziierte Institutionen, Mitglieder der Berlin University Alliance oder außeruniversitäre Einrichtungen können sich beteiligen“, sagt Prof. Kampmann. „Vorrangig beschäftigen werden uns neben Vernetzung und strukturellem Aufbau unter anderem das Bewältigen und Beobachten von Infektionskrankheiten weltweit, auch der Beitrag von Impfstoffen hierzu, und das Feld der Pandemic Preparedness – Themen, die wir multidisziplinär und jenseits von Institutsgrenzen angehen werden.“ Neben ihrer Tätigkeit an der Charité wird Prof. Kampmann auch der LSHTM anteilig verbunden bleiben. Sie wird Forschungsprojekte in Afrika und Großbritannien weiterführen und eine Partnerschaft zwischen Charité und London School, einer der einflussreichsten Institutionen auf dem Gebiet Public Health und Infektionskrankheiten, auf den Weg bringen. Klinische Leistungen des Instituts für Internationale Gesundheit der Charité wie die Reisemedizin und die Ambulanz für Reiserückkehrer:innen bleiben unter der neuen Leitung und mit dem bewährten Team bestehen. Prof. Kampmann gehört zu den international führenden Expert:innen für die Erforschung von Tuberkulose im Kindesalter und von Impfstoffen zur Verbesserung der globalen Gesundheit. Sie konnte nachweisen, dass der Tuberkuloseimpfstoff Bacille Calmette-Guérin (BCG), ein Lebendimpfstoff, nicht nur vor Erkrankung, sondern auch vor Infektionen schützt. Seit mehr als zwölf Jahren leitet sie in Gambia die Impfstoff- und Immunitätsforschung einer Einheit des Medical Research Council (MRC-Unit The Gambia, ab 2018 integriert in die LSHTM) und ist zuständig für alle Forschungsaktivitäten zur Immunologie von Kleinkindern, Tuberkulose im Kindesalter sowie molekulare Diagnostik. Neben Grundlagenforschung zu Immunreaktionen auf Infektionen und Impfungen bei Schwangeren und Säuglingen brachte die Ärztin in den vergangenen Jahren zahlreiche klinische Studien zu neuartigen Impfstoffen, Wirkverstärkern und Verabreichungsmodalitäten auf den Weg. Die Resultate ihrer Forschung und ihres internationalen Engagements sind weitreichend. So haben sie unter anderem dazu geführt, dass in Gambia rund 50 Prozent mehr Tuberkulosefälle im Kindesalter entdeckt werden konnten. Auch hat die Impfexpertin in dem westafrikanischen Land ein Programm zur Immunisierung während der Schwangerschaft ins Leben gerufen, um Erkrankungen zu verhindern und die Säuglingssterblichkeit zu senken. Nur ein Beispiel, das zeigt, wie Impfungen als eines der wirksamsten medizinischen Instrumente zu einer besseren globalen Gesundheit beitragen können. „Die Charité gewinnt mit Prof. Kampmann eine herausragende Expertin für internationale Gesundheit mit weitreichender Erfahrung in translationaler Forschung, in Ausbildung und Lehre, in Interdisziplinarität und interkulturellem Austausch“, sagt Prof. Dr. Axel Radlach Pries, Präsident des WHS und Dekan der Charité bis zum 31. Dezember 2022. „Das neu geschaffene Charité Centrum Global Health wird die Rolle der Charité in diesem bedeutenden Handlungsfeld stärken und sichtbar machen. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Kampmann und Prof. Drosten wird die Charité gemeinsam mit Partnereinrichtungen weltweit neue Initiativen starten und Akzente setzen. Ziel ist es, zunehmend Verantwortung zu übernehmen, starke Partnerschaften im Bereich Global Health zu entwickeln und die Zusammenarbeit der Wissenschaft mit Politik und allen Stakeholdern voranzutreiben.“ Partnerschaften auf Augenhöhe, ergänzt Prof. Kampmann, besonders im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen des Globalen Südens. Auch in Zukunft wird Prof. Kampmann ihre Forschung an der MRC-Einheit Gambia fortführen. Sie plant, die Kooperation mit dem Partnerstandort in die Arbeiten an der Charité einzubringen und neue Studienpartnerschaften zu ermöglichen. Mehr als 80 Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Hilfskräfte sind derzeit Teil ihres globalen Forschungsprogramms, das sich mit Fragen des Impfschutzes befasst, unter anderem in klinischen Studien oder mittels modernster systemvakzinologischer Ansätze. Welche Immunisierung zu welchem Zeitpunkt ist sinnvoll? Wie ist die Akzeptanz in der Bevölkerung? Was können wir aus Impfstudien über das sich entwickelnde Immunsystem lernen? Welche Einflüsse haben Impfungen in der Schwangerschaft? Diese Fragen sind der Forscherin wichtig, um Kindern in aller Welt eine evidenzbasierte Versorgung zu ermöglichen. Daneben bildet die international tätige Expertin regelmäßig junge, vor allem afrikanische Kliniker:innen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus und betreut sie auf ihrer klinisch-wissenschaftlichen Laufbahn. Um den internationalen Austausch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von Doktorand:innen und Forschungsideen zu erleichtern, hat sie in Gambia einen „Open lab“-Ansatz eingeführt, der auch an der Charité in Lehre und Forschung weitergeführt werden soll. Das Ermöglichen von bilateralem Austausch und internationaler Kooperation liegt Prof. Kampmann am Herzen: „In Deutschland basieren die verfügbaren Programme zum Aufbau von Partnerschaften meist auf kleinteiliger Projektförderung, bis heute gibt es nur wenige Partnerstandorte außerhalb des Landes – eine strukturelle Schwäche, die wir Stück für Stück angehen wollen, um in der Global-Health-Forschung international wettbewerbsfähiger zu werden.“ Mit der Berufung von Prof. Kampmann eröffnet sich an der Charité und berlinweit eine besondere Chance: die Chance, Global Health als akademisches Fachgebiet an diesem Wissenschaftsstandort neu zu etablieren. Ein Fachgebiet, das in Zeiten internationaler Mobilität notwendiger ist denn je, sich historisch bedingt in Deutschland aber kaum entwickelt hat. Das Institut für Internationale Gesundheit im neuen Charité Centrum Global Health möchte nun ein offenes Haus sein, das es einzurichten gilt, sagt Prof. Kampmann: „Ich habe das Gefühl, dass die Dynamik stimmt. Hierzulande und auch innerhalb Europas wird derzeit ein neuer Schwerpunkt gesetzt, wie an den bereits veröffentlichten Global-Health-Strategien Deutschlands und der Europäischen Union zu erkennen ist. Gleichberechtigte Partnerschaften und Nachwuchsförderung im internationalen Gesundheitswesen sind dabei deutlich ins Zentrum gerückt.“ Prof. Martin Rennert, Vorstandsvorsitzender der Einstein Stiftung Berlin, fügt hinzu: „Wir freuen uns, dass es der Charité mit Unterstützung der Einstein Stiftung gelungen ist, eine der renommiertesten Wissenschaftlerinnen auf dem Gebiet Global Health für Berlin zu gewinnen, um dieses wichtige Feld in Deutschland und in Berlin weiter zu etablieren und noch stärker zu verankern.“ Gemeinsam mit nationalen und internationalen Akteur:innen, mit Einrichtungen wie dem Robert Koch-Institut (RKI), der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), mit verschiedenen Ministerien, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem WHS, der Bill & Melinda Gates Foundation, der Nachwuchsschmiede GLOHRA oder auch dem europäischen Zusammenschluss von Forschungsförderorganisationen GloPID-R, soll ein neuer Anlauf im Sinne der globalen Gesundheit gelingen. Nachhaltige Kooperationen für eine weltweite Gesundheitsforschung, beispielsweise zwischen klinischer Forschung, Grundlagenforschung und Systembiologie, aber auch mit nichtmedizinischen Disziplinen wie den Berliner Sozialwissenschaften, werden dazu beitragen.
Veröffentlicht am 03.01.2023 um 10:24:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

DHZC: Start für eines der größten Herzzentren Deutschlands 

Gemeinsame Pressemitteilung von Charité und DHZB  Am 1. Januar 2023 schließen die Charité – Universitätsmedizin Berlin und das Deutsche Herzzentrum Berlin – Stiftung des bürgerlichen Rechts (DHZB) ihre herzmedizinischen Einrichtungen zum Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) zusammen. Das DHZC ist an den drei klinischen Campi der Charité am Campus Virchow-Klinikum, am Campus Charité Mitte sowie am Campus Benjamin Franklin verortet. Es umfasst insgesamt acht Kliniken und Institute mit rund 2.500 Mitarbeiter:innen und verfügt über rund 470 Betten. Damit entsteht eines der größten Herzzentren Deutschlands zur Behandlung sämtlicher kardiovaskulärer Erkrankungen bei Patient:innen jeden Alters.  Strategische und operative Eigenständigkeit   Als Gemeinsames Zentrum der Charité und der Stiftung DHZB entsteht das DHZC als eine Organisationseinheit der Charité, die in Bezug auf die Krankenversorgung weitgehende strategische und operative Eigenständigkeit besitzt und im Bereich Forschung und Lehre integraler Bestandteil der Fakultät der Charité ist. Das DHZC erhält einen DHZC-Bereichsvorstand und einen DHZC-Verwaltungsrat. Der Bereichsvorstand leitet das DHZC. Mitglieder sind der Ärztliche Direktor Prof. Dr. Volkmar Falk (Vorsitz), der Stellvertretende Ärztliche Direktor Prof. Dr. Ulf Landmesser, der Kaufmännische Direktor Dr. Rolf Zettl und der Pflegedirektor Sebastian Dienst. Der paritätisch besetzte Verwaltungsrat überwacht die Geschäftsführung des Bereichsvorstands. Ihm gehören der Vorstandsvorsitzende der Charité Prof. Dr. Heyo K. Kroemer (Vorsitz) und der Vorstandsvorsitzende der DHZB-Stiftung Prof. Dr. Hans Maier sowie je zwei weitere Vertreter beider Institutionen an. Neubau auf dem Campus Virchow-Klinikum      Bis 2028 soll der Neubau für das DHZC auf dem Campus Virchow-Klinikum entstehen. Er wird auf rund 30.000 Quadratmetern Nutzfläche über 20 Operationssäle, Herzkatheter-Labore und Hybrid-Operationssäle sowie rund 320 Betten verfügen. Darüber hinaus werden in dem Neubau auch die Notaufnahme und die Sterilgutversorgung für den gesamten Campus zu finden sein. Die übrigen Kliniken werden auch nach der Fertigstellung des Neubaus als große kardiologische Kliniken des DHZC am Campus Benjamin Franklin und am Campus Charité Mitte weiter betrieben werden. Perspektiven für die medizinische Versorgung, Forschung und Wissenschaft  Mit dem DHZC wird ein international führendes Herzzentrum etabliert, das neue Maßstäbe in der Versorgung der Patient:innen, Forschung und Lehre, Infrastruktur sowie Logistik setzen, ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen und moderne Entwicklungsperspektiven bieten wird. Schwerpunkte der Forschung werden in der Prävention, der bildgestützten Therapie, der Präzisionsmedizin und dem Einsatz von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz liegen. Die Weiterentwicklung innovativer und minimalinvasiver Therapieansätze in der operativen und interventionellen Therapie unterstreichen den stark translationalen Ansatz der klinischen Forschung am DHZC. Stiftung DHZB besteht weiter  Die Stiftung Deutsches Herzzentrum Berlin überträgt den Krankenhausbetrieb des bisherigen DHZB auf die Charité, besteht als Stiftung aber fort und wird das DHZC über die Mitbestimmung im DHZC-Verwaltungsrat strategisch und operativ weiter mitgestalten. Die Stiftung wird ihren Fokus darüber hinaus auf die Aus- und Weiterbildung und die Förderung von Forschung und Entwicklung im Gebiet der Herzerkrankungen legen. Zu diesem Zwecke werden sämtliche kardiovaskuläre Bildungsangebote unter dem Dach der künftigen DHZB Akademie gebündelt. Im Bereich der Innovationsförderung wird sich die Stiftung insbesondere in der Förderung und Begleitung von Spin-offs und Start-ups im Umfeld des DHZC engagieren.
Veröffentlicht am 29.12.2022 um 09:55:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Prof. Dr. Hanns-Christian Gunga erhält Bundesverdienstkreuz

Prof. Dr. Hanns-Christian Gunga, Sprecher des Zentrums für Weltraummedizin und Extreme Umwelten Berlin (ZWMB) und früherer stellvertretender Direktor des Instituts für Physiologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, hat heute das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Mit der Auszeichnung wird der Mediziner und Geologe für seine Forschungsleistung zu Auswirkungen von extremen Umweltbedingungen auf den Menschen geehrt, mit der er sich herausragend um die Wissenschaft und den Wissenschaftsstandort Berlin verdient gemacht hat. Überreicht wurde der Verdienstorden von der Berliner Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote. Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, gratuliert zu dieser herausragenden Auszeichnung: „Prof. Gunga hat in den mehr als drei Jahrzehnten, die er der Freien Universität Berlin und der Charité verbunden ist, das Wissen um die Physiologie des Menschen entscheidend vorangebracht. Er ist einer der wenigen integrativen Humanphysiologen, der Menschen in ihrer Gesamtheit und Interaktion mit der Umwelt betrachtet. Sein langjähriges Schaffen hat maßgeblich zur internationalen Sichtbarkeit der Charité im Bereich Weltraummedizin beigetragen. Es freut mich sehr, dass dieses besondere Engagement nun gewürdigt wird.“ Prof. Gunga hat das Zentrum für Weltraummedizin und Extreme Umwelten Berlin an der Charité in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) seit dem Jahr 2000 auf- und ausgebaut. Dort erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie sich der menschliche Körper an außergewöhnliche Umweltbedingungen wie die Schwerelosigkeit, starke Hitze oder Kälte, große Höhen oder lange Isolation anpasst. Sie konzipieren Messgeräte zur Untersuchung der bemannten Raumfahrt, die beispielsweise während der Weltraummission des deutschen Astronauten Matthias Maurer auf der Internationalen Raumstation ISS zum Einsatz gekommen sind.  Prof. Gunga selbst beschäftigt sich in seiner Arbeit insbesondere mit der Inneren Uhr und der Regulierung der Körpertemperatur, sowohl in der Schwerelosigkeit als auch – im Rahmen der Initiative „Heat & Health“ – in Anpassung an den Klimawandel. Er ist Vorsitzender der Programmkommission Raumfahrt des DLR und Mitglied verschiedener Beratungsgremien für die Europäischen Weltraumbehörde ESA. Er berät darüber hinaus das Verteidigungsministerium sowie die NATO und ist Autor mehrerer Fach- und populärwissenschaftlicher Bücher. Hanns-Christian Gunga studierte Geologie, Paläontologie und Medizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Freien Universität Berlin. Der Facharzt für Physiologie spezialisierte sich früh auf die Bereiche Weltraummedizin und Extreme Umwelten und wurde 2004 als Professor an das Institut für Physiologie der Charité berufen. Er war bis September stellvertretender Direktor des Instituts und bleibt der Charité nun als Seniorprofessor verbunden.
Veröffentlicht am 21.12.2022 um 15:07:57 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Tiefe Hirnstimulation bei Parkinson: Neue Software zur Einstellung entwickelt

Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist ein Therapieverfahren, das zur Behandlung von Parkinson-Erkrankten eingesetzt wird. Zwei im Gehirn implantierte Elektroden stimulieren dabei dauerhaft bestimmte Hirnregionen. Die Einstellung der Stimulationsparameter ist allerdings ein aufwendiger Prozess. Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat nun eine Software entwickelt, die die Einstellung effizienter machen könnte. In ihrer im Fachmagazin The Lancet Digital Health* erschienenen Studie konnten die Forschenden zeigen, dass die softwarebasierte Einstellung im Vergleich zur Stimulationseinstellung des herkömmlichen Verfahrens zu gleichwertigen Ergebnissen in der Verbesserung der motorischen Symptome führt. Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. In Deutschland sind etwa 400.000 Menschen betroffen – aufgrund der zunehmenden Alterung der Gesellschaft mit steigender Tendenz. Neben dem als Tremor bezeichneten unwillkürlichen Zittern der Gliedmaßen leiden die Betroffenen insbesondere an Unterbeweglichkeit. „Sie fühlen sich steif, können Bewegungen schlechter starten und beenden, bewegen sich langsamer und haben einen unsicheren Gang, was zu Stürzen führen kann“, sagt Prof. Dr. Andrea Kühn, Leiterin der Sektion Bewegungsstörungen und Neuromodulation an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité. „Parkinson ist bislang noch nicht heilbar, doch viele Symptome, insbesondere die schlechte Beweglichkeit, können mit Hilfe der Tiefen Hirnstimulation deutlich verbessert werden.“ Für die Therapieform der Tiefen Hirnstimulation (THS) werden den Patient:innen während eines operativen Eingriffs zwei feine Elektroden ins Gehirn implantiert. Sie geben schwache, kurze elektrische Impulse ab und stimulieren so gezielt und stetig die jeweiligen Hirnregionen. Dafür sind sie über Kabel, die unter der Haut verlaufen, an einen Schrittmacher im Brustraum angeschlossen, über den eine Vielzahl unterschiedlicher Stimulationsparameter eingestellt und individuell an die Symptomatik der Parkinson-Erkrankten angepasst werden können. Drei Monate nach der Operation wird bei den Patient:innen während eines mehrtägigen Klinikaufenthaltes in einem THS-Zentrum die für sie bestmögliche Einstellung ausgetestet. „Die Anpassung der Stimulation erfolgt auf unserer Spezialstation für Bewegungsstörungen durch systematische Testung der Effekte und Nebenwirkungen bei Stimulation der verschiedenen Elektrodenkontakte“, sagt Prof. Kühn. „Um diesen Prozess künftig effizienter und letztlich auch für die Patientinnen und Patienten angenehmer gestalten zu können, haben wir die Software StimFit entwickelt“, sagt Jan Roediger, ebenfalls von der Sektion Bewegungsstörungen und Neuromodulation an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie und Erstautor der Studie. Die Software berechnet auf Basis radiologischer Bilddaten des Gehirns der Patient:innen Vorschläge für eine individuelle Stimulationseinstellung, die zu einer Verbesserung der Symptome führen soll. Zu den wichtigsten Parametern, die dabei berücksichtigt werden, gehört die Stromstärke sowie die genaue Positionierung der stimuliabgebenden Bereiche der Elektroden. „Um die genaue Lage der Elektroden im Gehirn anhand von Bilddaten bestimmen und in den Algorithmus einbeziehen zu können, haben wir die Open-Source-Software Lead-DBS genutzt, die ebenfalls an der Charité entwickelt wurde“, sagt Jan Roediger. „Unser Algorithmus wurde dann mit einem Datensatz aus über 600 Stimulationseinstellungen, den dazugehörigen Bilddaten und Wirkungen auf die Symptomatik trainiert.“ Um zu prüfen, ob die softwarebasierten Einstellungen von StimFit mit denen durch klinisches Austesten gefundenen Einstellungen qualitativ mithalten können, hat das Forschungsteam eine Studie mit 35 Parkinson-Patient:innen durchgeführt. Beide Stimulationseinstellungen – die jeweils individuelle, die durch die herkömmliche klinische Testung erstellt wurde, sowie die softwarebasierte Einstellung – wurden nacheinander getestet. Dabei wussten weder die Studienteilnehmenden noch das Fachpersonal, in welcher Reihenfolge die jeweilige Stimulationseinstellung erfolgte. Im Anschluss wurden die motorischen Symptome nach den beiden Einstellungen beurteilt und miteinander verglichen. „Die allgemeine Beweglichkeit und insbesondere auch das Laufen der Patient:innen verbesserte sich bei beiden Stimulationseinstellungen gleich gut“, sagt Prof. Kühn. „Das ist ein wirklich vielversprechendes Ergebnis. Bildgebungsbasierte Algorithmen könnten die klinische Praxis der THS bei Parkinson und anderen Bewegungsstörungen künftig deutlich vereinfachen und es so ermöglichen, die neuesten technischen Fortschritte – wie etwa Mehrkontaktelektroden zur direktionalen Stimulation – besser zu nutzen.“ Da die Ausprägung der Parkinson-Symptome wie Unterbeweglichkeit, Gangstörungen oder unwillkürliches Zittern (Tremor) bei den Erkrankten individuell unterschiedlich ist und bei der Einstellung der Hirnstimulatoren berücksichtigt werden muss, möchten die Forschenden dies in weiteren Schritten der technischen Optimierung der Software einbeziehen. Sie arbeiten zudem an der Entwicklung von Modellen, die die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen genauer vorhersagen können – um die softwarebasierte Stimulationseinstellung und damit den gewünschten künftigen Therapieerfolg zu verbessern und den Weg für weitere klinische Studien zu ebnen.
Veröffentlicht am 21.12.2022 um 10:30:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Studie zum Omikron-Ursprung zurückgezogen

Am 1. Dezember hat die Charité – Universitätsmedizin Berlin über neue Erkenntnisse zur Entstehung der SARS-CoV-2-Variante Omikron informiert. Das Team um Studienleiter Prof. Dr. Jan Felix Drexler hat die im Fachmagazin Science* publizierte Publikation nun zurückgezogen. Nach neuesten Erkenntnissen sind Teile der in der Studie gemachten Aussagen wegen Verunreinigungen in Untersuchungsproben nicht mehr ohne begründete Zweifel belegbar. Die Forschenden kommen damit ihrer Verantwortung für die gute wissenschaftliche Praxis nach, der sich die Charité und das internationale Autorenteam verpflichtet fühlen.  In der Publikation Gradual emergence followed by exponential spread of the SARS-CoV-2 Omicron variant in Africa* wurde das Aufkommen der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 in Westafrika, einige Monate vor der späteren Entdeckung in Südafrika, nachgewiesen. Kurz nach der Veröffentlichung wurde durch andere Wissenschaftler:innen die Plausibilität der analysierten Genomsequenzen in Frage gestellt. In einer daraufhin durchgeführten Nachanalyse von Restproben wurden Verunreinigungen festgestellt, deren Ursprung und Auswirkungen auf einen Teil der durchgeführten Analysen nicht mehr zu klären sind.  Die weiter bestehende Aussage der Publikation, dass Viren mit Omikron-Sequenzmerkmalen bereits vor dem offiziellen Nachweis in Südafrika existierten, beruht auf übereinstimmenden PCR-Nachweisen aus Laboren aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Allerdings ist die detaillierte Rekonstruktion der einzelnen Evolutionsstufen des Virus durch die aufgetretenen Verunreinigungen in Zweifel gezogen oder zumindest nicht mehr eindeutig darstellbar.  Die vorliegenden Verunreinigungen machen auch eine zeitnahe Korrektur unmöglich, denn hierzu müssten mehrere Tausend Rückstellproben aus ganz Afrika nachanalysiert werden. Aus diesem Grund wurde die gesamte Publikation jetzt im Einvernehmen mit allen Koautor:innen zurückgezogen. Die mit dem Projekt befasste Arbeitsgruppe hat die Aufarbeitung und Überprüfung aufgenommen. Andere Arbeitsgruppen und Projekte in der Charité oder im Autorenkonsortium sind nicht betroffen.  Das Team um Prof. Drexler bedauert den Vorfall und dankt den internationalen Kolleginnen und Kollegen, die im Anschluss an die Veröffentlichung auf die möglichen Mängel aufmerksam gemacht haben.  
Veröffentlicht am 20.12.2022 um 15:05:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Mukoviszidose-Medikament könnte bei Lungenentzündungen helfen

Erreger wie SARS-CoV-2 oder Pneumokokken können schwere Lungenentzündungen auslösen. Füllen sich in der Folge die Atemwege mit Flüssigkeit, besteht die Gefahr eines akuten Lungenversagens. Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben nun die molekularen Zusammenhänge aufgeklärt, die zu den Wasseransammlungen in der Lunge führen. Dabei haben sie einen neuen möglichen Therapieansatz entdeckt, mit dem Lungenentzündungen künftig erregerunabhängig behandelt werden könnten. Ein Wirkstoff, der bei Mukoviszidose eingesetzt wird, zeigte sich in Laborversuchen als wirksam. Die Studie ist im Fachmagazin Science Translational Medicine* erschienen. Lungenentzündungen sind die häufigste Ursache für „Wasser in der Lunge“. Fachleute sprechen von einem Lungenödem. Dabei sind Teile der Atemwege nicht mehr mit Luft, sondern mit Flüssigkeit gefüllt und können ihrer eigentlichen Aufgabe – dem Gasaustausch – nicht mehr nachkommen. Die Betroffenen haben Luftnot und ihr Körper wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Die Diagnose lautet dann: akutes Lungenversagen. „Trotz modernster medizinischer Methoden versterben auf den Intensivstationen leider mehr als 40 Prozent der Patientinnen und Patienten mit akutem Lungenversagen. Das Problem ist, dass antibiotische, antivirale oder auch immunmodulatorische Therapien häufig nicht hinreichend anschlagen“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Wolfgang Kübler, Direktor des Instituts für Physiologie an der Charité. „Unsere Studie verfolgt daher einen gänzlich anderen, erregerunabhängigen Ansatz: Die Barrierefunktion der Blutgefäße in der Lunge stärken.“ Denn von dort kommt ursächlich die Flüssigkeit eines Lungenödems. Die Lungengefäße werden durchlässig, flüssige Anteile des Blutes strömen in das umliegende Gewebe hinein – und fluten so die Atemwege.  Doch wie kommt es überhaupt dazu? Welche molekularen Mechanismen stehen dahinter? Diesen Fragen ist das Charité-Forschungsteam um Prof. Kübler nachgegangen. Dafür haben die Wissenschaftler:innen Versuche mit Zellen, Lungengewebe und isolierten Lungen durchgeführt. Im Zentrum der Untersuchungen stand der Chloridkanal CFTR. Bekannt ist, dass dieser Zellkanal vor allem in den Schleimhautzellen unserer Atemwege vorkommt. Dort ist er maßgeblich daran beteiligt, den Schleim flüssig zu halten, damit er gut abfließen kann. Die Forschenden konnten nun aber erstmals zeigen, dass auch die Zellen der Blutgefäße der Lunge mit CFTR ausgestattet sind und dass sich bei Lungenentzündungen sein Vorkommen drastisch reduziert.  Um herauszufinden, welche Rolle CFTR in den Lungengefäßen spielt und was auf molekularer Ebene passiert, wenn es zum Verlust des Chloridkanals kommt, blockierten die Forschenden ihn mit einem Hemmstoff und bestimmten die Menge an Chlorid-Ionen innerhalb der Zelle. Dazu nutzten sie unter anderem ein spezielles bildgebendes Verfahren, das Immunfluoreszenz-Imaging. „Wir konnten beobachten, dass durch die Hemmung von CFTR eine molekulare Kaskade in Gang gesetzt wird, die letztlich dazu führt, dass die Blutgefäße der Lunge undicht werden“, sagt Dr. Lasti Erfinanda, ebenfalls vom Institut für Physiologie und Erstautorin der Studie. „CFTR spielt bei der Entstehung von Lungenödemen also tatsächlich eine ganz zentrale Rolle.“  Den Studienergebnissen zufolge sammelt sich durch den Verlust von CFTR in den Zellen Chlorid an, da es nicht mehr hinaustransportiert wird. Durch das Zuviel an Chlorid wird eine Signalabfolge angestoßen, an deren Ende durch einen Kalziumkanal unkontrolliert Kalzium in die Zellen einströmt. „Die erhöhte Kalziumkonzentration führt dann wiederum dazu, dass sich die Gefäßzellen zusammenziehen – ganz ähnlich wie auch Muskelzellen dies unter Kalziumeinwirkung tun“, erklärt Prof. Kübler. „Dadurch entstehen zwischen den Zellen aber Lücken – die Blutgefäße werden undicht und es strömt Flüssigkeit aus. Die Chloridkanäle sind also für die Aufrechterhaltung der Barrierefunktion der Lungengefäße ganz entscheidend.“    Das Forschungsteam ging anschließend einer weiteren Frage nach: Wie könnte der durch Lungenentzündungen ausgelöste Verlust der Chloridkanäle in den Lungengefäßen abgeschwächt oder verhindert werden? Für ihren Untersuchungsansatz haben die Forschenden einen Wirkstoff genutzt, der zu den sogenannten CFTR-Modulatoren gehört und aus der Mukoviszidose-Behandlung bekannt ist. Bei Mukoviszidose-Patient:innen funktioniert der Chloridkanal CFTR in den Schleimhautzellen der Atemwege aufgrund einer Genmutation nicht ausreichend. Das führt dazu, dass der Schleim sehr zäh ist. „Der Wirkstoff Ivacaftor erhöht die Öffnungswahrscheinlichkeit des Chloridkanals und fördert so den Sekretfluss in den Atemwegen“, erklärt Dr. Erfinanda. „Wir wollten schauen, ob wir damit vielleicht auch in den Zellen der Blutgefäße der Lunge eine positive Wirkung erzielen können.“  Tatsächlich nahm durch den Wirkstoff die Stabilität der Chloridkanäle in den Gefäßzellen zu, sie wurden durch die Entzündungsprozesse in der Lunge nicht mehr so stark abgebaut. Und das zeigte sich auch in Untersuchungen im Tiermodell: Die Behandlung mit Ivacaftor erhöhte die Überlebenswahrscheinlichkeit bei schweren Lungenentzündungen, es gab weniger Lungenschäden und die Symptome sowie der Allgemeinzustand waren deutlich besser als ohne Medikation. „Dass es so gut funktioniert, damit haben wir tatsächlich nicht gerechnet!“, sagt Prof. Kübler. „Wir hoffen, dass wir mit unseren Forschungsergebnissen den Weg für nachfolgende klinische Studien bereiten, in denen die Wirksamkeit von CFTR-Modulatoren bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Lungenentzündung geprüft wird. Sollte dieser vielversprechende und erregerunabhängige Therapieansatz den Weg in die klinische Praxis finden, könnte er einer großen Patientenzahl zugutekommen und schwere Krankheitsverläufe bei Lungenentzündungen verhindern – auch bei unbekannten Erregern.“ In folgenden Forschungsprojekten möchten Prof. Kübler und sein Team auf Basis des nun bekannten CFTR-Signalwegs weitere mögliche therapeutische Ansätze entwickeln. Sie werden außerdem erforschen, welche Patientinnen und Patienten ein erhöhtes Risiko haben, ein akutes Lungenversagen zu entwickeln, um sie präventiv und personalisiert therapieren zu können.
Veröffentlicht am 16.12.2022 um 11:16:42 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Anke Jentzsch wird neue Pflegedirektorin der Charité 

Der Aufsichtsrat der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat in seiner heutigen Sitzung Anke Jentzsch als Pflegedirektorin bestellt. Sie wird damit zugleich Mitglied der Klinikumsleitung. Anke Jentzsch folgt auf Nagi Salaz, der die Aufgaben kommissarisch übernommen hatte. Insbesondere die Pflegefachberufe stehen durch die bereits spürbaren Auswirkungen des demografischen Wandels vor besonderen Herausforderungen. Die 38-jährige Anke Jentzsch ist bislang Pflegedirektorin und Mitglied des Krankenhausdirektoriums der zur Agaplesion Gruppe gehörenden Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz. Sie ist examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und hat zudem ein Studium in Pflegepädagogik sowie in Management im Sozial- und Gesundheitswesen (MBA) abgeschlossen. Aktuell schließt die gebürtige Sächsin ihr Promotionsstudium an der Technischen Universität Dresden zum Thema patientenorientierter Versorgungsprozess ab.  „Mit Anke Jentzsch konnten wir für die Charité eine Expertin aus der Pflege gewinnen, die mit ihrem kooperativen Führungsstil und ihrem Anspruch nachhaltig zur Qualität der Patientenversorgung beiträgt und unser Leitungsteam bereichert. Sie zeichnet sich durch langjährige Branchenkenntnisse und Führungserfahrung aus und bringt sowohl internationale Erfahrung aus einem Stipendiumsaufenthalt in Kanada als auch Erfahrungen aus Consulting und Lehrtätigkeit in der Pflege mit“, sagt Carla Eysel, Vorstandsmitglied für Personal und Pflege.  Anke Jentzsch betont: „Die Charité hat einen sehr guten Ruf, zu dem die Mitarbeitenden der Pflege wesentlich beitragen. Als Pflegedirektorin bin ich hochmotiviert, die Pflege an den Herausforderungen Fachkräftemangel, Akademisierung und technische Weiterentwicklung – um nur die drängendsten zu nennen – auszurichten und uns in die interprofessionellen Teams einzubringen. Für die Mitarbeitenden möchten wir Karriere- und Kompetenzmodelle und lebensphasenorientiertes Arbeiten ermöglichen und gute Arbeitsbedingungen schaffen, um die Qualität der Patient:innenversorgung auch in Zukunft sicher stellen und uns an Marktbedingungen adaptieren zu können.“  Die Aufgaben der Stellvertretenden Pflegedirektorin wird weiterhin Franziska Landgraf übernehmen, die die Position bislang kommissarisch innehatte. Sie ist seit 1993 an der Charité und war zuletzt Pflegerische Centrumsleitung der Zentralen Notaufnahmen und Ambulanzkoordination. Carla Eysel heißt die zukünftige Pflegedirektorin der Charité willkommen: „Wir begrüßen Anke Jentzsch herzlich in unserem Team, wünschen ihr einen guten Start und freuen uns auf die Zusammenarbeit. Sie wird dazu beitragen, die Charité als attraktiven und innovativen Ort für den Pflegeberuf weiter zu profilieren und im Sinne unserer Strategie 2030 Maßstäbe für die Gesundheitsfachberufe setzen.“
Veröffentlicht am 16.12.2022 um 10:30:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Hirnschrittmacher könnte Alzheimer-Erkrankung besser behandelbar machen

Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Ursache von Demenzerkrankungen, bislang aber nicht gut behandelbar. Eine mögliche zukünftige Therapieform könnte die sogenannte Tiefe Hirnstimulation sein, die auch als Hirnschrittmacher bekannt ist. Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat in einer im Fachmagazin Nature Communications* veröffentlichten Studie ein spezifisches Netzwerk im Gehirn von Alzheimer-Patient:innen ausgemacht, dessen Stimulation mit einer Linderung der Symptome einherging. Die Forschenden hoffen, dass die Studie den Weg für weiterführende Untersuchungen ebnet. Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist ein therapeutisches Verfahren, das in Deutschland bereits zur Behandlung von neurologischen Bewegungsstörungen wie der Parkinson-Erkrankung und der Dystonie sowie für neuropsychiatrische Erkrankungen wie etwa die Zwangsstörung zugelassen ist. Im Gehirn der Betroffenen werden dafür feinste Elektroden implantiert, die fortwährend schwache, kurze elektrische Impulse an die jeweiligen Hirnregionen abgeben. Die Elektroden verbleiben dauerhaft im Gehirn und sind über Kabel, die unter der Haut verlaufen, an einen Schrittmacher im Brustraum angeschlossen. Über ihn können Stromstärke und Frequenz angepasst werden.  „Obgleich die THS schon seit gut 20 Jahren für die Behandlung von Parkinson etabliert ist und die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, ist diese Therapieform allgemein doch noch relativ unbekannt“, sagt Prof. Dr. Andreas Horn, Leiter einer Forschungsgruppe zu netzwerkbasierter Hirnstimulation, die sowohl an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie am Charité Campus Mitte als auch am Brigham & Women’s Hospital und Massachusetts General Hospital innerhalb der Harvard Medical School in Boston, USA, angesiedelt ist. „Die THS wirkt bei Parkinson sehr gut, und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten verbessert sich signifikant.“ Alzheimer gehört wie Parkinson zu den neurodegenerativen Erkrankungen, eine mögliche therapeutische Anwendung der THS wäre daher naheliegend. Doch für eine sichere und wirksame Behandlung müssen die zu stimulierenden Zielregionen im Gehirn ganz genau bekannt sein. Ausgangspunkt der aktuellen Studie, die neben anderen Kooperationspartnern in enger Zusammenarbeit mit der Universität Toronto, Kanada, entstand, war eine Zufallsbeobachtung im Rahmen einer kanadischen Untersuchung. „Die Tiefe Hirnstimulation löste bei einem Patienten, der aufgrund einer Adipositas behandelt wurde, Flashbacks – also plötzliche Erinnerungen aus Kindheit und Jugend – aus“, sagt Dr. Ana Sofía Ríos von der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie am Charité Campus Mitte und Erstautorin der Studie. „Da lag die Vermutung nahe, dass sich die stimulierte Hirnregion, die sich im Bereich des sogenannten Fornix befand, womöglich auch für eine Behandlung von Alzheimer eignen könnte.“  Um dem nachzugehen, implantierten Forschende an sieben internationalen Zentren im Rahmen einer weiteren multizentrischen Studie bei an leichtem Alzheimer erkrankten Teilnehmenden Elektroden in diesem Bereich des Fornix. „Bei den meisten Patientinnen und Patienten zeigte sich leider keine Verbesserung der Alzheimer-Symptomatik. Doch einige wenige Studienteilnehmende profitierten deutlich von der Behandlung“, sagt Dr. Ríos. „Wir wollten herausfinden, wie dieser Unterschied zustande kam und verglichen dafür die genaue Position der Elektroden zwischen den Studienteilnehmenden.“  Die Forschungsgruppe um Prof. Horn hat sich darauf spezialisiert, hochaufgelöste Bilder des Gehirns, die mithilfe der Kernspintomographie aufgenommen werden, zu analysieren und in Kombination mit Computermodellen die optimalen Stimulationspunkte für eine THS im Gehirn hochpräzise aufzuspüren. „Eine besondere Herausforderung dabei ist: Jedes Gehirn ist anders. Und das spielt bei der Implantierung der Elektroden eine große Rolle“, sagt Prof. Horn. „Liegt man nur wenige Millimeter daneben, bleibt der erwartete Effekt unter Umständen aus.“ Auch bei dem Großteil der Studienteilnehmenden war das der Fall. Das Forschungsteam um Prof. Horn konnte aber bei denjenigen Alzheimer-Patient:innen, bei denen die THS anschlug, die genaue Position der Elektroden anhand der Bilddaten im Nachgang exakt bestimmen. „Sie liegt an einer Zweigstelle zwischen zwei Nervenfaserbündeln – dem Fornix und der Stria terminalis –, die tiefgelegene Hirnregionen miteinander verbinden. Beide Strukturen werden mit der Gedächtnisfunktion in Verbindung gebracht“, erklärt der Neurowissenschaftler.  Bis die THS für die Behandlung von Alzheimer zugelassen und eingesetzt werden kann, sind noch weiterführende klinische Studien nötig. Die Ergebnisse des Forschungsteams um Prof. Horn stellen dafür eine wichtige Grundlage dar. „Wenn unsere Daten dabei helfen, dass die Elektroden im Rahmen neurochirurgischer Studien zur Erprobung der THS bei Alzheimer zielgenauer platziert werden können, wäre das großartig“, sagt Prof. Horn. „Denn für Alzheimer benötigen wir dringend eine wirksame und symptomlindernde Therapie, um den Patientinnen und Patienten helfen zu können – die THS ist dafür ein vielversprechender Ansatz.“  In künftigen Forschungsarbeiten wird das Team um Prof. Horn weitere Netzwerke von Nervenzellen im Gehirn untersuchen und präzisieren, die für mögliche Therapien von Demenzerkrankungen relevant sein könnten. Dabei werden sich die Forschenden unter anderem Bereiche mit Hirnschädigungen genauer anschauen und neben Zielorten für die THS auch solche für andere Verfahren der Neurostimulation in ihre Untersuchungen einbeziehen.
Veröffentlicht am 14.12.2022 um 09:30:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Die Schwelle zur Krankheit verstehen

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und des Max Delbrück Centers Was wäre, wenn Krankheiten gar nicht erst entstünden? Wie genau verläuft der Übergang von Gesundheit zu Krankheit? Was sagen uns entzündliche Vorboten von Erkrankungen? Und wie beeinflussen Ernährung und Darmmikrobiom zusammen das Immunsystem? Unter der Leitung von Forschenden der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max Delbrück Centers suchen Teams in Deutschland und mehreren europäischen Ländern nach Strategien der Gesunderhaltung sowie nach Möglichkeiten, Krankheiten frühzeitig zu erkennen. Die Europäische Union fördert das Projekt IMMEDIATE in den kommenden vier Jahren mit mehr als sieben Millionen Euro. Am Anfang vieler organischer Krankheiten steht eine chronische Entzündung. Was bei diesem Übergang von gesund zu krank auf molekularer Ebene im Körper passiert, ist jedoch weitgehend unbekannt. Mit dem Vorhaben namens IMMEDIATE wollen europäische und israelische Forschende das im Verborgenen ablaufende Geschehen nun näher beleuchten und herausfinden, inwieweit es sich durch die Ernährung und das Mikrobiom des Darms so verändern lässt, dass sich Erkrankungen gar nicht erst entwickeln. Die Bezeichnung IMMEDIATE steht für „Imminent Disease Prediction and Prevention at the Environment Host Interface“, übersetzt „Unmittelbare Krankheitsvorhersage und -prävention an der Schnittstelle zwischen Umwelt und Wirt“. Um individuelle Krankheitsrisiken abschätzen und rechtzeitig eingreifen zu können, sollen im Zuge der Arbeiten messbare Indikatoren, sogenannte Biomarker, gefunden werden, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Friedemann Paul, Direktor des Experimental and Clinical Research Center (ECRC), eine gemeinsame Einrichtung von Charité und Max Delbrück Center: „Wir möchten zunächst die entzündlichen Prozesse, die der Fehlfunktion oder Schädigung eines Organs vorausgehen, besser verstehen. Außerdem wollen wir Biomarker identifizieren, anhand derer wir Prozesse nachweisen können, noch ehe es zu Krankheitssymptomen kommt.“ Hierfür werden die Forschenden unter anderem modernste Omics-Technologien anwenden und klinische Daten sowie Bioproben aus drei laufenden Beobachtungsstudien nutzen. „Dabei handelt es sich um die deutsche NAKO Gesundheitsstudie und um eine Kohorte von Patientinnen und Patienten der multizentrischen KTx360°-Studie an Transplantationszentren, denen eine Niere transplantiert und somit die Nierenfunktion neu gestartet wurde. Hinzu kommt eine spezifische israelische Kohorte“, so Privatdozentin Dr. Chotima Böttcher vom ECRC, die das Projekt mitkoordiniert. Mit umfangreichen Proteom-Analysen wird eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Tobias Pischon am Max Delbrück Center zu dem Vorhaben beitragen. Eine Vielzahl von Entzündungsmarkern will das Team bestimmen und Signaturen identifizieren, die mit Änderungen der Herz-Kreislauf- und Nierenfunktion sowie des Stoffwechsels in Zusammenhang stehen. Anschließend werden die Forschenden prüfen, ob sich diese Signaturen bei verschiedenen Erkrankungen ähneln oder voneinander unterscheiden. Parallel dazu wird sich unter der Leitung von Dr. Sofia Forslund eine Arbeitsgruppe am Max Delbrück Center und ECRC mit der Frage beschäftigen, ob ein bestimmter Darmkeim Entzündungen lindern kann. „Unser Ziel ist es, zu verstehen, wie und warum Interventionen wie eine bestimmte Ernährung oder die Gabe spezieller Mikrobiotika die Zusammensetzung des Darmmikrobioms verändern – und wie Stoffwechselprodukte der Mikroben das Immunsystem beeinflussen“, sagt Dr. Forslund. Dieses Wissen soll es zukünftig ermöglichen, Krankheiten zu verhindern und Gesundheit gezielt zu fördern. Das Team um Dr. Forslund wird die erforderlichen Infrastrukturen und Analysemethoden entwickeln, um die riesigen Mengen an Daten, die mit Omics-Technologien generiert werden, zu sammeln und mithilfe künstlicher Intelligenz auszuwerten. Weitere Forschende der Charité und Arbeitsgruppen am Campus Berlin-Buch sind an dem umfangreichen Analysevorhaben beteiligt, darunter die Gruppen „Proteomics“ um Dr. Philipp Mertins, „Metabolomik“ um Dr. Jennifer Kirwan, „Immun-mikrobielle Dynamiken bei kardiorenalen Erkrankungen“ um Dr. Nicola Wilck und die Clinical Research Unit von Dr. Anja Mähler. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen in einem weiteren Schritt in der Praxis erprobt werden. Dazu plant das IMMEDIATE-Konsortium eigene Interventionsstudien – etwa eine Untersuchung mit rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die in einem Krankenhaus arbeiten. „Da unsere Probandinnen und Probanden aufgrund ihres Jobs häufig viel Stress haben sowie meist unregelmäßig und eher ungesund essen, gehen wir davon aus, dass ihre Entzündungswerte erhöht sind“, vermutet Privatdozentin Böttcher. Die Forschenden wollen unter anderem herausfinden, ob sich durch die Gabe der entzündungshemmenden Mikrobe Akkermansia muciniphila sowohl die Biomarker als auch das Wohlbefinden der Probandinnen und Probanden zum Positiven verändern lassen. Helfen sollen dabei mobile Apps, die das IMMEDIATE-Team in Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen entwickelt hat. Diese geben Feedback und liefern Anleitungen, um erprobte gesundheitsfördernde Maßnahmen leichter ins eigene Leben zu integrieren – auf dass ihre Nutzerinnen und Nutzer bereits vor der Schwelle zur Krankheit stehenbleiben und umkehren.
Veröffentlicht am 13.12.2022 um 08:23:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Woher kam Omikron?

++++ Diese Studie wurde am 20.12.2022 zurückgezogen. Einzelheiten in der Pressemitteilung. ++++ Studie in Science entschlüsselt die Entstehung der SARS-CoV-2-Variante Vor einem Jahr wurde sie erstmals in Südafrika entdeckt: eine neue Variante von SARS-CoV-2, die später als Omikron bekannt wurde und sich in kürzester Zeit über den ganzen Erdball verbreitete. Bis heute ist unklar, wo und wann dieses Virus genau aufkam. Eine jetzt im Fachmagazin Science* veröffentlichte Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin mit afrikanischen Kooperationspartnern zeigt: Omikron-Vorläufer gab es auf dem afrikanischen Kontinent schon deutlich vor dem ersten Nachweis von Omikron. Demnach ist die Virusvariante schrittweise über mehrere Monate in verschiedenen Ländern Afrikas entstanden.  Seit Beginn der Pandemie verändert sich das Coronavirus. Den bisher größten Sprung in der Evolution von SARS-CoV-2 konnten Forschende vor einem Jahr beobachten, als eine Variante entdeckt wurde, die sich durch mehr als 50 Mutationen vom Erbgut des ursprünglichen Virus unterschied. Erstmals Mitte November 2021 bei einem Patienten in Südafrika nachgewiesen, erreichte die später als Omikron BA.1 bezeichnete Variante innerhalb weniger Wochen 87 Länder der Erde. Bis Ende Dezember 2021 hatte sie das zuvor dominierende Delta-Virus weltweit verdrängt.  Seither wird über den Ursprung dieser sich so rasant ausbreitenden Variante spekuliert. Diskutiert werden vorrangig zwei Hypothesen: Entweder sei das Coronavirus vom Menschen auf ein Tier übergesprungen und habe sich dort weiterentwickelt, bevor es als Omikron wieder einen Menschen infizierte. Oder das Virus habe in einem Menschen mit unterdrücktem Immunsystem für längere Zeit überdauert und sich dort verändert. Eine neue Auswertung von COVID-19-Proben, die schon vor der Omikron-Entdeckung in Südafrika gesammelt worden waren, widerspricht nun beiden Annahmen. Durchgeführt wurde die Analyse von einem internationalen Forschungsteam um Prof. Dr. Jan Felix Drexler, Wissenschaftler am Institut für Virologie der Charité und am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). Innerhalb des europäischen und panafrikanischen Netzwerks maßgeblich beteiligt waren die Universität Stellenbosch in Südafrika und das Referenzlabor für hämorrhagische Fieber in Benin. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelten zunächst einen speziellen PCR-Test, um die Omikron-Variante BA.1 spezifisch nachweisen zu können. Diesen wandten sie dann bei mehr als 13.000 Proben aus 22 Ländern Afrikas an, die zwischen Mitte 2021 und Anfang 2022 abgestrichen worden waren. Dabei fand das Forschungsteam Viren mit Omikron-spezifischen Mutationen bei 25 Menschen aus sechs verschiedenen Ländern, die bereits im August und September 2021 an COVID-19 erkrankt waren – also zwei Monate vor dem ersten Nachweis der Variante in Südafrika.  Um mehr über die Entstehung von Omikron herauszufinden, entschlüsselten die Forschenden zusätzlich bei rund 670 Proben das virale Erbgut. Durch eine solche Sequenzierung ist es möglich, neue Mutationen zu erkennen und auch unbekannte Viruslinien nachzuweisen. So entdeckte das Team mehrere Viren, die unterschiedlich starke Ähnlichkeiten mit Omikron aufwiesen, aber eben nicht identisch waren. „Unsere Daten zeigen, dass Omikron verschiedene Vorläufer hatte, die sich miteinander mischten und zur selben Zeit und über Monate hinweg in Afrika zirkulierten“, erklärt Prof. Drexler. „Das deutet auf eine graduelle Evolution der BA.1-Omikron-Variante hin, während der sich das Virus immer besser an die vorhandene Immunität der Menschen angepasst hat.“ Aus den PCR-Daten folgern die Forschenden darüber hinaus, dass Omikron zwar nicht allein in Südafrika entstand, dort aber als erstes das Infektionsgeschehen dominierte und sich dann innerhalb weniger Wochen von Süd nach Nord über den afrikanischen Kontinent ausbreitete. „Das plötzliche Auftreten von Omikron ist also nicht auf einen Übertritt aus dem Tierreich oder die Entstehung in einem immunsupprimierten Menschen zurückzuführen, auch wenn das zusätzlich zur Virusentwicklung beigetragen haben könnte“, sagt Prof. Drexler. „Dass wir von Omikron überrascht wurden, liegt stattdessen am diagnostischen blinden Fleck in großen Teilen Afrikas, wo vermutlich nur ein Bruchteil der SARS-CoV-2-Infektionen überhaupt registriert wird. Die Entwicklung von Omikron wurde also einfach übersehen. Deshalb ist es wichtig, diagnostische Überwachungssysteme auf dem afrikanischen Kontinent und in vergleichbaren Regionen des Globalen Südens jetzt deutlich zu stärken und den Datenaustausch weltweit zu erleichtern. Nur eine gute Datenlage kann verhindern, dass potenziell wirksame Eindämmungsmaßnahmen wie Reisebeschränkungen zum falschen Zeitpunkt ergriffen werden und damit mehr wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schaden anrichten als Gutes zu tun.“
Veröffentlicht am 01.12.2022 um 19:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Charité und Marburger Bund einigen sich auf Tarifvertrag

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Landesverband Berlin des Marburger Bunds haben nach intensiven Verhandlungen bis in die Morgenstunden des heutigen Tages eine Tarifeinigung erreichen können. Das Papier wird dem gemeinsamen Anspruch gerecht, bessere Arbeitsbedingungen und eine deutliche Lohnsteigerung für die Mitarbeitenden zu erreichen. Der Vorstand der Charité freut sich über die Einigung, da diese, insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Zahl von Patientinnen und Patienten in den Wintermonaten, einer stabilen und sicheren Krankenversorgung zugutekommen wird sowie qualitativ hochwertige Forschung und Lehre gewährleistet. Carla Eysel, Vorstand Personal und Pflege der Charité, freut sich über die Einigung: "Insbesondere bei der Arbeitszeitdokumentation können wir jetzt einen Paradigmenwechsel einleiten. Wir setzen in Zukunft im Geltungsbereich des Tarifvertrages auf Vertrauensarbeitszeit. Neben dieser für Universitätsklinika neuen Regelung der Vertrauensarbeitszeit, die dem Ansatz transformationaler Führung Rechnung trägt, ist es auch ein Schritt zum Bürokratieabbau, den wir gemeinsam anstreben." Die Einigung sieht vor, dass die Mitarbeitenden ab dem 1. Juli 2023 ihre Arbeitszeiten eigenständig und ohne zusätzliche Freigabe über das elektronische Zeiterfassungssystem dokumentieren werden. Für die Entlastung der Mitarbeitenden ist zudem wichtig, die Anzahl der Bereitschaftsdienste so zu verteilen, dass die Belastung der Einzelnen gemindert wird und für die Charité ein deutlicher Anreiz gesetzt wird, die Anzahl der Bereitschaftsdienste zu begrenzen. Um dies zu erreichen, konnte eine sachgerechte Lösung gefunden werden, die in gestaffelter Form für Bereitschaftsdienste, die über vier Bereitschaftsdienste im Monat hinausgehen, Zuschläge entstehen lässt.  Im Fokus der Verhandlungen standen auch die Teilzeitbeschäftigten, um lebensphasenorientiertes Arbeiten zu ermöglichen. "Das ist ein ganz wesentlicher Punkt der Einigung, um Mitarbeitenden in Zukunft ein attraktives Angebot machen zu können. Die Arbeitswelt ist auf vielen Ebenen im Umbruch. Gut ausgebildete und zufriedene Ärztinnen und Ärzte sind wesentlich für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit von Gesundheitsversorgern. Hier gehen wir einen wichtigen Schritt voran", betont Carla Eysel. Für die Teilzeitbeschäftigten wurden zwei neue Regelungen gefunden. Zum einen können zukünftig Bereitschaftsdienste von Teilzeitbeschäftigten nur noch im Verhältnis zu ihrer individuellen Arbeitszeit geleistet werden. Zum anderen bekommen auch Teilzeitbeschäftigte bei Überschreiten ihrer individuellen Arbeitszeit ab dem 1. Januar 2024 Überstundenzuschläge. Für die besonderen Belastungen im Jahr 2022 wurde eine Einmalzahlung von 3.800 Euro bei Vollzeitbeschäftigung und anteilig bei Teilzeitbeschäftigung vereinbart. Diese Einmalzahlung kann unter den Voraussetzungen der gesetzlichen Regelungen zum Belastungsausgleich im Jahr 2022 steuer- und sozialversicherungsfrei zur Auszahlung kommen. Weiter erhöhen sich die Tabellenvergütungen ab dem 1. Januar 2023 linear um 3,5 Prozent und ab dem 1. Juli 2023 um weitere 2,2 Prozent, also insgesamt um 5,7 Prozent bei einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2023. Darüber hinaus wurden verschiedenste Zuschlagsregelungen vereinbart.  Beide Parteien haben Zeit zur Annahme dieser Vereinbarung bis zum 5. Dezember 2022, so dass noch in diesem Jahr die Umsetzung beginnen kann.
Veröffentlicht am 30.11.2022 um 11:34:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Nasenhöhlenkrebs: KI ermöglicht Durchbruch in der Diagnostik

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und der LMU München Tumoren der Nase und der Nasennebenhöhle lassen sich nur schwer aufspüren und schwer diagnostizieren. Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Ludwig-Maximilians-Universität München haben nun eine Methode entwickelt, um diese Tumoren einer von vier Gruppen, mit jeweils unterschiedlicher Prognose, zuzuordnen. Hierzu werden chemische Modifikationen im Erbgut der Tumoren mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) analysiert, wie das Team im Fachmagazin Nature Communications* beschreibt. Tumoren in der Nasenhöhle und der Nasennebenhöhle beschränken sich zwar auf einen kleinen Raum, umfassen aber ein sehr breites Spektrum mit vielen Tumorarten. Sie sind schwer zu diagnostizieren, da sie oft kein spezifisches Muster oder Erscheinungsbild aufweisen. Besonders gilt dies für die sogenannten sinonasalen undifferenzierten Karzinome oder kurz SNUCs. Nun ist es einem Team um Prof. Dr. David Capper, Oberarzt und Wissenschaftler am Institut für Neuropathologie der Charité, sowie Dr. Philipp Jurmeister und Prof. Dr. Frederick Klauschen vom Pathologischen Institut der LMU gelungen, die Diagnostik entscheidend zu verbessern: Sie haben ein KI-Tool entwickelt, das auf der Basis chemischer DNA-Modifikationen Tumoren zuverlässig erkennt und die mit den bislang verfügbaren Methoden nicht unterscheidbaren SNUCs vier deutlich abgegrenzten Gruppen zuordnet. Dies könnte zu neuen Möglichkeiten für zielgerichtete Therapien führen. Chemische Modifikationen der DNA spielen bei der Regulation der Genaktivität eine entscheidende Rolle. Dazu gehört auch die DNA-Methylierung, bei der DNA-Bausteine mit einer zusätzlichen Methylgruppe versehen werden. Bereits in früheren Studien konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass das Methylierungsmuster des Erbguts für verschiedene Tumorarten charakteristisch ist, weil es auf die Ursprungszelle des Tumors zurückgeführt werden kann. „Darauf basierend haben wir nun die DNA-Methylierungsmuster von fast 400 Tumoren in Nasen- und Nasennebenhöhle erfasst“, sagt Prof. Capper, der auch Wissenschaftler im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Partnerstandort Berlin, ist. Dank einer umfangreichen internationalen Kooperation gelang es dem Forschungsteam, eine so große Probenzahl zusammenzutragen, obwohl diese Tumore selten sind und insgesamt nur etwa vier Prozent aller bösartigen Tumoren im Hals-Nasen-Bereich ausmachen. Für die Analyse der Methylierungsdaten entwickelten die Forschenden in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Machine Learning von Prof. Dr. Klaus-Robert Müller an der Technischen Universität Berlin und dem Berlin Institute for the Foundation of Learning and Data (BIFOLD) ein KI-Modell, das die Tumore verschiedenen Klassen zuordnet. „Methoden des maschinellen Lernens sind dabei aufgrund der großen Datenmenge unerlässlich“, sagt Dr. Jurmeister, Erstautor der Arbeit und ebenfalls DKTK-Wissenschaftler. „Um tatsächlich Muster zu erkennen, mussten wir in unserer Studie mehrere Tausend Methylierungspositionen auswerten.“ Dabei hat sich gezeigt, dass SNUCs in vier Gruppen eingeteilt werden können, die sich auch im Hinblick auf weitere molekulare Eigenschaften unterscheiden. Diese Ergebnisse sind klinisch relevant, da die unterschiedlichen Gruppen zu verschiedenen Prognosen führen. „Der Krankheitsverlauf bei einer Gruppe beispielsweise ist überraschend gut, obwohl die Tumoren unter dem Mikroskop sehr aggressiv aussehen“, sagt DKTK-Forscher Prof. Klauschen. „Eine andere Gruppe dagegen hat eine eher schlechte Prognose.“ Auf der Basis der molekularen Eigenschaften der einzelnen Gruppen könnten Forschende möglicherweise in Zukunft gezielte neue Therapieansätze entwickeln.
Veröffentlicht am 28.11.2022 um 09:32:50 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Wer wagt, gewinnt: ERC Starting Grants für Charité-Forschende

ERC Starting Grants gehören zu den höchsten europäischen Auszeichnungen. Erneut konnten sechs aufstrebende Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin, darunter Forschende mit Gruppen an Charité, Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), Max Delbrück Center und Deutschem Rheumaforschungszentrum (DRFZ), den Europäischen Wissenschaftsrat überzeugen. Ihre zukunftsgerichteten Vorhaben beschäftigen sich unter anderem mit der Frage, wie sich Krankheiten verhindern oder aber möglichst frühzeitig erkennen lassen. Auch wollen sie bestehende Therapieansätze, beispielsweise für Krebserkrankungen oder Herzschwäche, weiter voranbringen. Für den Aufbau der neuen Arbeitsgruppen stehen in den kommenden fünf Jahren jeweils rund 1,5 Millionen Euro des European Research Council (ERC) bereit. Es sind visionäre und grundlagenorientierte Ideen, die die ausgewählten Nachwuchsforscher verfolgen. Ihre Projekte sind mit Wagnis verbunden, zugleich bergen sie das Potenzial wissenschaftlich bedeutsamer Neuerungen in ihrem jeweiligen Feld. „Mit insgesamt drei Advanced Grants, zwei Consolidator Grants und sieben Starting Grants blickt die Charité auf ein herausragendes Jahr 2022 in den Förderlinien des ERC zurück“, sagt Prof. Dr. Christian Hagemeier, Prodekan für Forschung mit präklinischem Schwerpunkt an der Charité. „Das ist eine großartige Leistung der einzelnen Forschenden und eine Auszeichnung für die Charité als ein Standort, an dem bahnbrechende Forschung umgesetzt wird.“ Die neuen ERC Starting Grants im Einzelnen: Wie sich Leukämiezellen und Immunzellen begegnen – InteractOmics Leukämie oder auch Blutkrebs entsteht aus unreifen Immunzellen, die sich nicht mehr weiterentwickeln, sondern nur noch immerfort teilen und das Blut überschwemmen. Dort treffen sie auf reife und aktive Immunzellen, die sie entweder erkennen und abtöten oder aber entkommen lassen. Der Molekularbiologe Dr. Simon Haas leitet eine Nachwuchsgruppe im gemeinsamen Forschungsfokus Single-Cell-Ansätze für die personalisierte Medizin des BIH, der Charité und des Max Delbrück Centers. Er ist spezialisiert auf Einzelzellanalysen und möchte herausfinden, wovon es abhängt, wer in diesem Kampf gewinnt und warum die Immuntherapie mal gut funktioniert und mal nicht. „Wir können extrem gute Momentaufnahmen machen“, erklärt Dr. Haas. „Dabei sehen wir, welche Zellen in einem Gewebe vorhanden sind, welche Zellen zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiv sind, wie sie sich verändern oder welche Proteine sie produzieren. Das ist nützlich, wenn man wie wir wissen möchte, wie viele aktive Immunzellen im Blut auf wie viele Leukämiezellen treffen.“ Um die Interaktion zwischen diesen Zellen besser zu verstehen, will Dr. Haas mit seinem Team die Methodik der Single-Cell-Analyse weiterentwickeln und statt einzelner Zelltypen Millionen von Zellpaaren untersuchen. Grundlage hierfür sollen Proben von Leukämiepatient:innen sein, denn das Fernziel ist es, die Immuntherapie weiterzuentwickeln, damit mehr Erkrankten geholfen werden kann. Weitere Informationen zur AG Haas Gefäßfehlbildungen erkennen und individuell behandeln – PREVENT Angeborene Fehlbildungen der Blut- und Lymphgefäße, sogenannte Gefäßmalformationen, zählen zu den Seltenen Erkrankungen. Sie können in allen Körperregionen vorkommen und Haut, Muskeln oder Organe betreffen. Mal sind es kleinere Blutgefäßerweiterungen, mal können ganze Extremitäten oder Organe in Mitleidenschaft gezogen sein. Einige der Betroffenen haben keine bis leichte Beschwerden, in anderen Fällen können die Fehlbildungen zu lebensgefährlichen Erkrankungen führen. Dr. Dr. René Hägerling ist Arzt und Wissenschaftler am Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik der Charité. Er leitet die Abteilung Lymphovaskuläre Medizin und Translationale 3D-Histopathologie im BIH und ist Fellow des BIH Charité Clinician Scientist Programms. „Das Wissen über Gefäßmalformationen ist sehr begrenzt, sodass Betroffenen trotz der Schwere und Voranschreiten des Krankheitsbildes oft keine eindeutige Diagnose gegeben oder Heilung ermöglicht werden kann“, sagt der Mediziner. „Inspiriert durch die Präzisionsmedizin in der Onkologie haben wir ein Versorgungskonzept entworfen, das auf Basis personalisierter Medizin eine bessere Behandlung bietet.“ Neuartige 3D-histologische und molekulargenetische Verfahren sollen künftig zur Aufklärung der Krankheitsursache beitragen. Zusätzliche Screenings ermitteln individuell, welche pharmakologischen Therapien sinnvoll sind. Das Team um Dr. Hägerling ist davon überzeugt, dass ein solches Konzept auch auf andere Seltene Erkrankungen übertragbar ist und die Versorgung insgesamt verbessert. Weitere Informationen zur AG Hägerling Der Dialog zwischen Stroma- und Immunzellen im Darm – iMOTIONS Intestinale Fibrose, eine Verhärtung von Gewebeteilen des Darms, ausgelöst durch eine krankhafte Vermehrung des Bindegewebes, ist eine häufige und schwerwiegende Komplikation bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Bisher gibt es kein spezifisches Medikament, das die Vernarbung verhindern oder rückgängig machen könnte. Stromazellen, Zellen, die ein Organ wie den Darm stützen und versorgen, haben eine zentrale Rolle beim Entstehen von Fibrose. Wie Signale des Immunsystems aber die Bildung des faserigen Bindegewebes steuern, darüber ist bis heute nur wenig bekannt. Lichtenberg-Professor Dr. Dr. Ahmed N. Hegazy arbeitet an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie am Charité Campus Benjamin Franklin. Daneben leitet er eine Liaison-Arbeitsgruppe an der Charité und am Leibniz-Institut Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ), die sich intensiv mit Entzündungsmechanismen auseinandersetzt. Mit seinem Team möchte Prof. Hegazy nun den Ursachen der gestörten Gewebereparatur auf die Spur kommen. „Derartige Gewebeveränderungen sind bei chronischen Darmentzündungen weit verbreitet, gleichzeitig haben die verfügbaren entzündungshemmenden Therapien nur wenig Einfluss auf eine Fibrose“, erklärt Prof. Hegazy. „Wir wollen neue Biomarker finden, die helfen, Patient:innen mit dem Risiko einer Darmfibrose zu erkennen und basierend auf unseren Erkenntnissen Behandlungen finden, die fibrotische Erkrankungen verhindern oder helfen, sie zu therapieren.“ Zytokine, Botenstoffe, die bei einer Reaktion des Immunsystems gebildet werden, sollen im Zentrum der aktuellen Forschung stehen. Es gilt nun den Dialog, den Austausch zwischen Stroma- und Immunzellen in der Darmschleimhaut zu verstehen – unter gesunden Bedingungen, bei Entzündungen und einer abnormalen Gewebereparatur. Weitere Informationen zur AG Hegazy Der Botenstoff Dopamin und die menschliche Bewegung – ReinforceBG Mehr als sechs Millionen Menschen weltweit leiden unter den Symptomen des Parkinson Syndroms. Verlangsamte Bewegung, Zittern, steife Muskeln, unsichere Haltung, das sind nur einige von ihnen. Der Neurowissenschafter Prof. Dr. Wolf-Julian Neumann will die Behandlung der irreversiblen Erkrankung und anderer neurologischer Bewegungsstörungen voranbringen. Dabei setzt er auf die Schlüsselrolle von Dopamin, einem zentralen Botenstoff im Gehirn. Dieser ist entscheidend an der Steuerung von tierischem und menschlichem Verhalten beteiligt. „Wir wollen ein neues, ganzheitliches Verständnis der Rolle von Dopamin für Bewegung und Koordination schaffen“, erklärt Prof. Neumann, Projektleiter an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité. „Vor allem aber für die Behandlung des Parkinson Syndroms hat unser Vorhaben klinische Bedeutung. Denn die Erkrankung löst eine Degeneration genau der Nervenzellen aus, die das Dopamin im Gehirn freisetzen.“ Hirnaktivitätsmessungen und modernste neurotechnologische Ansätze sollen dabei helfen, den Botenstoff und sein Wirken besser zu verstehen. Das gewonnene Wissen kann zur Entwicklung spezieller Implantate zur Hirnstimulation beitragen und zu einer neuen Generation von Brain-Computer-Interfaces führen. Diese könnten in der Zukunft die Funktion von verlorenen Nervenzellen ersetzen und so die Beschwerden bei Patient:innen lindern. In enger Zusammenarbeit mit den Kliniken für Neurologie und Neurochirurgie der Charité ergründet die Gruppe um Prof. Neumann, wie die typischen Krankheitszeichen entstehen. Weitere Informationen zur Arbeit von Prof. Neumann Den Herzstoffwechsel neu starten – KetoCardio Eine besondere Form der Herzschwäche, die Herzinsuffizienz mit konservierter Auswurfleistung – kurz HFpEF (kurz für: heart failure with preserved ejection fraction), wird voraussichtlich in den kommenden Jahren zur häufigsten Form der Herzschwäche. Die Pumpkraft des Herzens ist nicht wesentlich beeinträchtigt, dafür aber seine Dehnbarkeit. So kann der Herzmuskel nicht genug Blut aufnehmen, um den Körper ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Betroffene sind weniger belastbar, lagern Wasser in Lunge und übrigem Körper ein, werden kurzatmig. Über die molekularen Mechanismen der Krankheit ist wenig bekannt, Medikamente dagegen gibt es kaum. Dr. Gabriele G. Schiattarella leitet eine Arbeitsgruppe an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie der Charité und die vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) geförderte Gastgruppe Translationale Ansätze bei Herzinsuffizienz und kardiometabolischen Erkrankungen am Max Delbrück Center. Mit seinem Team hat er herausgefunden, dass bei dieser Form der Herzschwäche der Keton-Spiegel erhöht ist. Ketone sind Abbauprodukte des Fettstoffwechsels. Sie entstehen, wenn Körperzellen nicht ausreichend Glukose erhalten – etwa beim Fasten oder beim Sport – und der Körper Fett statt Glukose verbrennt. Ihren Energiebedarf decken die Zellen dann mit Ketonen. Dr. Schiattarella möchte herausfinden, was den Keton-Stoffwechsel bei HFpEF ankurbelt und warum. Außerdem will er klären, ob und wie Ketone, insbesondere das häufigste Keton namens β-Hydroxybutyrat (β-OHB), Prozesse in den Herzmuskelzellen regulieren und so beispielsweise ihre Elastizität beeinflussen. Das Ziel sind therapeutische Strategien, um den Keton-Spiegel bei HFpEF weiter zu erhöhen – sei es durch eine besondere Ernährung, ein spezielles Training oder Medikamente. Weitere Informationen zur AG Schiattarella Erkrankungen des Darms verhindern, bevor sie entstehen – REVERT Magen und Darm sind einer Vielzahl äußerer Einflüsse ausgesetzt. Daher sind sie mit einer schützenden Innenwand ausgekleidet, die sich fortwährend regeneriert, dem Epithel. Prof. Dr. Michael Sigal ist Arzt und Wissenschaftler an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie der Charité und am Max Delbrück Center. Ihn beschäftigen insbesondere Stammzellen, die für die kontinuierliche Erneuerung eben jener Barriere zwischen Körper und Umwelt verantwortlich sind. Eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe unter seiner Leitung erforscht, wodurch diese Stammzellen möglicherweise geschädigt werden, und wie die Schäden zum Entstehen infektiöser und entzündlicher Erkrankungen oder auch Krebs beitragen. Das Team konnte bereits zeigen, dass eine Verletzung der Darmschleimhaut zu einer neuen Aufgabenteilung führt. Stammzellen, die sich geschützt, tief im Inneren der Schleimhaut befinden, sterben ab und werden von ausdifferenzierten Zellen der Oberfläche ersetzt. Diese werden zu Stammzellen reprogrammiert und beginnen sich zu teilen, um so die Schleimhaut neu aufzubauen. Zwar verhindert dieser Regenerationsprozess, dass nach einer Verletzung Bakterien aus dem Darm in die Blutbahn gelangen. Jedoch vermutet Prof. Sigal, dass darin auch der erste Schritt für das Entstehen von Darmkrebs liegt: „Zellen an der Oberfläche des Epithels kommen mit dem Mikrobiom, also den im Darm lebenden Bakterien, und ihren Stoffwechselprodukten in Berührung, die mitunter DNA-Schäden auslösen können. Werden sie zu Stammzellen, können sich Mutationen im Epithel festsetzen und die komplexen Prozesse, die normalerweise für ein Gleichgewicht zwischen Zellteilung und Ausdifferenzierung sorgen, durcheinanderbringen – ein Vorstadium der Krebsentwicklung.“ In den kommenden fünf Jahren will er nun aufklären, wie sich das Gewebe des Magen-Darm-Trakts nach einer Schädigung verändert. Wissen, das als Grundstein für die Entwicklung ursachengerichteter Therapien entzündlicher Darmkrankheiten dient und zur Prävention von Darmkrebs beitragen soll. Weitere Informationen zu Prof. Sigal
Veröffentlicht am 22.11.2022 um 10:29:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Charité startet erste klinische Studien bei Post COVID und Chronischem Fatigue-Syndrom

Das Post-COVID-Syndrom (PCS) kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, geht aber meist mit schwerer Erschöpfung einher. Ein Teil der Betroffenen leidet an der myalgischen Enzephalomyelitis/dem Chronischen Fatigue-Syndrom, kurz ME/CFS. Das Wissen über gezielte Therapien zu beiden Krankheitsbildern steckt noch in den Kinderschuhen. Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben jetzt eine Nationale Klinische Studiengruppe gegründet, um erste klinische Studien mit Arzneimitteln zur Behandlung von PCS und ME/CFS durchzuführen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund zehn Millionen Euro gefördert. Etwa jeder Zehnte leidet nach einer leichten bis mittelschweren COVID-19-Erkrankung unter anhaltenden Beschwerden, darunter häufig schwere Erschöpfung und Belastungsintoleranz. Halten diese Symptome mehr als vier Wochen an, spricht man von Long COVID. Als Post-COVID-Syndrom hat die Weltgesundheitsorganisation WHO Symptome definiert, die das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen und mehr als drei Monate andauern. Am häufigsten sind junge, bis dahin gesunde Frauen betroffen. Wie eine aktuelle Studie der Charité zeigt, entwickelt ein Teil der PCS-Patient:innen ME/CFS – eine komplexe Erkrankung mit unterschiedlich ausgeprägten körperlichen und geistigen Symptomen, darunter Schwäche und Erschöpfung (Fatigue), Belastungsintoleranz, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen sowie Muskel- und Kopfschmerzen. ME/CFS wird in vielen Fällen durch eine Infektionskrankheit ausgelöst. Bereits vor der Coronapandemie litten in Deutschland schätzungsweise 250.000 Menschen darunter. „Bislang wissen wir leider noch zu wenig über die genauen Krankheitsmechanismen von ME/CFS und dem Post-COVID-Syndrom. Deshalb existieren auch keine gezielten medizinischen Behandlungen. Entsprechend sind viele Betroffene fortwährend krank und nicht mehr in der Lage, ihren Beruf auszuüben oder ihre Familie zu versorgen. Die Schwerstkranken sind bettlägerig“, sagt Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, kommissarische Direktorin des Instituts für Medizinische Immunologie der Charité. Unter ihrer Leitung haben sich Ärzt:innen und Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Fachrichtungen und mehrerer Universitäten in einer Nationalen Klinischen Studiengruppe (NKSG) zusammengeschlossen. Diese möchte erste klinische Studien mit Arzneimitteln und medizinischen Verfahren für PCS und ME/CFS anstoßen und durchführen. Ziel ist es, wirksame Therapieansätze zur Zulassung zu bringen, damit sie allen Patient:innen zur Verfügung stehen. Der Schwerpunkt liegt auf der Verwendung von Arzneimitteln, die bereits für andere Krankheiten verfügbar sind, um einen schnellen Fortschritt in der Behandlung zu erreichen. Prof. Scheibenbogen erklärt: „Klinische Studien vorzubereiten und durchzuführen, ist inzwischen sehr aufwendig und teuer. Mit dem Charité-BIH Clinical Study Center unter Leitung von Dr. Susen Burock haben wir einen großartigen Partner mit viel Expertise an unserer Seite.“ Die Studiengruppe wird zunächst drei Gruppen von Medikamenten untersuchen. Sie richten sich gegen Entzündungen, Durchblutungsstörungen und Autoantikörper – das sind Antikörper, die bestimmte körpereigene Proteine angreifen. Außerdem werden alle klinischen Studien von einem umfassenden Biomarker- und Diagnostik-Programm begleitet, denn bislang gibt es noch keine spezifischen diagnostischen Tests für ME/CFS oder PCS. So möchten die Forschenden die Prozesse der Krankheiten noch besser verstehen und herausfinden, welche Faktoren für die Wirksamkeit der Medikamente relevant sind. „Zunächst werden wir nur Patientinnen und Patienten in unsere Studie aufnehmen können, die an unseren Beobachtungsstudien teilnehmen oder die wir bereits aus unserer Hochschulambulanz kennen“, beschreibt Prof. Scheibenbogen den konkreten Ablauf. „In einem nächsten Schritt möchten wir dann größere Studien an verschiedenen Kliniken in Deutschland durchführen und dafür mit der pharmazeutischen Industrie zusammenarbeiten, natürlich auch für die Prüfung weiterer aussichtsreicher Medikamente.“
Veröffentlicht am 10.11.2022 um 09:42:56 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Bessere Mukoviszidose-Behandlung ist Science Breakthrough of the Year

Die Falling Walls Foundation hat die Forschungsleistung von Prof. Dr. Marcus Mall von der Charité – Universitätsmedizin Berlin als Science Breakthrough of the Year 2022 im Bereich Lebenswissenschaften ausgezeichnet. Dem Direktor der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin ist es zusammen mit seinem Team und internationalen Partnern gelungen, die Behandlung der noch immer unheilbaren Erbkrankheit Mukoviszidose durch einen neuen, ursächlich wirkenden Therapieansatz erheblich zu verbessern. Diesen wissenschaftlichen Durchbruch stellt Prof. Mall am 9. November im Rahmen des Falling Walls Science Summit in Berlin vor.  Mukoviszidose ist eine der häufigsten tödlich verlaufenden Erbkrankheiten weltweit. Das Leiden wird in der europäischstämmigen Bevölkerung bei etwa einem von 2.500 bis 3.000 Kindern diagnostiziert. Ein Gendefekt führt bei den Betroffenen zu einem fortschreitenden Verlust der Lungenfunktion und Atemnot, was ihre Lebenserwartung trotz verbesserter Behandlung der Symptome noch immer deutlich senkt. Prof. Mall hat mit seiner Arbeit maßgeblich dazu beigetragen, den Krankheitsmechanismus der Mukoviszidose zu entschlüsseln und die erste hochwirksame, ursächlich wirkende Therapie zu entwickeln: Seit August 2020 ist in Europa eine Kombination aus drei sogenannten CFTR-Modulatoren erhältlich, die die Lungenfunktion und Lebensqualität von Patientinnen und Patienten mit dem häufigsten Gendefekt F508del spürbar verbessert. Die Therapie kommt damit für knapp 90 Prozent der Mukoviszidose-Betroffenen infrage. Seit Anfang 2022 kann die Dreifachtherapie schon bei Kindern ab 6 Jahren eingesetzt werden. „Dass wir Mukoviszidose-Betroffene nun nicht mehr nur symptomatisch behandeln, sondern die zugrundeliegende Fehlfunktion therapieren können, ist ein Meilenstein in der Behandlung dieser schwerwiegenden Erbkrankheit. Ich freue mich sehr, dass die Jury der Falling Walls Foundation diesen großartigen Fortschritt anerkennt“, betont Prof. Mall. Der Lungenexperte leitet auch das Christiane Herzog Mukoviszidose-Zentrum der Charité. „Mein Ziel ist es, Mukoviszidose von einer tödlichen zu einer behandelbaren Krankheit zu machen. Aktuell arbeiten wir darauf hin, die Wirkstoffkombination so früh wie möglich im Kindesalter einsetzen zu können, um so in Zukunft hoffentlich selbst frühe Schäden der Lunge und anderer Organe zu verhindern.“  Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, beglückwünscht den Preisträger: „Ich gratuliere Prof. Mall zu dieser Auszeichnung. Seine Forschung hat in der Tat zu einem beispiellosen Durchbruch für Mukoviszidose-Patienten geführt und ich freue mich, dass dies von der Jury gewürdigt wurde. Die Arbeit von Prof. Mall ist ein hervorragendes Beispiel für erfolgreiche Translation aus dem Labor bis hin zum Krankenbett.“  Prof. Mall wird die Fortschritte in der Behandlung der Mukoviszidose am Mittwoch, den 9. November, auf dem Falling Walls Science Summit vorstellen, der als hybride Veranstaltung im Rahmen der Berlin Science Week stattfindet. Interessierte können von 12:30 bis 12:55 Uhr in dem interaktiven Format „Breakthrough Conversations“ direkt mit dem Preisträger in Gespräch kommen und von 15:05 bis 15:20 Uhr dem auf Englisch gehaltenen Vortrag von Prof. Mall online beiwohnen. Die Online-Veranstaltung ist kostenfrei, Voraussetzung ist eine Registrierung.  Die Falling Walls Foundation verleiht den Titel „Science Breakthrough of the Year“ jährlich an je ein Forschungsprojekt in den zehn Kategorien Lebenswissenschaften, Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Technologie, Sozial- und Geisteswissenschaften, Kunst und Wissenschaft, Lernen der Zukunft, Wissenschaft und Innovationsmanagement, Science Start-ups, Science Engagement und Emerging Talents. Im Bereich Lebenswissenschaften werden international anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgezeichnet, die in ihrem Fachgebiet führend sind und mit ihrer bahnbrechenden Arbeit zur Lösung der größten Herausforderungen der Welt beitragen – also im übertragenen Sinn eine Mauer in Wissenschaft und Gesellschaft zum Fallen bringen. In diesem Jahr kürte die Jury die Gewinner aus mehr als 1.000 Projekten, die aus 105 Ländern eingereicht wurden.
Veröffentlicht am 07.11.2022 um 08:30:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Charité und Sheba Medical Center unterzeichnen Kooperationsvertrag

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin und das Sheba Medical Center in Israel haben in dieser Woche in Ramat Gan in der Nähe von Tel Aviv ein Memorandum of Understanding unterzeichnet. Beide Institutionen vereinbaren darin eine strategische wissenschaftliche und akademische Zusammenarbeit. Im Mittelpunkt steht die Förderung von medizinischen Innovationen durch den Austausch von Informationen und die Kooperation mit Start-ups sowie gemeinsame Forschung. Dazu gehören unter anderem der Austausch im Bereich der Neurowissenschaften und der Radiologie sowie die gegenseitige Unterstützung bei der Erforschung von Long COVID. Darüber hinaus wird die telemedizinische Versorgung ein Schwerpunktthema sein.  Anlässlich der Unterzeichnung erklärt Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité: „Die Charité freut sich sehr, eine enge Partnerin des Sheba Medical Centers zu werden. Unsere Delegationsreise im Juni 2022 war der Auftakt für den beidseitigen Wunsch, enger zusammenzuarbeiten. Das Sheba Hospital hat insbesondere während der Pandemie viele gute Beispiele geliefert, wie neue Technologien und die Zusammenarbeit mit Industriepartnern für die Verbesserung der Krankenversorgung genutzt werden können.“    Prof. Yitshak Kreiss, Vorstandsvorsitzender des Sheba Medical Center, ergänzt: „Unsere strategische Vereinbarung mit der Charité ist wichtig, weil wir sowohl Exzellenz als auch Professionalität betonen und schätzen. Der Wunsch von Sheba, mit führenden europäischen Institutionen zusammenzuarbeiten, ist auch wichtig, um die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland zu stärken, insbesondere im Bereich des Gesundheitswesens. Wir alle wissen, dass wir alle vor den gleichen Herausforderungen stehen und in der Charité haben wir einen echten Partner gefunden, damit wir gemeinsam an innovativen Lösungen arbeiten können, um die Zukunft der Patientenversorgung zu verbessern."
Veröffentlicht am 03.11.2022 um 09:21:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Forschungsteam entdeckt zentrale Funktionen von Zellen des angeborenen Immunsystems

Entzündungen und vermehrte Schleimproduktion sind typische Symptome bei Wurmerkrankungen und Allergien. An dieser Immunantwort sind angeborene Immunzellen beteiligt, deren genaue Funktionen noch nicht vollständig verstanden sind. Welche zentralen Aufgaben sie erfüllen, hat ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin nun aufgedeckt. In der im Fachmagazin Nature* veröffentlichten Studie zeigen die Forschenden zudem mögliche Therapieansätze für die Behandlung von Allergien auf. Das menschliche Immunsystem besteht aus zwei miteinander verzahnten Teilen. Es gibt zum einen das erworbene Immunsystem, das mit jeder Infektion etwas hinzulernt und sich im Laufe des Lebens stetig weiterentwickelt. Und zum anderen das angeborene Immunsystem, das zwar weniger spezialisiert ist, dafür aber besonders schnell und effektiv reagiert. Die Zellen des angeborenen Immunsystems sind in den Schleimhäuten der Atemwege und des Darms verortet und bilden so bereits an der Eintrittspforte für Erreger das erste wirksame Abwehrschild. Dazu gehören unter anderem die sogenannten angeborenen Lymphozyten der Gruppe 2 (kurz: ILC2), die etwa bei Parasitenerkrankungen im Darm oder bei Allergien in den Atemwegen aktiv sind.  „Die angeborenen Lymphozyten wurden vor rund zehn Jahren entdeckt. Man hat schon viel über sie herausfinden können, doch ihre genaue Funktion im Getriebe des Immunsystems ist noch nicht in Gänze verstanden“, sagt Dr. Christoph Klose, der am Institut für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Regulation von Typ-2-Immunantworten durch Neuropeptide und Neurotransmitter“ leitet. „Da eine Gruppe von Immunzellen des erworbenen Immunsystems – und zwar die T-Zellen – im Rahmen der Typ-2-Immunantwort teilweise ähnliche Funktionen übernehmen, dachte man bislang, dass die Rolle der ILC2 womöglich redundant und durch die T-Zellen problemlos ersetzbar wäre.“ Das konnte das Forschungsteam um Dr. Klose in der nun veröffentlichten Studie aber widerlegen. Mit einem Tiermodell sowie modernen molekularen Methoden wie etwa der Einzelzell-Sequenzierung, mit deren Hilfe in einzelne Zellen hineingezoomt und ihr molekularer Zustand analysiert werden kann, haben die Wissenschaftler:innen zentrale Funktionen von ILC2 aufgedeckt. „Eine bestimmte Gruppe von Immunzellen – sie heißen Eosinophile – konnte sich in Abwesenheit von ILC2 nicht entwickeln. Dieser Zusammenhang war bislang unbekannt und hat uns wirklich überrascht“, sagt Dr. Klose. Eosinophile sind Zellen, die Entzündungsprozesse in Geweben steuern. Neben ihrer Bedeutung für Eosinophile haben ILC2 eine entscheidende Wirkung auf Epithelzellen, um die Schleimproduktion zu fördern und Parasiten wie etwa Würmer aus dem Körper auszuschwemmen. „Das Fehlen von ILC2 machte sich in unseren Untersuchungen zur Immunantwort bei Wurminfektionen deutlich bemerkbar. Die Schleimproduktion im Gewebe fand nur noch eingeschränkt statt, und die Parasiten konnten nicht mehr effektiv bekämpft werden“, resümiert Dr. Klose die Studienergebnisse.  In weiteren Versuchsansätzen, in denen die Forschenden die Symptome von allergischem Asthma untersuchten, besserten sich diese in Abwesenheit von ILC2. „Hier könnten zukünftige Studien ansetzen, um mögliche Therapien zur Behandlung von Allergien zu entwickeln“, sagt Dr. Klose. „Mit unserer Studie konnten wir zeigen, dass die angeborenen Lymphozyten der Gruppe 2 essenzielle Zahnräder im Getriebe des Immunsystems und im Sinne einer effektiven Immunantwort nicht zu ersetzen sind.“ In künftigen Forschungsprojekten möchte Dr. Klose mit seinem Team untersuchen, ob die angeborenen Lymphozyten womöglich noch weitere Bereiche der Immunantwort regulieren.
Veröffentlicht am 02.11.2022 um 14:03:34 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Tarifverhandlungen von Charité und Marburger Bund fortgesetzt

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin und die Ärztegewerkschaft Marburger Bund haben nach dem Warnstreik am 5. Oktober erneut Gespräche aufgenommen und die Forderungen der Tarifkommission des Marburger Bundes in mehreren Terminen intensiv diskutiert. Der Vorstand der Charité hat ein großes Interesse daran, die Arbeitsbedingungen für die Ärztinnen und Ärzte der Universitätsmedizin zukunftsfest zu machen. Die Forderungen zur Entgelterhöhung sowie zu Zuschlägen für Nachtarbeit und Bereitschaftsdienste werden weitgehend akzeptiert. Darüber hinaus hat die Charité ein zusätzliches Paket mit Angeboten zu Arbeitszeit und Entlastung, Fort- und Weiterbildung, Entbürokratisierung und Gleichstellung vorgelegt, das über die vom Marburger Bund gekündigten Inhalte des Tarifvertrages sogar noch hinausgeht. Die wichtigsten Punkte im Überblick: 1.    Entgelterhöhung Die Charité bietet eine Entgelterhöhung um 4,5 Prozent in drei Stufen rückwirkend ab dem 1. April 2022. Der Marburger Bund fordert eine lineare Erhöhung um 6,9 Prozent rückwirkend ab dem 1. April 2022. 2.    Zuschläge für Nachtarbeit und Bereitschaftsdienste Die Charité kommt der Forderung nach Erhöhung auf 25 Prozent Zuschlag für Nachtarbeit nach.  Weiterhin akzeptiert die Charité die geforderte Erhöhung der Zuschläge auf 25 Prozent für Bereitschaftsdienste in den Nachtstunden sowie an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen.  Bei mehr als neun Bereitschaftsdiensten in zwei Kalendermonaten bietet die Charité für jeden Bereitschaftsdienst, der darüber hinaus geleistet wird, 25 Prozent Zuschlag. 3.    Verlässliche Dienstplanung Um eine zuverlässige und familienfreundliche Dienstplanung zu ermöglichen, bietet die Charité eine Reihe von zusätzlichen Regelungen für die Ärztinnen und Ärzte der Universitätsmedizin. Dazu gehören beispielsweise: keine Dienste nach 21.00 Uhr vor einem freien Wochenende Lebensphasenorientierte Schichtmodelle sollen in Kliniken erprobt, begleitet und ausgewertet werden.  Im Geschäftsbereich Personal und Organisationsentwicklung sollen Vertrauenspersonen zum Thema Arbeitszeit für die Ärztinnen und Ärzte eingeführt werden. Die Charité setzt weiterhin auf konstruktive Gespräche mit dem Marburger Bund und auf eine baldige Einigung für verbesserte Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und Ärzte an der Universitätsmedizin. 
Veröffentlicht am 24.10.2022 um 09:45:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

World Health Summit gemeinsam mit der WHO

Der World Health Summit und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) laden erstmals gemeinsam zum weltweit führenden Treffen für globale Gesundheit in Berlin ein. Vom 16. bis 18. Oktober diskutieren internationale Expertinnen und Experten, darunter auch aus der Charité – Universitätsmedizin Berlin, über Themen der globalen Gesundheitsversorgung. Die digitale Teilnahme am gesamten Programm ist frei. Prof. Dr. Axel Radlach Pries, Präsident des World Health Summit und Dekan der Charité, erklärt: „Der diesjährige World Health Summit gemeinsam mit der WHO erzeugt eine neue Sichtbarkeit für die Themen der globalen Gesundheit und die Chance, innovative Ansätze, die für die Versorgung der Menschen weltweit von großer Bedeutung sind, auf den Weg zu bringen. Der World Health Summit bietet uns eine wichtige Gelegenheit zum internationalen Austausch. An der Charité beschäftigt sich eine Vielzahl von Mitarbeitenden mit dem Thema Global Health. Dieses Engagement möchten wir weiter ausbauen.“ Auf der Agenda des World Health Summit 2022 stehen Themen wie Klimawandel und Gesundheit, Pandemievorsorge, Ernährungssicherheit, digitale Transformation, nachhaltige Gesundheitssysteme für die Welt und die Rolle Deutschlands, der G7 und G20 in der globalen Gesundheit. Zu dem dreitägigen Treffen werden über 300 Sprecher:innen aus allen Regionen der Welt erwartet, darunter Regierungsverantwortliche und Minister:innen, Vertreter:innen der WHO, Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und von internationalen Organisationen sowie Expert:innen der Charité. Für die feierliche Eröffnungsfeier am Sonntag, den 16. Oktober ab 18 Uhr haben Bundeskanzler Olaf Scholz, WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus sowie per Video UNO-Generalsektretär António Guterres und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ihre Teilnahme angekündigt. Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, und Prof. Pries werden die Tagung offiziell eröffnen. Sprecherinnen und Sprecher beim World Health Summit 2022 sind (unter anderem): Olaf Scholz, Bundeskanzler Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich Dr. Tedros A. Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen Prof. Dr. Karl Lauterbach, Bundesminister für Gesundheit Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité Prof. Dr. Axel R. Pries, Dekan der Charité und Präsident des World Health Summit Prof. Dr. Petra Gastmeier, Direktorin des Institutes für Hygiene und Umweltmedizin   Prof. Dr. Petra Ritter, BIH Johanna Quandt Professorin für Gehirnsimulation und Direktorin der Sektion Gehirnsimulation am Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) Prof. Dr. Jalid Sehouli, Direktor der Klinik für Gynäkologie der Charité Dr. Andreas Ullrich, Klinik für Gynäkologie der Charité Prof. Dr. Marcus Friedrich, Visiting Professor an der Charité und dem Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)   Teilnahme am World Health Summit 2022 Der World Health Summit findet vom 16. bis 18. Oktober im Hotel Berlin Central District, Stauffenbergstraße 26 in 10785 Berlin, statt. Mehr zur Teilnahme und Registrierung. Die digitale Teilnahme ist frei und ohne vorherige Registrierung möglich. Die Zoom-Links finden Sie während der Konferenz auf der Website des World Health Summit. Im Online Programm finden Sie Details zu den einzelnen Sessions, Themen und Sprecher:innen. Der gesamte World Health Summit 2022 ist presseöffentlich. Die Akkreditierung für die Teilnahme vor Ort kann bis Mittwoch, den 12. Oktober, 18 Uhr erfolgen.
Veröffentlicht am 11.10.2022 um 08:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Unermüdlicher Einsatz für Erforschung und Behandlung von ME/CFS

ME/CFS, auch Chronisches Fatigue-Syndrom genannt, ist eine neuroimmunologische Erkrankung, die die Lebensqualität von Betroffenen besonders stark beeinträchtigt. Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, kommissarische Direktorin des Instituts für Medizinische Immunologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, engagiert sich seit vielen Jahren, um diesen Menschen zu helfen. Sie ist eine von nur wenigen Expertinnen und Experten in Deutschland, die auf die Erforschung und Behandlung des Krankheitsbildes spezialisiert sind. Heute hat die Medizinerin für ihren Einsatz das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland im Schloss Bellevue erhalten. Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige hatten sie für die Ehrung vorgeschlagen. In diesem Jahr stehen die Auszeichnungen des Bundespräsidenten zum Tag der Deutschen Einheit unter dem Motto „Brücken bauen“. Die Internistin und Hämatoonkologin Prof. Scheibenbogen setzt sich seit mehr als einem Jahrzehnt für die Belange von Menschen ein, die unter der Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) leiden. Ein schwerwiegendes, vielgestaltiges Krankheitsbild, das meist nach einer Infektionserkrankung auftritt. Charakteristisch ist eine Verschlechterung der Symptome selbst nach geringfügiger Belastung. Prof. Scheibenbogen ist eine Brückenbauerin. Sie forscht und vermittelt Wissen über eine Erkrankung, die, wie sie selbst sagt, „bislang wenig bekannt und für viele Ärztinnen und Ärzte daher schwierig einzuordnen ist. Deswegen kümmere ich mich darum.“ Ein besonderes Anliegen der Medizinerin ist es, mehr über ME/CFS herauszufinden, klinische Studien auf den Weg zu bringen und spezifische Versorgungsstrukturen für Erkrankte ins Leben zu rufen. Denn diese sind bislang nahezu nicht vorhanden. Auf das Krankheitsbild aufmerksam geworden ist Prof. Scheibenbogen als Leiterin der Immundefekt-Ambulanz am Institut für Medizinische Immunologie der Charité. Hier hatte sie vor 15 Jahren eine Sprechstunde für ME/CFS übernommen. Gemeinsam mit ihrem Team initiiert sie Forschungsprojekte und erste Therapiestudien, auch startet sie Fortbildungen für Mediziner:innen und für Betroffene. 2018 gründet Prof. Scheibenbogen in Kooperation mit Neurologinnen und Neurologen der Charité sowie mit Unterstützung der Weidenhammer-Zöbele-Stiftung das Charité Fatigue Centrum, eine Ambulanz, in der Erkrankte in einem interdisziplinären Umfeld besser betreut werden können. Sie bringt weitere Forschungsprojekte auf den Weg, darunter die vom Innovationsfonds geförderte Versorgungsstudie CFS_CARE oder das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützte Verbundforschungsprojekt IMMME zur Aufklärung von Krankheitsmechanismen, die ME/CFS zugrunde liegen. Der Austausch zwischen Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachrichtungen und Einrichtungen ermöglicht es, diese facettenreiche, wenig erforschte Erkrankung aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und neue Behandlungsansätze zu finden. „Zu den herausragenden Leistungen von Prof. Scheibenbogen zählen ihr Engagement und der Aufbau einer Behandlungsambulanz für Patientinnen und Patienten mit dem Chronischen Fatigue-Syndrom“, hebt Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, hervor. „Gerade durch die COVID-19-Pandemie sind wir mit diesem Krankheitsbild, im Sinne eines Long-COVID-Syndroms, zunehmend konfrontiert. Prof. Scheibenbogen hat sich als eine der weltweiten Expertinnen und Experten für ME/CFS etabliert. Als eine der Ersten in Deutschland hat sie damit begonnen, wegweisende Strukturen für die Versorgung dieser Menschen zu schaffen.“ Damit gibt sich Prof. Scheibenbogen nicht zufrieden. Für die Zukunft sieht sie einen großen Bedarf und sie hat neue Ziele: „Was dringend bundesweit gebraucht wird, sind Spezialambulanzen als Anlaufstelle für die vielen Betroffenen und Versorgungsstrukturen für die häusliche Pflege, wie es sie beispielsweise für Menschen mit Multipler Sklerose, einer vergleichbaren Erkrankung, gibt.“ Bereits 2016 konnte Prof. Scheibenbogen eine Förderung der Europäischen Union (EU) mit einwerben, um einen europäischen Verbund für die komplexe Erkrankung ME/CFS aufzubauen. Mit ihrem Team hat sie Forschungseinrichtungen innerhalb Europas vernetzt und die europäische Leitlinie zur Behandlung Betroffener mitgestaltet. Die COVID-19-Pandemie hat mit dem Auftreten von Long-COVID und dem Post-COVID-Syndrom zu einem verstärkten Handlungsbedarf und einer ganz neuen Wahrnehmung des Krankheitsbildes in der Gesellschaft geführt. 2021 wurde an der Charité das Post-COVID-Netzwerk gegründet, mit dem Ziel, fachbereichsübergreifend Ärztinnen und Ärzten einen Austausch zu ermöglichen, Patientinnen und Patienten zu beraten und zu behandeln. Zu den aktuellen Vorhaben von Prof. Scheibenbogen zählt der Aufbau einer Studienplattform für ME/CFS nach COVID-19 und das Post-COVID-Syndrom an der Charité. Therapiestudien und klinische Studien sollen dazu beitragen, die Spät- und Langzeitfolgen von COVID-19 behandelbar zu machen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat für diesen Zweck erste Fördermittel in Aussicht gestellt.
Veröffentlicht am 30.09.2022 um 10:23:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Blick in einzelne Zellen: Prozesse der akuten Nierenschädigung aufgedeckt

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und des Max Delbrück Center Die akute Nierenschädigung ist eine häufige Komplikation bei unterschiedlichen Erkrankungen. Insbesondere Intensivpatient:innen sind betroffen. Die dazu führenden Mechanismen waren allerdings bislang nur wenig verstanden. Jetzt konnte ein interdisziplinäres Forschungsteam die molekularen Prozesse mithilfe der Einzelzell-Sequenzierung näher beleuchten. In den Fachmagazinen Genome Medicine* und Kidney International** zeigen sie molekulare Muster der geschädigten Nierenzellen auf, die zu neuen Ansätzen für künftige Diagnostik und Behandlung von Nierenschädigungen führen können. Derzeit ist eine Therapie nur eingeschränkt möglich. Die Studien sind in enger Kooperation zwischen der Charité – Universitätsmedizin Berlin mit dem Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB) des Max Delbrück Centers sowie mit dem Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin, ein Leibniz-Institut (DRFZ) und der Medizinischen Hochschule Hannover entstanden. Die Nieren gehören zu den zentralen Organen unseres Körpers. Sie filtrieren Abfallstoffe aus dem Blut, stabilisieren Wasserhaushalt und Blutdruck, beeinflussen den Energiestoffwechsel und stellen lebenswichtige Hormone her. Sind die Nieren funktionell eingeschränkt – wie etwa bei einer akuten Nierenschädigung – kann das schwerwiegende Folgen haben. „Die akute Nierenschädigung ist in der Klinik eine häufige und ernsthafte Komplikation bei schwerkranken Patient:innen, etwa die Hälfte der Intensivpatient:innen ist betroffen“, sagt Dr. Jan Klocke von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Internistische Intensivmedizin der Charité. „Die Problematik wird häufig unterschätzt. Eine akute Nierenschädigung ist mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert, und Patientinnen und Patienten können bleibende Schäden davontragen bis hin zum kompletten Verlust der Nierenfunktion.“ Eine akute Nierenschädigung kann mit unterschiedlichsten Erkrankungen einhergehen. Sie tritt oftmals bei Herz-Kreislauferkrankungen oder schweren Infektionskrankheiten wie etwa COVID-19 auf, aber auch nach chirurgischen Eingriffen oder im Zusammenhang mit medikamentösen Therapien. Konkrete Behandlungsmöglichkeiten gibt es häufig nicht. „Wir versuchen betroffene Patient:innen zu stabilisieren, doch bislang ist es meist nicht möglich, die Schädigungsprozesse in der Niere medikamentös umzukehren“, sagt Dr. Hinze, der eine der Studien maßgeblich an der Charité und am Max Delbrück Center betreut hat und jetzt an der Medizinischen Hochschule Hannover tätig ist. „Welche Mechanismen in den Nierenzellen ablaufen, darüber war bislang kaum etwas bekannt. Ziel unserer Studien war es, hier etwas Licht ins Dunkel zu bringen, mit dem langfristigen Ziel, in der Klinik künftig besser behandeln zu können.“ Auslöser für eine akute Nierenschädigung ist häufig eine unzureichende Blutversorgung der Niere. Dann erhalten die Zellen dort nicht mehr genügend Sauerstoff und Nährstoffe – sie reagieren mit Stress. Die Zellen gehen in eine Art Alarmmodus über und produzieren Signalstoffe, die im umliegenden Gewebe zu Entzündungs- und Umbauprozessen (Fibrose) führen. Aus Untersuchungen in Tiermodellen weiß man, dass Epithelzellen – Zellen, die die feinen Nierenkanälchen auskleiden – an diesen entzündlichen und fibrotischen Prozessen beteiligt sind. Das zeigten Untersuchungen mit Hilfe der sogenannten Einzelzell-Sequenzierung. Mit dieser modernen Methode kann der molekulare Zustand einer einzelnen Zelle präzise erfasst werden. Doch was passiert bei einer akuten Nierenschädigung auf zellulärer Ebene beim Menschen? Dieser Frage sind die Teams um Dr. Hinze und Dr. Klocke in zwei nun veröffentlichten Studien nachgegangen. Sie gehören zu den ersten Arbeiten überhaupt, die die Prozesse der akuten Nierenschädigung mithilfe der Einzelzell-Sequenzierung in menschlichen Nierenzellen untersuchen. Am BIMSB haben die Forschenden dafür Zellen aus Gewebeproben und Urin von über 40 Patient:innen untersucht und die molekularen Muster von mehr als 140.000 Zellen computergestützt analysiert und miteinander verglichen. „Mit der Einzelzell-Sequenzierung können wir quasi in jede Zelle hineinzoomen und sehen, welche Gene zu diesem Zeitpunkt in der Zelle aktiv sind“, erklärt Dr. Hinze. „Daran können wir erkennen, ob die jeweilige Nierenzelle gerade normal funktioniert, unter Stress steht oder dabei ist, abzusterben. Mit dieser hochmodernen Technik erhalten wir über die akute Nierenschädigung ein Verständnis in nie dagewesener Detailschärfe.“ So konnte das Team auch zeigen, dass verschiedene Zelltypen der Niere ganz unterschiedlich auf die akute Nierenschädigung reagieren. Die stärksten Antworten beobachteten sie in den Epithelzellen der Nierenkanälchen. Das sind die kleinsten Funktionseinheiten der Niere, die aus mehreren Abschnitten bestehen. Aus Tiermodellen wusste man, dass hauptsächlich Epithelzellen eines bestimmten Abschnitts von den Auswirkungen der akuten Nierenschädigung betroffen waren. Die Ergebnisse der vorliegenden Studien an menschlichen Nierenzellen ergaben nun aber, dass Epithelzellen nahezu aller Abschnitte der Nierenkanälchen in die Schädigungsprozesse involviert sind. „Das verdeutlicht noch einmal, wie wichtig es ist, dass wir humane Systeme untersuchen und besser verstehen lernen“, sagt Dr. Hinze. „In den verschiedenen Typen von Epithelzellen konnten wir bestimmte molekulare Muster identifizieren, die bei allen Patient:innen mit akuter Nierenschädigung vorkamen, jedoch mit individuell unterschiedlicher Häufigkeit. Diese Befunde könnten künftig dabei helfen, Risiken für schwere Krankheitsverläufe besser abschätzen zu können.“ Für die klinische Praxis wäre eine schnelle, nichtinvasive und präzise Untersuchungsmethode wünschenswert, die es ermöglicht, eine akute Nierenschädigung früh eindeutig zu diagnostizieren. Um dieser Zukunftsvision ein Stück näherzukommen, hat Dr. Klocke in Urinproben nach Epithelzellen gefahndet. Im Urin gesunder Menschen sind kaum Zellen zu finden. Doch bei einer akuten Nierenschädigung lösen sich Epithelzellen aus dem Gewebe der Nierenkanälchen und werden mit dem Urin ausgeschieden. Da aber Zellen im Urin nicht lange überleben, war zunächst unklar, ob die Zellen noch intakt sind und sich ihr molekularer Status quo mittels Einzelzell-Sequenzierung überhaupt messen lässt. „Wir haben die Urinproben binnen vier bis sechs Stunden verarbeitet, und es hat tatsächlich sehr gut funktioniert“, sagt Dr. Klocke. Die Forschenden konnten bestimmen, aus welchem Abschnitt der Nierenkanälchen die Zellen stammten und welche genetischen Programme sie als Antwort auf die Nierenschädigung aktiviert hatten. „Die Informationen, die die Zellen aus den Urinproben lieferten, stimmten mit denen der entsprechenden Zellen aus Gewebeproben gut überein“ sagt Dr. Klocke. „Somit verfügen wir mit dem Urin über eine unkomplizierte und nichtinvasive Methode, um an Probenmaterial für weiterführende Untersuchungen zu kommen – um Biomarker auszumachen und so auf lange Sicht vielleicht Nierenbiopsien reduzieren oder ganz ersetzen zu können.“ Mit den beiden aktuellen Studien lieferte das Forschungsteam gänzlich neue Einblicke in die zellulären Mechanismen bei akuter Nierenschädigung sowie vielversprechende Ansätze für künftige Diagnoseverfahren und personalisierte Therapien. In weiterführenden Studien wollen sie eine größere Zahl an Patient:innen aufnehmen, die Ausprägungen der Zellantworten bei unterschiedlichen Grunderkrankungen untersuchen sowie grundlegende molekulare Mechanismen bei akuter Nierenschädigung mit Hilfe von Zellkulturen weiter aufdecken.
Veröffentlicht am 26.09.2022 um 08:42:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Vorhersage aus dem Blut

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und des BIH Um Krankheiten vorzubeugen, ist es wichtig, dass Menschen, die ein besonders hohes Risiko tragen, möglichst früh entdeckt werden. Die derzeitigen Vorsorgeuntersuchungen sind jedoch oft aufwändig und auf einzelne Krankheiten beschränkt. Wissenschafter:innen vom Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), der Charité – Universitätsmedizin Berlin und vom University College London haben nun Blutwerte von 168 Stoffwechselprodukten (Metaboliten) sowie die Krankengeschichte von über 100.000 Menschen ausgewertet. So konnten sie mithilfe von künstlicher Intelligenz das Risiko für mehrere Krankheiten gleichzeitig berechnen und aufzeigen, wo sich eine frühzeitige Intervention lohnen könnte. Ihre Ergebnisse haben sie in der Zeitschrift Nature Medicine* veröffentlicht. Vorbeugen ist besser als heilen: Dieses Motto im Hinterkopf hatten die Forschenden vom BIH, von der Charité und vom University College London, als sie Einblick in den riesigen Datenschatz der UK Biobank erhielten. Die britische Studie verfolgt seit über 15 Jahren das Schicksal von mehr als 500.000 Teilnehmer:innen. Weil alle Briten seit den 90er Jahren eine elektronische Patientenakte besitzen, lässt sich hier – pseudonym – die Entwicklung von Krankheiten über lange Zeiträume beobachten. Kürzlich hatte die UK Biobank ein immenses Datenpaket veröffentlicht: Die zum Teil über 15 Jahre alten, tiefgekühlten Blutproben der Teilnehmenden waren mittels Kernspinspektroskopie auf ihren Gehalt von 168 Stoffwechselprodukten untersucht worden. Die Methode gilt als zuverlässig, einfach umzusetzen und relativ günstig. Gemessen werden Substanzen wie Cholesterin oder Blutzucker, aber auch Moleküle, die weniger bekannt sind und auch seltener bei Blutuntersuchungen bestimmt werden. „Jüngste Studien haben gezeigt, dass einzelne Stoffwechselprodukte – oder Metaboliten – für die Entwicklung einer Vielzahl von Krankheiten relevant sind. Wir haben vermutet, dass die Kombination mehrerer verschiedener Metaboliten Hinweise auf das Risiko für verschiedene Krankheiten gleichzeitig liefern könnte. Und das wollten wir untersuchen“, erklärt Jakob Steinfeldt, Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik für Kardiologie am Charité Campus Benjamin Franklin. Die Wissenschaftler:innen untersuchten daraufhin gemeinsam mit Kolleg:innen vom Digital Health Center des BIH die Daten der Teilnehmer:innen auf 24 häufige Krankheiten, darunter Stoffwechselstörungen wie Diabetes, Herz-Kreislaufleiden wie Herzinfarkt und Herzmuskelschwäche, aber auch neurologische Krankheiten wie Parkinson, Muskelerkrankungen oder verschiedene Krebsleiden. Für jede der 24 Krankheiten ermittelten sie zunächst, welche Teilnehmenden im Verlauf der Studie daran erkrankt waren und kombinierten dies anschließend mit der Zusammensetzung der Metaboliten im Blutserum, dem Metabolom, das vor Ausbruch der Krankheit entnommen worden war. Daraus errechneten sie mithilfe von künstlicher Intelligenz ein Modell, das die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Metaboliten-Kombination im Blut eine zukünftige Krankheit vorhersagt, berechnet. „Wir haben die Metaboliten-Profile auf ihre Vorhersagekraft geprüft und mit herkömmlichen Methoden zur Risikoberechnung verglichen“, berichtet Thore Bürgel, Doktorand im Digital Health Center des BIH und gemeinsam mit Jakob Steinfeldt Erstautor der Veröffentlichung. „Dabei hat sich gezeigt, dass die Profile die Risikovorhersage für die Mehrheit der untersuchten Krankheiten verbesserten, wenn wir sie mit der Information über das Alter und das biologische Geschlecht der Teilnehmenden kombinierten.“ So konnte die Kombination aus Alter, biologischem Geschlecht und Metabolom das Risiko für Diabetes oder eine Herzmuskelschwäche besser vorhersagen als etablierte Risikomodelle, die auf einer herkömmlichen Bestimmung des Blutzuckers oder des Cholesterins im Blut basieren. Mit Kosten von unter 20 Euro ist die Untersuchung des Metaboloms zudem relativ günstig. „Das ist deshalb interessant, weil wir mit dem Metabolom das Risiko für viele Krankheiten gleichzeitig abschätzen können“, erklärt Prof. Dr. Ulf Landmesser, Direktor der Medizinischen Klinik für Kardiologie am Charité Campus Benjamin Franklin. „Natürlich würden wir nach einer ‚Risikowarnung‘ aufgrund von Auffälligkeiten im Blut den Patienten oder die Patientin weiter untersuchen, bevor wir eingreifen. Dennoch ist das genau die Richtung, in die wir auch mit dem neuen ‚Friede Springer – Cardiovascular Prevention Center‘ gehen wollen: die Menschen motivieren, sich ab einem bestimmten Alter regelmäßig untersuchen zu lassen, um im Falle eines Falles rechtzeitig vorbeugen zu können.“ Die Wissenschaftler:innen gingen nun mit ihrem Modell noch einen Schritt weiter und berechneten, welche Grenzwerte sich für präventive Eingriffe eignen könnten. Konkret: Bei welchen Schwellenwerten könnten mit der neuen Methode am besten Menschen identifiziert werden, um sie beispielsweise durch den Einsatz von Medikamenten vor einer Herzmuskelschwäche zu bewahren? „Auch hier haben wir gesehen, dass die Metabolomanalyse kombiniert mit der Information über Alter und biologischem Geschlecht gleichwertig oder sogar besser als herkömmliche Analysen darin war, Menschen zu identifizieren, die von einem präventiven Eingreifen in Form von Medikamenten oder einer Änderung des Lebensstils profitieren könnten“, sagt Prof. Dr. Roland Eils, Gründungsdirektor des Digital Health Center des BIH in der Charité. Und er fügt hinzu: „Wir haben unser Modell anschließend in vier weiteren großen Bevölkerungsstudien aus den Niederlanden und Großbritannien erfolgreich validieren können, was darauf hinweist, dass unsere Modelle breit anwendbar sind.“ Ebenfalls eng eingebunden in die Arbeit war Prof. Dr. John Deanfield, Kardiologe vom University College London. Als Einstein BIH Visiting Fellow, finanziert von der Stiftung Charité, besucht er seinen Gastgeber Prof. Landmesser regelmäßig in Berlin, umgekehrt waren Prof. Landmesser und Prof. Eils bei ihm in London. Beide betonen: „Wissenschaft überwindet Grenzen zwischen Ländern und Fachdisziplinen. Die Verbindung nach London, gepaart mit der großen Offenheit der UK Biobank, ihre Daten weltweit für Studien zur Verfügung zu stellen, hat uns diese großartige Arbeit ermöglicht.“
Veröffentlicht am 22.09.2022 um 16:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Nach COVID-19: Chronische Erschöpfung und kognitive Einschränkungen

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) Nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 leiden deutlich mehr Menschen an einem chronischen Erschöpfungssyndrom als Menschen, die nicht mit dem Virus in Kontakt waren. Auch kognitive Defizite wie Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen treten nach einer Infektion häufiger auf. Wie Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, in einer aktuellen Untersuchung zeigen, sind überwiegend junge Frauen von einem Erschöpfungssyndrom betroffen. Geistige Beeinträchtigungen wurden eher bei Männern ab 55 Jahren beobachtet, wie die Forschenden im Fachmagazin eClinicalMedicine* berichten. Den Erkenntnissen liegen umfangreiche Daten der COVIDOM-Studie zugrunde, einer Erhebung im Rahmen des Nationalen Pandemie Kohorten Netzwerks (NAPKON). Das postinfektiöse chronische Erschöpfungssyndrom, auch bekannt als Fatigue-Syndrom, zeigt sich durch eine langfristige und stark ausgeprägte körperliche Schwäche, die sich selbst durch Schlaf und Ruhepausen nicht bessert. Häufig tritt eine Verschlechterung auch nach geringfügigen Belastungen auf. Die chronische Erschöpfung gilt als Hauptgrund für eine verminderte Lebensqualität nach COVID-19. Geeignete Therapieoptionen fehlen. Bislang gab es keine zuverlässigen Zahlen für die Häufigkeit von Spät- und Langzeitfolgen wie dieser nach COVID-19. Auch schwanken die Angaben über die Verbreitung von Fatigue in der Bevölkerung in anderen Zusammenhängen. „Die Existenz und möglichen Auswirkungen von chronischer Erschöpfung nach COVID-19 werden derzeit kontrovers diskutiert. Unsere Untersuchung liefert nun auf Basis breiter Bevölkerungsstudien belastbare Daten, die von gesellschaftlicher Bedeutung sind“, sagt Prof. Dr. Carsten Finke, Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité. „Langanhaltende chronische Erschöpfung nach einer SARS-CoV-2-Infektion ist durchaus ein häufiges und relevantes Problem. Die Erkrankung ist mit großem persönlichen Leidensdruck verbunden, führt zu Ausfällen am Arbeitsplatz und stellt eine erhebliche Belastung für das Gesundheitssystem dar.“ Das Forschungsteam um Prof. Finke und Prof. Dr. Walter Maetzler, stellvertretender Direktor der Klinik für Neurologie des UKSH, Campus Kiel, hat für die aktuelle Untersuchung Daten von rund 1.000 Patientinnen und Patienten ausgewertet, deren SARS-CoV-2-Infektion mindestens sechs Monate zurücklag. Die Vergleichsgruppe ohne vorangegangene Infektion bildeten rund 1.000 Menschen, deren Daten für eine Bevölkerungsstudie der Universität Leipzig vor der Pandemie zusammengetragen worden waren. Rund 19 Prozent der zuvor SARS-CoV-2-Infizierten wiesen demnach relevante Symptome für ein chronisches Erschöpfungssyndrom auf, im Gegensatz zu nur acht Prozent in der Vergleichsgruppe. Chronische Erschöpfung kommt damit auch Monate nach einer Infektion mit dem Coronavirus mehr als doppelt so häufig vor wie in der gesunden Allgemeinbevölkerung. Insbesondere trifft sie jüngere Frauen zwischen 18 und 24 Jahren infolge einer Infektion. „Wir hatten im direkten Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung keine so hohen Zahlen und keinen so deutlichen Unterschied erwartet“, so Prof. Finke. Neurologische Beschwerden während der akuten COVID-19-Erkrankung konnten als Risikofaktoren für das spätere Auftreten von Fatigue identifiziert werden. Kognitive Einschränkungen wie Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen sind laut der Studie eine weitere häufige Folge einer Coronavirus-Infektion: Sie zeigten sich bei 27 Prozent der Untersuchten. Symptome dieser Art traten vor allem bei älteren Männern auf. Nur wenige von ihnen beklagten jedoch gleichzeitig Symptome einer chronischen Erschöpfung, während bei Patientinnen und Patienten zwischen 25 und 54 Jahren etwa die Hälfte an Fatigue und kognitiven Einschränkungen litt. Das Forschungsteam schließt daraus, dass voneinander unabhängige Faktoren zum Auftreten dieser beiden verbreiteten Folgen führen. Welche der unterschiedlichen Lang- und Spätfolgen sich nach COVID-19 zeigen, ist sehr wahrscheinlich auf unterschiedliche Entstehungsmechanismen zurückzuführen. „Für uns ist nun interessant, ob die kognitiven Defizite dauerhaft bestehen bleiben, oder ob sie sich zurückbilden. Auch ist die Frage offen, ob durch eine SARS-CoV-2-Infektion Demenzen bei Älteren früher auftreten“, sagt Prof. Maetzler. „Die aktuellen Daten geben erste Hinweise darauf, dass das chronische Erschöpfungssyndrom weniger stark ausgeprägt ist, je länger die Erkrankung zurückliegt.“ Daher widmen sich die Forschenden derzeit insbesondere dem Verlauf dieser Beschwerden.
Veröffentlicht am 21.09.2022 um 08:23:13 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Wie visuelle Informationen von der Netzhaut ins Mittelhirn gelangen

Neurowissenschaftler:innen der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Planck-Instituts für biologische Intelligenz (in Gründung) zeigen erstmals, wie sensorische Nervenzellen in der Netzhaut präzise mit Nervenzellen der Colliculi superiores, einer Struktur im Mittelhirn, verbunden sind. Neuropixels-Sonden sind eine noch junge Elektrodengeneration mit besonders vielen Aufzeichnungspunkten für die elektrische Aktivität von Nervenzellen. Ihr Einsatz hat die neuen Einsichten in neuronale Schaltkreise möglich gemacht. Im Fachjournal Nature Communications* beschreiben die Forschenden nun ein Grundprinzip im Sehsystem von Säugetieren und Vögeln. Zwei Hirnstrukturen sind maßgeblich für die Verarbeitung von visuellen Reizen verantwortlich: die Sehrinde, der visuelle Cortex, im Großhirn und die Colliculi superiores, eine Region im Mittelhirn. Der Vorgang des Sehens und die Verarbeitung dieser Informationen sind äußerst komplex. Vereinfacht betrachtet, ist der visuelle Cortex für die generelle visuelle Wahrnehmung zuständig, die Strukturen im evolutionär älteren Mittelhirn eher für reflexartiges visuelles Verhalten. Die Mechanismen und zugrunde liegenden Prinzipien der visuellen Verarbeitung in der Sehrinde sind gut bekannt. Auch Arbeiten eines Forschungsteams um Dr. Jens Kremkow konnten dazu beitragen. Diese mündeten 2017 in der Gründung einer Emmy Noether-Nachwuchsgruppe am Neurowissenschaftlichen Forschungszentrum (NWFZ) der Charité, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Ein wesentliches Ziel der Neurowissenschaftler:innen: die neuronalen Verbindungen, die Verschaltungen, der Nervenzellen des Sehsystems noch besser zu verstehen. Beispielsweise sind noch viele Fragen dazu offen, wie im Einzelnen visuelle Informationen im Mittelhirn, in den Colliculi superiores, verarbeitet werden. Retinale Ganglienzellen, sensorische Nervenzellen in der Retina, der Netzhaut des Auges, reagieren auf optische Reize aus der Umwelt und senden die Informationen zum Gehirn. Auch das Mittelhirn erhält hierbei visuelle Informationen durch direkte Signaleingänge von retinalen Nervenzellen. „Wie dabei verschiedene Nervenzellen der Retina und Nervenzellen im Mittelhirn funktional verbunden sind, lag weitgehend im Dunklen. Ebenso wenig wusste man darüber, wie die Neurone, die Nervenzellen, in den Colliculi superiores die synaptischen Eingänge verarbeiten“, sagt Studienleiter Dr. Kremkow. „Um die Mechanismen der visuellen Verarbeitung im Mittelhirn zu verstehen, sind diese Informationen essenziell.“ Bisher war es schlichtweg nicht möglich, die Aktivität von synaptisch verbundenen Nervenzellen der Retina und Neuronen des Mittelhirns im lebenden Organismus zu messen. Für die aktuellen Untersuchungen hat das Forschungsteam daher eine Methode entwickelt, die auf Messungen neuartiger, hochdichter Elektroden, sogenannter Neuropixels-Sonden, basiert. Diese Elektroden, genauer Elektrodenarrays, sind winzig klein und versammeln rund eintausend Aufzeichnungsstellen auf einem dünnen Schaft. Sie erlauben es, die elektrische Aktivität zwischen Neuronen im Gehirn gleichzeitig mit 384 Elektroden zu messen und verändern das neurowissenschaftliche Forschungsfeld derzeit deutlich. Die Wissenschaftler:innen an der Charité und am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz haben die neue Technologie nun eingesetzt, um die elektrische Aktivität in den jeweiligen Mittelhirnstrukturen von Maus (Colliculi superiores) und Vogel (Optic tectum) zu ermitteln. Diese Hirnstrukturen haben einen gemeinsamen evolutionären Ursprung und spielen in beiden Arten eine wichtige Rolle bei der visuellen Verarbeitung von eingehenden Signalen aus der Retina. Während der Untersuchungen machen die Forschenden eine überraschende Entdeckung: „Für gewöhnlich werden bei diesen elektrophysiologischen Ableitungen elektrische Signale jener Aktionspotenziale gemessen, die am Soma, dem Zellkörper von Nervenzellen entstehen“, erklärt Dr. Kremkow. „Bei unseren Ableitungen sind uns allerdings Signale aufgefallen, die anders als die bekannten Aktionspotenziale aussahen. Wir sind der Ursache auf den Grund gegangen. Wie sich dabei herausgestellt hat, gehen diese im Mittelhirn eingehenden Signale auf Aktionspotenziale in den sogenannten axonalen Verzweigungen der retinalen Ganglienzellen zurück. Demnach ist es möglich, die elektrischen Signale von Axonen, den signalgebenden Fortsätzen der Nervenzellen, mittels der neuartigen Elektrodenarrays abzuleiten. Das ist eine völlig neue Erkenntnis.“ Dem Team um Dr. Kremkow ist es erstmalig gelungen, die Aktivität von Nervenzellen in der Retina und von Signalempfängern im Mittelhirn zeitgleich zu messen. Die genaue Verbindung der Nervenbahnen zwischen Auge und Mittelhirn war bislang eine Unbekannte. Jetzt konnten die Forschenden einzelzellgenau aufzeigen, dass die Anordnung der Eingänge von Signalen der retinalen Ganglienzellen im Mittelhirn exakt die Anordnung in der Retina widerspiegelt. „Die räumliche Anordnung der Retina wird quasi eins zu eins in den Strukturen des Mittelhirns übernommen“, so der Hirnforscher Dr. Kremkow. „Neu war für uns ebenfalls, dass die Neurone im Mittelhirn einen sehr starken und spezifischen synaptischen Eingang von den retinalen Ganglienzellen erhalten, allerdings nur von ein paar wenigen dieser sensorischen Nervenzellen. Diese Verschaltung ermöglicht eine sehr strukturierte und funktionale Verbindung zwischen der Netzhaut des Auges und den entsprechenden Regionen des Mittelhirns.“ Eine Erkenntnis, die unter anderem zu einem besseren Verständnis des sogenannten Blindsehens, auch Blindsight, beiträgt. Hierbei handelt es sich um ein Phänomen, das beim Ausfall der primären Sehrinde, beispielsweise durch eine Hirnverletzung oder Tumoren, beobachtet wird. Während in diesem Fall eine bewusste visuelle Wahrnehmung nicht mehr möglich ist, verbleibt eine Restfunktion der visuellen Informationsverarbeitung, eine intuitive Wahrnehmung von Reizen, Umrissen, Bewegungen oder auch Farben, die offenbar auf das Mittelhirn zurückgeht. Um zu prüfen, ob die Prinzipien, die zunächst am Mausmodell beobachtet wurden, auch für andere Wirbeltiere gelten – und somit von genereller Natur sein könnten, hat die Gruppe um Dr. Kremkow mit einem Team am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz zusammengearbeitet. Dr. Daniela Vallentin leitet dort eine Lise-Meitner-Forschungsgruppe und ist maßgeblich mit neuronalen Schaltkreisen befasst, die für die Koordination präziser motorischer Bewegungen bei Vögeln verantwortlich sind. „Wir konnten mit den gleichen Messungen zeigen, dass die Nervenbahnen, die Netzhaut und Mittelhirn verbinden, bei Zebrafinken nach einem ähnlichen Prinzip aufgebaut sind“, sagt Dr. Vallentin. „Dies ist insofern überraschend, da die optische Auflösung bei Vögeln deutlich höher ist und in der Evolution zwischen Vögeln und Säugetieren viel Zeit vergangen ist.“ Die Anordnung und funktionale Verschaltung der retinalen Ganglienzellen ähneln sich den Beobachtungen zufolge im Optischen Tectum und in den Colliculi superiores. Die Forschenden schließen daraus, dass die gefundenen Prinzipien essenziel für die visuelle Verarbeitung im Mittelhirn von Wirbeltieren sind. Wahrscheinlich handelt es sich sogar um universelle Prinzipien im Aufbau des Wirbeltiergehirns, also auch des menschlichen Gehirns. „Nachdem wir die funktionale, mosaikartige Verschaltung zwischen den retinalen Ganglienzellen und den Neuronen der Colliculi superiores verstanden haben, werden wir nun weiter herausarbeiten, wie die sensorischen Signale im Sehsystem, speziell den Regionen im Mittelhirn, weiterverarbeitet werden und wie sie zu reflexartigem visuellen Verhalten beitragen“, blickt Dr. Kremkow in die Zukunft. Auch möchte das Team herausfinden, ob sich die neue Methode in anderen Gehirnstrukturen anwenden lässt und die Aktivität der Axone andernorts ebenfalls messbar ist. Sollte das der Fall sein, könnten sich zahlreiche neue Möglichkeiten eröffnen, um den Mechanismen des Gehirns auf die Spur zu kommen.
Veröffentlicht am 12.09.2022 um 09:08:15 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Chronische Entzündungen: Welche Rolle spielen ein verbreiteter Rezeptor und die Ernährung?

Unter Federführung der Charité – Universitätsmedizin Berlin werden Forschende in den kommenden drei Jahren der Rolle des Arylhydrocarbon-Rezeptors bei chronischen Entzündungen im Zusammenhang mit Ernährung nachgehen. Zu dem interdisziplinären Verbundvorhaben TAhRget (Targeting AhR-dependent Inflammation for Organ Protection) tragen sechs Partnereinrichtungen bei. Die Projektleitung hat das Experimental and Clinical Research Center (ECRC) – ein gemeinsames klinisches Forschungszentrum der Charité und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Arbeiten mit rund drei Millionen Euro. Viele chronische Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen gehen mit andauernden oder schubweise auftretenden Entzündungen einher, die zu schweren Organschäden führen können. Mit solchen chronischen Entzündungsprozessen wird der Arylhydrocarbon-Rezeptor (AhR), der in einer Vielzahl unserer Körper- und Immunzellen vorkommt und dabei hilft, körperfremde Stoffe aus dem Körper zu schleusen, in Zusammenhang gebracht. Die dahinterstehenden Mechanismen sind allerdings bislang nicht hinreichend erforscht. Nun startet das BMBF-Verbundprojekt TAhRget, das die Rolle des Rezeptors AhR bei der Entstehung von Entzündungen und den Einfluss von Ernährung am Beispiel der chronischen Niereninsuffizienz (CKD) und der Multiplen Sklerose (MS) näher beleuchten soll. Vor dem Hintergrund dieser beiden sehr unterschiedlichen Erkrankungen erhoffen sich die Wissenschaftler:innen ein genaueres Bild über das Bindungs- und Wirkspektrum von AhR. „Wir möchten herausfinden, ob sich AhR als therapeutisches Ziel – im Englischen ‚target‘ – für Behandlungsstrategien eignet, mit denen Entzündungsprozesse in Schach gehalten und Organschäden minimiert oder gänzlich verhindert werden könnten“, sagt Dr. Nicola Wilck von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Internistische Intensivmedizin der Charité, Gruppenleiter am ECRC und Koordinator des TAhRget-Verbundprojekts. Das interdisziplinäre Forschungsteam des Verbunds aus sechs überregionalen Partnern will in den kommenden drei Jahren mithilfe von Patientenkohorten, Tiermodellen, Zellkulturen, Einzelzellanalysen sowie Mikrobiom- und Ernährungsstudien herausfinden, ob und in welchem Maße der Rezeptor AhR zu Entzündungsprozessen bei CKD und MS beiträgt, die die Organe schädigen. Auch fahnden die Forschenden nach aussagekräftigen Biomarkern, die die Aktivität von AhR anzeigen können. Bekannt ist, dass der Rezeptor körperfremde Stoffe – etwa Nahrungsbestandteile oder Stoffwechselprodukte unserer Darmbakterien – bindet, um sie ausscheidungsfähig zu machen. Studienergebnisse zeigen außerdem, dass sich Ernährungsumstellungen auf Erkrankungen mit chronischen Entzündungen positiv auswirken können. „Wir vermuten, dass hier AhR-vermittelte Prozesse eine Rolle spielen. Ein Schwerpunkt unserer Untersuchungen wird daher insbesondere auf ernährungs- und mikrobiomvermittelten Prozessen liegen, die den AhR und damit einhergehende entzündliche Prozesse bei CKD und MS steuern“, sagt Dr. Anja Mähler, Leiterin der Clinical Research Unit am ECRC und Teilprojektleiterin von TAhRget mit dem Schwerpunkt Ernährung. Das Ziel ist herauszufinden, welche Nahrungsbestandteile, Stoffwechselprodukte und Ernährungsformen sich negativ und welche sich positiv auf AhR-vermittelte entzündliche Prozesse auswirken, um dies bei der Behandlung von Patient:innen künftig berücksichtigen zu können. „Unser interdisziplinärer Verbund vereint Kliniker:innen aus Nephrologie und Neurologie, Immunologinnen und Immunologen, Mikrobiom- und Metabolomik-Forschende sowie Ernährungswissenschaftler:innen“, sagt Dr. Wilck. „Mit diesem gemeinschaftlichen und fachübergreifenden Forschungsansatz erhoffen wir uns, grundlegend neue und zukunftsweisende Erkenntnisse über die Beteiligung des AhR an chronischen Entzündungen zu gewinnen und damit den Weg zu neuen Behandlungsformen zu bahnen.“
Veröffentlicht am 02.09.2022 um 07:47:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Charité-Netzwerk baut kinderonkologische Forschung aus

In Deutschland erkranken jährlich etwa 2.300 Kinder und Jugendliche neu an Krebs. Während bei einer erfolgreichen Ersttherapie die Heilungschancen bei rund 80 Prozent liegen, bleibt die Überlebensrate bei Kindern und Jugendlichen, die einen Rückfall erleiden oder auf die Behandlung nicht ansprechen, sehr schlecht. Durch den Aus- und Aufbau einer Infrastruktur in pädiatrisch-onkologischen Zentren und ihren regionalen Netzwerken sollen nun frühe klinische Studien ermöglicht und innovative Behandlungen weiterentwickelt werden. Das von der Kinderonkologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin geleitete Netzwerk „PECT-EAST“ ist dafür als Pilotzentrum ausgewählt worden. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Zentrum ab dem 1. September 2022 über fünf Jahre mit insgesamt 2,5 Millionen Euro. „Wir freuen uns sehr, dass unser Netzwerk ‚PECT-EAST‘ als eines von zwei Pilotzentren vom internationalen Gutachtergremium zur Förderung empfohlen wurde“, sagt Prof. Dr. Angelika Eggert, Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie an der Charité. „In drei großen klinischen Programmen, die speziell auf Blutkrebs, solide Tumore und Hirntumore zugeschnitten sind, kann durch die Förderung der Deutschen Krebshilfe jetzt die Studienaktivität deutlich erhöht werden. Wir werden ein neues und dringend benötigtes Team aus Studienärztinnen und -ärzten, Study Nurses, Dokumentaren und Psychologinnen aufbauen, das möglichst allen Kindern und Jugendlichen mit Rückfall einer Krebserkrankung ein geeignetes Therapieangebot machen kann. Gleichzeitig werden wir die molekulare Untersuchung der Krebszellen im Gewebe und im Blut weiter optimieren.“ Die Onkologin ergänzt: „Wir erwarten, dass die Stärkung der bestehenden Infrastrukturen die Patientenrekrutierung und die klinischen Studienaktivitäten in den Netzwerken verbessern und zu einem erheblichen Nutzen für Erkrankte führen wird. Mehr Patientinnen und Patienten werden Zugang zu neuen Behandlungsformen haben, um ihre Heilungschancen mit hoffentlich weniger Nebenwirkungen und Spätfolgen der Krebsbehandlung zu verbessern.“
Veröffentlicht am 01.09.2022 um 08:18:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

SARS-CoV-2 kann das Chronische Fatigue-Syndrom auslösen

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und des MDC Es wird seit Beginn der Pandemie vermutet, dass SARS-CoV-2 das Chronische Fatigue-Syndrom ME/CFS verursachen kann. Eine Forschungsgruppe der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) zeigt jetzt in einer gut kontrollierten Studie, dass ein Teil der COVID-19-Erkrankten auch nach mildem Verlauf tatsächlich das Vollbild einer ME/CFS-Erkrankung entwickelt. Zudem beschreiben die Forschenden eine zweite Gruppe von Post-COVID-Betroffenen mit ähnlichen Symptomen. Unterschiedliche Laborwerte weisen auf möglicherweise verschiedene Entstehungsmechanismen der beiden Krankheitsbilder hin. Die Studienergebnisse sind im Fachmagazin Nature Communications* veröffentlicht. „Bereits in der ersten Welle der Pandemie entstand der Verdacht, dass COVID-19 ein Trigger für ME/CFS sein könnte“, sagt Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, kommissarische Direktorin des Instituts für Medizinische Immunologie am Charité Campus Virchow-Klinikum. Sie leitet das Charité Fatigue Centrum, das auf die Diagnostik von ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom) spezialisiert ist – eine komplexe Erkrankung, die unter anderem von bleierner körperlicher Schwäche geprägt ist. Das Zentrum wurde bereits im Sommer 2020 von den ersten Patient:innen nach einer SARS-CoV-2-Infektion aufgesucht. Seither mehren sich die Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen COVID-19 und der Erkrankung ME/CFS, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Beeinträchtigung führt. „Diese Annahme wissenschaftlich zu belegen, ist jedoch nicht trivial“, erklärt Prof. Scheibenbogen. „Das liegt auch daran, dass ME/CFS noch wenig erforscht ist und es keine einheitlichen Diagnosekriterien gibt. Durch eine sehr gründliche Diagnostik und einen umfassenden Vergleich mit ME/CFS-Betroffenen, die nach anderen Infektionen erkrankt waren, konnten wir jetzt aber nachweisen, dass ME/CFS durch COVID-19 ausgelöst werden kann.“ Für die Studie untersuchten Expert:innen des Post-COVID-Netzwerks der Charité 42 Personen, die sich mindestens 6 Monate nach ihrer SARS-CoV-2-Infektion an das Charité Fatigue Centrum gewandt hatten, weil sie noch immer stark an Fatigue, also einer krankhaften Erschöpfung, und eingeschränkter Belastungsfähigkeit in ihrem Alltag litten. Die meisten von ihnen konnten lediglich zwei bis vier Stunden am Tag einer leichten Beschäftigung nachgehen, einige waren arbeitsunfähig und konnten sich kaum noch selbst versorgen. Während der akuten SARS-CoV-2-Infektion hatten nur drei der 42 Patient:innen ein Krankenhaus aufgesucht, aber keine Sauerstoffgabe benötigt. 32 von ihnen hatten einen nach der WHO-Klassifizierung milden COVID-19-Verlauf durchlebt, also keine Lungenentzündung entwickelt, in der Regel jedoch ein bis zwei Wochen lang starke Krankheitssymptome wie Fieber, Husten, Muskel- und Gliederschmerzen empfunden. Da die SARS-CoV-2-Infektion in der ersten Welle der Pandemie stattgefunden hatte, war keine der in die Studie eingeschlossenen Personen zuvor geimpft gewesen. An der Charité wurden alle Betroffenen von einem interdisziplinären Team aus den Fachbereichen Neurologie, Immunologie, Rheumatologie, Kardiologie, Endokrinologie und Pneumologie mit langjähriger Erfahrung in der Diagnose von ME/CFS untersucht. Zum Vergleich zogen die Forschenden 19 Personen mit ähnlichem Alters- und Geschlechtsprofil sowie einer vergleichbaren Krankheitsdauer heran, die ME/CFS nach einer anderen Infektion entwickelt hatten. Für die Diagnosestellung berücksichtigten die Forschenden die sogenannten kanadischen Konsensuskriterien. „Dieser Kriterienkatalog wurde wissenschaftlich entwickelt und hat sich im klinischen Alltag bewährt, um ein Chronisches Fatigue-Syndrom eindeutig zu diagnostizieren“, erklärt Dr. Judith Bellmann-Strobl, Leiterin der multidisziplinären Hochschulambulanz des Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung der Charité und des MDC. Zusammen mit Prof. Scheibenbogen hat sie die Studie geleitet. Den Kriterien zufolge erfüllten knapp die Hälfte der untersuchten Patient:innen nach ihrer SARS-CoV-2-Infektion das Vollbild einer ME/CFS-Erkrankung. Die andere Hälfte hatte vergleichbare Symptome, ihre Beschwerden nach körperlicher Anstrengung, die sogenannte Postexertionelle Malaise, waren jedoch meist nicht so stark ausgeprägt und hielten nur für einige Stunden an. Dagegen trat die Verschlimmerung der Symptome bei den ME/CFS-Patient:innen auch noch am nächsten Tag auf. „Wir können also zwei Gruppen von Post-COVID-Betroffenen mit stark reduzierter Belastbarkeit unterscheiden“, resümiert Dr. Bellmann-Strobl. Neben der Erfassung der Symptome ermittelten die Forschenden verschiedene Laborwerte und setzten sie in Beziehung zur Handkraft der Erkrankten, die bei den meisten vermindert war. „Bei den Menschen mit der weniger stark ausgeprägten Belastungsintoleranz stellten wir unter anderem fest, dass sie weniger Kraft in den Händen hatten, wenn sie einen erhöhten Spiegel des Immunbotenstoffs Interleukin-8 aufwiesen. Möglicherweise ist die reduzierte Kraft der Muskulatur in diesen Fällen auf eine anhaltende Entzündungsreaktion zurückzuführen“, sagt Prof. Scheibenbogen. „Bei den Betroffenen mit ME/CFS korrelierte die Handkraft dagegen mit dem Hormon NT-proBNP, das von Muskelzellen bei zu schlechter Sauerstoffversorgung ausgeschüttet werden kann. Das könnte darauf hinweisen, dass bei ihnen eine verminderte Durchblutung für die Muskelschwäche verantwortlich ist.“ Nach vorläufigen Beobachtungen der Wissenschaftler:innen könnte die Unterscheidung der beiden Gruppen sich auch im Krankheitsverlauf spiegeln. „Bei vielen Menschen, die ME/CFS-ähnliche Symptome haben, aber nicht das Vollbild der Erkrankung entwickeln, scheinen sich die Beschwerden langfristig zu verbessern“, erklärt Prof. Scheibenbogen. Die neuen Erkenntnisse könnten zur Entwicklung spezifischer Therapien für das Post-COVID-Syndrom und ME/CFS beitragen. „Unsere Daten liefern aber auch einen weiteren Beleg dafür, dass es sich bei ME/CFS nicht um eine psychosomatische, sondern um eine schwerwiegende körperliche Erkrankung handelt, die man mit objektiven Untersuchungsmethoden erfassen kann“, betont Prof. Scheibenbogen. „Leider können wir ME/CFS aktuell nur symptomatisch behandeln. Deshalb kann ich auch jungen Menschen nur ans Herz legen, sich mithilfe einer Impfung und dem Tragen von FFP2-Masken vor einer SARS-CoV-2-Infektion zu schützen.“
Veröffentlicht am 31.08.2022 um 07:47:36 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Komplikation nach Infektionskrankheiten: Was steckt hinter ME/CFS?

Nach einer Infektionserkrankung genesen die meisten Menschen ohne weitere Folgen. Andere hingegen fühlen sich anhaltend erschöpft, selbst kleinste Anstrengungen wie das Umdrehen im Bett werden zum Kraftakt. Symptome wie dieses sind mit Long-COVID- und Post-COVID-Syndrom ins Rampenlicht gerückt. Bekannt sind Langzeitfolgen nach Infektionen bereits seit vielen Jahren. Erforscht sind sie kaum. Ein interdisziplinärer Zusammenschluss unter Leitung von Wissenschaftler:innen der Charité – Universitätsmedizin Berlin soll nun klären, was der komplexen neuroimmunologischen Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS), auch postinfektiöses Erschöpfungssyndrom, auf molekularer Ebene zugrunde liegt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Arbeiten in den kommenden drei Jahren mit rund zwei Millionen Euro. Die langfristigen Folgen der durch das SARS-Coronavirus Typ 2 ausgelösten Erkrankung COVID-19 treten mit Voranschreiten der Pandemie immer stärker zutage. Die Zahl dauerhaft eingeschränkter und behandlungsbedürftiger Menschen steigt und damit der Bedarf an belastbarem Wissen über mögliche Spät- und Langzeitfolgen, wie sie im Zusammenhang mit COVID-19 und anderen Infektionskrankheiten beobachtet werden. ME/CFS ist eine schwerwiegende, meist lebenslang andauernde Erkrankung mit unterschiedlich ausgeprägten körperlichen und geistigen Symptomen. Am häufigsten beobachtet werden Schwäche und Erschöpfung (Fatigue), Muskel- und Kopfschmerzen, Darmbeschwerden, Schwindel, Stress- und Reizempfindlichkeit, Herzrasen oder Blutdruckschwankungen. Typischerweise tritt eine Verschlechterung auch infolge geringfügiger Belastungen ein, man spricht von Post-Exertional Malaise. Bei der Mehrzahl der Patient:innen beginnt die Krankheit nach einer Virusinfektion. Verschiedene Erreger sind mittlerweile als Auslöser bekannt, darunter Herpesviren wie das Epstein-Barr-Virus, Dengue- oder Influenza-Viren. Nach der SARS-Pandemie 2002 und 2003 entwickelte ein Teil der Erkrankten ME/CFS. In der aktuellen COVID-19-Pandemie zeigt sich, dass eine Untergruppe der Long-COVID-Betroffenen ebenfalls an ME/CFS erkrankt. Bereits vor Pandemiebeginn gingen Expertenschätzungen von etwa 300.000 Menschen alleine in Deutschland aus, darunter rund 40.000 unter 18 Jahren, die an der chronischen Erkrankung leiden. Etwa die Hälfte der überwiegend jüngeren und weiblichen Patienten ist so krank, dass sie nicht mehr arbeiten kann. Schwerstbetroffene sind bettlägerig und nicht mehr in der Lage, sich selbst zu versorgen. Während man lange Zeit davon ausging, es handele sich um eine psychosomatische Erkrankung, stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ME/CFS bereits 1969 als neurologische Krankheit ein. Die genauen Mechanismen, die zur Erkrankung führen, sind bis heute ungeklärt. Jüngste Studien weisen auf autoimmune Prozesse und eine Fehlregulation des vegetativen Nervensystems sowie des zellulären Energiestoffwechsels hin. Doch noch immer fehlen zugelassene und wirksame Behandlungsmöglichkeiten, ebenso verlässliche Biomarker, messbare Werte in Blut oder Serum, die zur Diagnose der Erkrankung eingesetzt werden können. Dies zu ändern, hat sich das aktuelle Vorhaben mit dem Namen IMMME – IMune Mechanism of ME zum Ziel gemacht. Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, kommissarische Direktorin des Instituts für Medizinische Immunologie am Charité Campus Virchow-Klinikum, ist seit vielen Jahren mit dem Krankheitsbild des postinfektiösen Chronischen Fatigue Syndroms (ME/CFS) befasst. Sie leitet die Immundefekt-Ambulanz sowie das Fatigue Centrum an der Charité und nun auch das interdisziplinäre Forschungsnetzwerk IMMME. „Ich freue mich sehr über die Förderung dieses Verbundprojekts und darüber, es mit einem Team von Expertinnen und Experten für ME/CFS, COVID-19 und Immunsystem bearbeiten zu dürfen. Es kommt zur richtigen Zeit, denn das Thema postinfektiöse Erkrankungen hat in Folge der Pandemie eine neue Dimension bekommen“, sagt Prof. Scheibenbogen. „Es ist das erste Mal, dass nun ein Forschungsnetzwerk zu ME/CFS in Deutschland gefördert wird.“ Was also führt zu der neuroimmunologischen Langzeiterkrankung, bei der bislang nur einzelne Symptome behandelt werden können, nicht aber die eigentliche Ursache? Das Epstein-Barr-Virus, das das Pfeiffersche Drüsenfieber hervorruft, ist bereits nachweislich als Auslöser von Autoimmunreaktionen bekannt. Ein ähnliches Risiko für Autoimmunität besteht nach COVID-19, vermutet das Forschungsteam. Während im gesunden Menschen Autoantikörper zur Steuerung von wichtigen Vorgängen beitragen, können sie sich nach Infektionen in ihrer Funktion ändern und zur Entwicklung von Autoimmunerkrankungen führen. Im Fall von ME/CFS konnten Wissenschaftler:innen um Prof. Scheibenbogen und andere Gruppen Autoantikörper gegen sogenannte G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, Schlüsselproteine in der Signalvermittlung, nachweisen, die mit der Schwere von Symptomen in Zusammenhang stehen. Unter ihnen sind solche, die sich gegen Stressrezeptoren richten und mit Hauptsymptomen wie Erschöpfung und Muskelschmerzen verknüpft sind, und auch solche, die mit verminderten kognitiven Fähigkeiten in Verbindung stehen. Welche Rolle dabei einzelne Autoantikörper und kreuzreagierende Virus-Antikörper spielen, und auf welche Weise Signalwege von möglichen Kreuzreaktionen betroffen sind, dem geht das neue Forschungsnetzwerk in fünf Teilprojekten nach. Grundlage der umfassenden Analysen sind gut charakterisierte biologische Proben aus einer gemeinsamen ME/CFS-Biobank. Unterschiedliche Parameter werden innerhalb der einzelnen Projekte gesammelt und zusammen in einer Datenbank ausgewertet. Ziel der Arbeiten ist es, erstmals eine systematische, umfassende Grundlage für diagnostische Marker zu schaffen. Insbesondere hoffen die Forschenden, dass es gelingt, Strukturen zu identifizieren, die als Grundlage für gezielte Therapieansätze der Autoimmunerkrankung dienen. Die Hypothese des Teams um Prof. Scheibenbogen: einige der Autoantikörper sind in ihrer Struktur verändert und binden so an bestimmte Rezeptoren, dass Fehlinformationen in den Zellen zu Fehlfunktionen bei immunologischen, regulativen oder Stoffwechselprozessen führen. Ein Fokus der Arbeiten liegt daher auf Details im Bindungsverhalten von Autoantikörpern und den entsprechenden Rezeptoren. Dabei tragen Rheumatologie und klinische Immunologie am Universitätsklinikum Lübeck mit molekularen Analysen zu den Studien bei. Expert:innen des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Bonn, untersuchen in enger Kooperation mit Prof. Dr. Leif E. Sander, Direktor Infektiologie der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité, mittels RNA-Sequenzierung auf Einzelzellebene unterschiedliche Immunzelltypen, um mögliche Veränderungen in deren Signalwegen und potenzielle Biomarker zu identifizieren. Ein Team am Universitätsklinikum Würzburg widmet sich den Ursachen des veränderten Energiestoffwechsels innerhalb der Zelle bei ME/CFS, während ein Team an Charité und Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Antikörper gegen das Epstein-Barr-Virus und Kreuzreaktionen mit körpereigenen Strukturen zum Vergleich untersucht. Die Datenerfassung und Analyse von Daten aus Kontrollgruppen von Erkrankten mit Multipler Sklerose und anderen Autoimmunerkrankungen leistet ein Team an Charité.
Veröffentlicht am 26.08.2022 um 09:53:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Mukoviszidose: Betroffene können schon im Kindesalter ursächlich behandelt werden

Mukoviszidose ist eine noch immer unheilbare Erbkrankheit, die vor allem die Lungenfunktion beeinträchtigt und die Lebenserwartung stark senkt. Ein vielversprechender neuer Behandlungsansatz ist eine Wirkstoffkombination, die den zugrunde liegenden Defekt korrigiert. Sie konnte jedoch bisher nur bei Jugendlichen und Erwachsenen eingesetzt werden. Eine nach höchsten klinischen Standards angelegte Studie unter Co-Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin belegt jetzt, dass auch Kinder im Grundschulalter von der Therapie profitieren. Weil Betroffene nun früher behandelt werden können, ist eine deutliche Abmilderung ihres Krankheitsverlaufs wahrscheinlich. Veröffentlicht sind die Ergebnisse im American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine*. Der Begriff Mukoviszidose bedeutet „zäher Schleim“ – und beschreibt das zugrunde liegende Problem der in Deutschland häufigsten tödlich verlaufenden Erbkrankheit: Ein Defekt im sogenannten CFTR-Ionenkanal auf der Oberfläche von Schleimhautzellen stört deren Salz- und Wassertransport, sie produzieren dadurch zu zähflüssige Sekrete. Das beeinträchtigt vor allem die Lunge, die von dem zähen Schleim verstopft wird und Erreger schlechter abtransportieren kann. Die Folge sind eine chronische Infektion und Entzündung der Atemwege, die zu einem fortschreitenden Verlust der Lungenfunktion und Atemnot führen – im schlimmsten Fall macht das eine Lungentransplantation nötig. Während Betroffene früher noch vor Erreichen des Erwachsenenalters verstarben, beträgt die Lebenserwartung heute etwa 55 Jahre. Dieser Erfolg ist vor allem auf eine bessere Behandlung der Symptome zurückzuführen.  Erst seit wenigen Jahren gibt es mit CFTR-Modulatoren Medikamente, die nicht nur die Symptome, sondern den ursächlichen Defekt angreifen, indem sie die Funktion des Ionenkanals verbessern. Bei knapp 90 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose wird der Kanal-Defekt durch einen bestimmten Fehler im CFTR-Gen ausgelöst, die sogenannte F508del-Mutation. Seit August 2020 ist in Europa eine Kombination aus drei CFTR-Modulatoren (Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor) erhältlich, die die Funktion des Ionenkanals bei Erkrankten mit einer Kopie dieser Mutation auf etwa 50 Prozent des normalen Wertes anheben kann und so deren Lungenfunktion und Lebensqualität spürbar verbessert. „Das war ein Meilenstein in der Behandlung der Mukoviszidose“, erklärt Prof. Dr. Marcus Mall, Erstautor der nun veröffentlichten Studie und Direktor der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin sowie des Christiane Herzog Mukoviszidose-Zentrums an der Charité. „Allerdings konnten bisher nur Betroffene ab 12 Jahren behandelt werden, weil neue Medikamente traditionell erst bei Erwachsenen getestet und zugelassen werden. Wir wollen die ursächlich wirkende Therapie aber so früh wie möglich im Krankheitsverlauf verabreichen, um irreversible Schäden in der Lunge gar nicht erst entstehen zu lassen. Dazu müssen wir die Patientinnen und Patienten schon im Kindesalter behandeln. Dass das bei Grundschulkindern sicher möglich und sehr effektiv ist, konnten wir jetzt zeigen.“ Dazu untersuchte Prof. Mall zusammen mit internationalen Partnern die Effekte der Dreifachtherapie an 121 Kindern zwischen 6 und 11 Jahren, die in ihrem Erbgut mindestens eine Kopie der F508del-Mutation aufwiesen. Über etwa ein halbes Jahr hinweg erhielt rund die Hälfte der Betroffenen die Wirkstoffkombination, die andere Hälfte ein Scheinpräparat. Die in zehn Ländern durchgeführte Untersuchung war damit als sogenannte randomisierte Placebo-kontrollierte Studie angelegt, die als Goldstandard in der klinischen Forschung gilt. „Diese Art der klinischen Studien sind in der Entwicklung von Medikamenten für Kinder leider noch viel zu selten“, sagt Einstein-Professor Mall, der auch die Mukoviszidose-Forschung im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) leitet. „Häufig werden bei Kindern keine Kontrollgruppen untersucht, sondern von Studien mit Erwachsenen auf die Effekte bei Kindern geschlossen. Kinder sind aber keine kleinen Erwachsenen, deshalb sind hochqualitative Studien für die Entwicklung sicherer und wirksamer Medikamente sehr wichtig.“ In der aktuellen Studie zeigte sich, dass die Behandlung die Funktionsfähigkeit des CFTR-Ionenkanals signifikant erhöhte und so die Lungenfunktion und auch die Lebensqualität der Kinder verbesserte. Die Therapie zeigte insgesamt ein gutes Sicherheitsprofil und wurde von den Kindern gut vertragen. Die Nebenwirkungen entsprachen denen, die bereits bei älteren Erkrankten beobachtet worden waren. „Es hat mich überrascht und sehr erfreut zu sehen, dass die Kinder trotz des frühen Krankheitsstadiums und der kurzen Behandlungsdauer schon einen positiven Effekt bemerkten“, sagt Prof. Mall. „Diese Ergebnisse haben dazu beigetragen, dass die Europäische Arzneimittelagentur die Dreifachtherapie Anfang des Jahres auch für Kinder ab 6 Jahren zugelassen hat, sodass wir sie bereits jetzt ab diesem Alter einsetzen können. Ich erwarte, dass die nun mögliche frühere Behandlung des Basisdefekts den Gesundheitszustand von Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose langfristig erheblich verbessert.“ Im nächsten Schritt will das Forschungsteam prüfen, ob sich die Wirkstoffkombination für noch jüngere Kinder eignet. Denn die Mukoviszidose kann mittlerweile im Rahmen des Neugeborenenscreenings innerhalb der ersten Lebenswochen diagnostiziert werden. „Dadurch könnten wir Mukoviszidose-Betroffene heute schon im Neugeborenenalter ursächlich behandeln und so hoffentlich selbst frühe Schäden der Lunge und möglicherweise anderer betroffener Organe wie der Bauchspeicheldrüse verhindern. An dieses Alter tasten wir uns langsam heran. Aktuell prüfen wir die Sicherheit und Wirksamkeit der Dreifachtherapie bei Kindern zwischen 2 und 5 Jahren“, erklärt Prof. Mall.
Veröffentlicht am 08.08.2022 um 08:33:58 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Städtebauliche Zukunftsvision: Campus Benjamin Franklin als „Healing Campus“

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin hat das wettbewerbliche Dialogverfahren für die Entwicklung einer städtebaulichen Vision des Campus Benjamin Franklin (CBF) abgeschlossen. Ziel war es, den Charakter des Ortes zu erhalten, die nutzbare Fläche wesentlich zu erhöhen und dabei die Anforderungen an Landschaftsplanung, Denkmalpflege und Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Das überzeugendste Konzept für die stadtplanerische Zukunft hat das interdisziplinäre Schweizer Planungsteam Gmür | Schifferli vorgelegt. Der ausgewählte Entwurf stärkt die Einzigartigkeit des CBF und schafft mit der Erweiterung der Campusstruktur die bauliche Grundlage für die Medizin der Zukunft und ihre komplexen Anforderungen. Darüber hinaus bleibt die Sichtbarkeit des historisch bedeutsamen Hauptgebäudes, das 1968 als modernstes Großklinikum Europas eröffnet wurde, erhalten. So sieht der ausgewählte Entwurf beispielsweise einen 16-geschossigen Neubau am Hindenburgdamm vor, der einen neuen städtebaulichen Akzent setzt. Insgesamt werden die Gebäude kompakt im Norden angeordnet und mit dem Hauptgebäude verbunden. Es gibt einen hohen Anteil an natürlich belichteten Räumen und eine hohe Flexibilität in den einzelnen Gebäudestrukturen. Das städtebauliche Konzept thematisiert zudem Nachhaltigkeit, Flexibilität sowie Mobilität und die verkehrstechnische Entflechtung der verschiedenen Zugänge. Gleichzeitig geht das Konzept behutsam mit den wertvollen Grünflächen um. Astrid Lurati, Vorstandsmitglied für Finanzen und Infrastruktur, betont: „Mit der zukünftigen Campusentwicklung wird ein visionärer Ort für die Ansprüche einer Medizin der Zukunft geschaffen und der Mensch stärker in den Mittelpunkt gerückt. Der Entwurf bietet ein starkes, aber gleichzeitig sehr respektvolles vis-à-vis zum dominanten Hauptgebäude.“ Jochen Brinkmann, Leiter des Geschäftsbereichs Bau der Charité, fügt hinzu: „Insgesamt stellt sich die Campusvision wie eine selbstverständliche und zukunftsweisende Erweiterung des historischen Bestands dar, die als städtebauliches, architektonisches und auch freiräumliches Ganzes überzeugt.“ Durch die kompakte Anordnung der Baufelder im Norden kann im Süden eine großzügige Parklandschaft entstehen. Diese bildet das Herzstück des grünen Campus, der zu einem „Healing Campus“ – einem lebenswerten gesundheitsfördernden Stadtraum – modifiziert werden soll. Dies korrespondiert zudem mit dem Anspruch der Charité, bis 2050 klimaneutral zu sein. Im Anschluss an das wettbewerbliche Dialogverfahren wird nun mit der Vertiefung des städtebaulichen Gesamtkonzeptes begonnen. Ziel ist es, eine neue Bauleitplanung für das Campusgelände mit Bezirk und Senat zu erarbeiten, das sich als Grundlage für zukünftige Bauaktivitäten eignet. Parallel dazu führt das Landesdenkmalamt in diesem Jahr ein Modellverfahren für den weiteren Umgang mit dem „Mäusebunker“ durch. 
Veröffentlicht am 06.07.2022 um 08:42:49 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Prof. Dr. Joachim Spranger zum neuen Dekan der Charité gewählt

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin hat einen neuen Dekan gewählt. Der amtierende Dekan, Prof. Dr. Axel R. Pries, legt sein Amt zum Jahresende 2022 nieder. Als zukünftigen Dekan wählte der Fakultätsrat am 4. Juli Prof. Dr. Joachim Spranger. Zuvor war Prof. Spranger bereits als Prodekan für Studium und Lehre Teil der Fakultätsleitung.  Seit 2015 leitet Prof. Pries als Dekan die Fakultät und ist als Mitglied des Vorstands für Forschung und Lehre an der Charité zuständig. Zum Jahresende legt er sein Amt aus persönlichen Gründen nieder. Prof. Pries bleibt Präsident des World Health Summit – einer der weltweit wichtigsten Konferenzen für globale Gesundheit, der er seit Januar 2021 vorsteht. Prof. Spranger wird ab dem kommenden Jahr die Geschicke der Fakultät leiten. Er setzte sich bei der Neuwahl des Dekans gegen einen externen Kandidaten durch. Zuvor war er bis zum April 2022 an der Charité Prodekan für Studium und Lehre mit klinischem Schwerpunkt. Bei der turnusgemäßen Neuwahl der Prodekan:innen durch den Fakultätsrat trat Prof. Spranger nicht erneut an. Für die Neuwahl des Dekans oder der Dekanin hatte der Fakultätsrat eine Findungskommission eingesetzt, die eine Liste vorgelegt hat, welche vom Aufsichtsrat der Charité bestätigt wurde. Prof. Dr. Joachim Spranger, der zukünftige Dekan, erklärt: „Ich freue mich über das Vertrauen des Fakultätsrats und sehe den zukünftigen Herausforderungen mit einer gehörigen Portion Respekt entgegen. Wir müssen als Fakultät eine Wissenschaftsstrategie entwickeln und die Zielsetzungen und Prioritäten für zukünftige Forschungsaktivitäten festlegen. Wichtig ist mir, die künftige Wissenschaftsstrategie mit den Bereichen Krankenversorgung, Personalentwicklung und Infrastruktur gut abzustimmen. Gerade die Nachwuchsförderung ist aus meiner Sicht ein Thema, dem wir noch mehr Aufmerksamkeit widmen müssen. Der Bereich Studium und Lehre liegt mir als ehemaligem Prodekan für Studium und Lehre natürlich besonders am Herzen, und mir ist wichtig, dass wir die Ausbildung näher an die tatsächlichen Anforderungen im späteren Arbeitsleben heranführen. Es wird erhebliche Anstrengungen erfordern, um interprofessionelle Lehrformate zwischen den unterschiedlichen Studiengängen und Ausbildungsberufen der Charité gut abzustimmen.“ Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, beglückwünscht den neu gewählten Dekan: „Es freut uns sehr, dass mit Prof. Spranger ein bereits in Leitungsfunktionen sehr erfahrener Kollege zum Dekan der Charité gewählt wurde. Er konnte bereits als Prodekan Studium und Lehre an der Charité entscheidend weiterentwickeln, neue Studiengänge erfolgreich etablieren und den Lehrbetrieb in der herausfordernden Zeit der Pandemie neu aufstellen. Prof. Spranger wird neue Impulse setzen und die erfolgreiche Arbeit fortsetzen, um vor seinem Hintergrund als langjähriger Klinikdirektor und exzellenter Wissenschaftler auch die herausragende Forschung und die Kooperationen der Charité auf nationaler und internationaler Ebene weiter voranzutreiben. Der Vorstand wünscht ihm dabei viel Erfolg und gutes Gelingen! Außerdem möchte ich mich ausdrücklich bei unserem amtierenden Dekan, Prof. Pries, für seine beeindruckenden, vielfältigen Leistungen und das langjährige Engagement für die Fakultät, das Berlin Institute of Health und die Charité als Ganzes bedanken.“ Prof. Dr. Axel R. Pries, Dekan der Charité, wünscht seinem Nachfolger ebenfalls viel Erfolg: „Mit Prof. Spranger – zusammen mit dem im April neu angetretenen Duo aus Prodekanin und Prodekan für Studium und Lehre, den erneut gewählten Prodekanen für Forschung und der weiter amtierenden Kaufmännischen Direktorin – formiert sich ein neues Team in der Fakultätsleitung, das frische Ideen und neue eigene Akzente mit Kontinuität und Erfahrungen im Amt verbindet. Mit dem Modellstudiengang Medizin (MSM) und den neuen Studiengängen in der Pflege und den Hebammenwissenschaften hat die Charité eine Vorreiterrolle in der medizinischen Lehre inne. Auch die Wissenschaftsprofilierung und der Ausbau der herausragenden Forschung an der Charité gehen voran. Mit exzellenten Berufungen, neuen Höchstständen in der Drittmitteleinwerbung, hochrangigen Auszeichnungen und Forschungsförderungen – etwa bei EU-Verbundprojekten, Grants des European Research Council (ERC) oder neuen Sonderforschungsbereichen – und richtungsweisenden Forschungsbauten ist die internationale wissenschaftliche Bedeutung der Charité weiter gestiegen. Der neue Dekan Prof. Spranger, die Fakultätsleitung und die gesamte Fakultät der Charité werden diese erfolgreiche Entwicklung weiter vorantreiben!“
Veröffentlicht am 05.07.2022 um 10:51:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Neuer Leuchtturm bei Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland 

Gemeinsame Pressemitteilung des Senats von Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind noch immer die häufigste Todesursache in Deutschland. In der Medizin spricht man auch von kardiovaskulären Erkrankungen. Sie treten vielfältig in Erscheinung und reichen von Bluthochdruck, Arteriosklerose und Herzrhythmusstörungen über Herzschwäche bis hin zu einem Herzinfarkt. Herz-Kreislauf-Krankheiten weiter erforschen, individuelle Risiken frühzeitig erkennen und präventiv darauf zu reagieren – das ist das Ziel des neuen Zentrums an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. In den kommenden zehn Jahren entsteht dort ein neues Forschungs- und Präventionszentrum: Friede Springer, Vorstandsvorsitzende der Friede Springer Stiftung, Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, und Prof. Dr. Axel R. Pries, Dekan der Charité, haben heute in Anwesenheit der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin Franziska Giffey, der Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Ulrike Gote, dem Senator für Finanzen Daniel Wesener und Prof. Dr. Ulf Landmesser, Ärztlicher Leiter des CharitéCentrums für Herz-Kreislauf- und Gefäßmedizin, den Vertrag zum Aufbau des „Friede Springer – Cardiovascular Prevention Center at Charité“ unterzeichnet. In den kommenden zehn Jahren wird die Friede Springer gGmbH den Aufbau des Zentrums mit bis zu 70 Millionen Euro fördern, um neue Wege in der Herz-Gesunderhaltung und individuellen Herz-Prävention zu gehen. Das Land Berlin unterstützt dieses Vorhaben mit weiteren 7 Millionen Euro.  Friede Springer, Vorstandsvorsitzende der Friede Springer Stiftung: „Nach wie vor sind Herz- und Kreislauf-Erkrankungen die Todesursache Nr. 1 in Deutschland. Mit meinem Engagement möchte ich ein beeindruckendes ganzheitliches Konzept zur Erforschung und Behandlung von Herz- und Kreislauf-Erkrankungen und deren Prävention unterstützen. Dass dies am Standort Berlin entwickelt wird, freut mich besonders.“ Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin von Berlin: „Berlin ist ein herausragender Wissenschaftsstandort und das neue Präventions- und Forschungszentrum für Herz-Kreislauf-Erkrankungen an der Charité wird ein weiterer wichtiger Baustein dieser Exzellenzentwicklung. Das Engagement von Friede Springer bei diesem Projekt ist außergewöhnlich. Ich danke ihr sehr dafür. Die wissenschaftliche Arbeit, die am Präventionszentrum stattfinden soll, sichert den medizinischen Fortschritt und hilft, Krankheiten vorzubeugen und Menschenleben zu retten.“  Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité: „Das Friede Springer – Cardiovascular Prevention Center at Charité ist einer der wichtigen Meilensteine des Strategiebausteins Prävention in der Unternehmensstrategie der Charité. Wir wissen, dass ein frühes Eingreifen den Verlauf von Herz-Kreislauf-Erkrankungen maßgeblich verändern kann. Wir wissen auch, dass die Entstehung von Erkrankungen ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren ist. Leider ist uns wenig darüber bekannt, wie das Zusammenspiel dieser Faktoren sich auf den Ausbruch oder die Verhinderung einer Erkrankung auswirkt. Genau hier setzt das Friede Springer – Cardiovascular Prevention Center an. Wir rücken die Gesundheitserhaltung in den Fokus und werden damit neue Wege in der Herz-Kreislauf-Medizin gehen. Wir sind Frau Springer für ihre Unterstützung sehr dankbar.“ Prof. Dr. Axel R. Pries, Dekan der Charité: „Das Zentrum wird Leuchtturmcharakter in der Präventionsforschung der Universitätsmedizin haben. Wissenschaftliche Fragen werden an den wichtigen interdisziplinären Schnittstellen zu Gen- und Proteinexpression, innovativer Bildgebung, personalisierter Ernährung, Digital Health, Intervention und psychosoziale Gesundheit bearbeitet. Das ‚human ecosystem‘ wird in den Mittelpunkt gerückt, um mehr und mehr individuelle Risikoprofile und sich daraus ableitende Maßnahmen zur Gesundheitserhaltung zur Verfügung zu stellen. Das Konzept des Friede Springer – Cardiovascular Prevention Center at Charité wird nachhaltig durch den Aufbau eines Schulungs- und Bildungszentrum, in welchem die Ergebnisse der Präventionsforschung gezielt weitergegeben werden, wirksam werden.“ Ulrike Gote, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung: „Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind deutschlandweit die häufigste Todesursache. Die gute Nachricht: Frühe und vor allem personalisierte Präventionsmaßnahmen können die Krankheitslast von betroffenen Patientinnen und Patienten deutlich senken. Deshalb ist der Aufbau eines Zentrums der Charité für kardiovaskuläre Prävention nicht nur für die Wissenschafts- und Forschungsmetropole Berlin ein großartiges Unternehmen, sondern vor allem für die Betroffenen selbst. Mit einem innovativen Ansatz in der Herz-Kreislauf-Medizin wird die Friede Springer – Heart Health Kohorte hier vorangehen und die Exzellenz der Charité weiter stärken.“ Daniel Wesener, Senator für Finanzen: „Die Charité trägt als Europas größtes Universitätsklinikum maßgeblich dazu bei, dass Berlin als Wissenschaftsstandort weit über die Stadtgrenzen hinaus einen exzellenten Ruf hat. Diese Exzellenz ist aber kein Selbstläufer: Damit die medizinische Forschung und Versorgung in Berlin auf Spitzenniveau bleibt, sind gezielte Investitionen notwendig. Mit der Etablierung eines Forschungs- und Präventionszentrums für Herz-Kreislauf-Erkrankungen am Campus Benjamin Franklin wird dieser hohe Anspruch unterstrichen und zum innovativen Wachstum der Gesundheitsstadt Berlin beigetragen. Daher fördert das Land das Projekt und die erforderliche Baumaßnahme mit 7,13 Millionen Euro aus dem Innovationsförderfonds.“ Prof. Dr. Ulf Landmesser, Ärztlicher Leiter des CharitéCentrum für Herz-Kreislauf- und Gefäßmedizin: „Mit dem Friede Springer – Cardiovascular Prevention Center at Charité möchten wir auf die Vision der Vermeidung von häufig leidbringenden oder tödlichen Volkskrankheiten wie dem Herzinfarkt oder der Herzschwäche durch eine rechtzeitige individualisierte und integrative Strategie zur Herz-Gesunderhaltung hinarbeiten. Dies soll dazu beitragen, den Fokus in der Zukunft wesentlich mehr auf die Herz-Gesunderhaltung zu legen –  neben einer exzellenten Krankenversorgung.“  Das Zentrum wird sich in seiner Arbeit darauf fokussieren, Risiken und Resilienzen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen umfassender zu erforschen. Aus diesen Ergebnissen sollen neue Konzepte und Strategien zur Prävention abgeleitet werden. In der wissenschaftlichen Arbeit werden dabei wichtige interdisziplinäre Schnittstellen zu Gen- und Proteinforschung, innovativer Bildgebung, personalisierter Ernährung, Digital Health und psychosozialer Gesundheit eingebunden. Das Land Berlin sagt für dieses Vorhaben seine Unterstützung zu.
Veröffentlicht am 29.06.2022 um 11:30:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

SARS-CoV-2-Studie zum Infektionsmechanismus in den Lungenbläschen

Einer Berliner Forschungsgruppe unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es gelungen, die Infektion mit SARS-CoV-2 an menschlichen Lungen zu simulieren und somit zentrale Erkenntnisse zum Infektionsmechanismus zu generieren. Anhand von im Labor kultivierten, lebenden Lungenproben zeigt sie, dass der COVID-19-Erreger in nur sehr begrenztem Maß in der Lage ist, die Zellen der menschlichen Lungenbläschen direkt zu infizieren. Hingegen wird der überwiegende Teil der in die Lunge gelangten Viren von Makrophagen – Zellen der angeborenen Immunabwehr – direkt aufgenommen und löst in diesen eine gezielte Immunaktivierung aus. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachmagazin European Respiratory Journal* erschienen. Nach wie vor forschen Wissenschaftler:innen weltweit daran, den Mechanismus hinter einer COVID-19-Infektion und der damit manchmal einhergehenden Lungenentzündung und Lungenschädigung besser zu verstehen. Forschende der Charité, des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), des Robert Koch-Instituts und der Freien Universität Berlin haben jetzt die Vermehrung und Immunaktivierung von SARS-CoV-2-Viren in menschlichen Lungen analysiert. Spezifisch haben sie dafür die Zellen der menschlichen Lungenbläschen, auch Alveolen genannt, sowie die Alveolarmakrophagen in den Blick genommen. Diese Fresszellen unseres angeborenen Immunsystems vernichten fremde Partikel, darunter auch Infektionserreger wie Viren und Bakterien, und sorgen so für die Reinigung der Lunge. Unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Hocke von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité hat das Forschungsteam herausgefunden, dass SARS-CoV-2 nur sehr wenige Epithelzellen, die die Oberfläche der Lungenbläschen auskleiden, infiziert und damit auch nur einen sehr geringen, direkten Gewebeschaden verursacht. Das stellt einen entscheidenden Unterschied etwa zu MERS-Coronaviren oder Influenzaviren dar. Gleichzeitig konnten die Wissenschaftler:innen belegen, dass der für SARS-CoV-2 notwendige ACE2-Rezeptor, der als Einstiegspforte für die Viren dient, in nur sehr wenigen Alveolarepithelzellen nachweisbar ist. Das ergaben umfangreiche Analysen mittels spektraler Mikroskopie. „Wir konnten die direkte Abhängigkeit von SARS-CoV-2 zu seinem Rezeptor in menschlichen Lungen sowie in Lungenorganoiden – das sind Modelle menschlicher Lungenbläschen, die wir aus Stammzellen des Lungengewebes gewonnen haben – zeigen und damit andere, alternative Rezeptoren ausschließen“, erklärt die Erstautorin der Studie Dr. Katja Hönzke von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie. Gelangen große Virusmengen aus dem oberen Atemweg in die Lungenbläschen, so vermehren sich diese demnach nicht in hohem Maß in den ansässigen Epithelzellen der Lunge, wie das bei anderen schweren Virusinfektionen oft der Fall ist, sondern werden direkt von den Fresszellen aufgenommen. „Wir haben mit detaillierten bioinformatischen Analysen sowie anhand von Autopsiegewebe von an COVID-19 verstorbenen Personen gesehen, dass sich die Fresszellen durch die Aufnahme der Coronaviren verändern“, sagt der zweite Erstautor der Studie Dr. Benedikt Obermayer-Wasserscheid vom BIH. Diese Wandlungen lösen wiederum unterschiedliche Reaktionen im Rahmen der Lungenentzündung aus: Die Fresszellen geben Entzündungsbotenstoffe ab und können zum Teil sehr starke Entzündungskaskaden anstoßen. Ebenso beobachteten die Forschenden, dass sich das Virus in den Immunzellen nicht vermehrt. Prof. Hocke ordnet die Ergebnisse ein: „Unsere Studie deutet darauf hin, dass schwere Lungenschäden bei COVID-19 eher auf eine durch Makrophagen ausgelöste Immunaktivierung als auf eine direkte Zerstörung der Lungenbläschen durch das Virus zurückzuführen sind. Damit trägt sie wesentlich zum Verständnis der Entstehung von COVID-19 in der Frühphase einer möglichen Lungenentzündung bei und zeigt, warum SARS-CoV-2, im Gegensatz zu MERS-Coronaviren, in der Mehrzahl der Fälle einen eher moderaten Verlauf aufweist.“ Es lässt sich also davon ausgehen, dass die lokalen Immunmechanismen im Atemgewebe die SARS-CoV-2-Viren in den allermeisten Fällen sehr effizient beseitigen und die Entzündungsreaktion begrenzen. Geschieht das nicht, was möglicherweise durch individuelle Risikofaktoren beeinflusst wird, können in seltenen Fällen schwere und tödliche Verläufe entstehen. Prof. Hocke führt weiterhin aus: „Unsere eingesetzten Lungenmodelle zeigen in hervorragender Weise, wie Alternativen zu Tiermodellen, die auf menschlichen Zellen basieren, insbesondere bei der Erforschung zoonotischer Erkrankungen eingesetzt werden können. Das ist uns in enger Zusammenarbeit mit Charité 3R, unserer Einrichtung zur Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen, gelungen.“   Im Zentrum nachfolgender Arbeiten sollen nun Untersuchungen an patientenindividuellen Organoidmodellen folgen, um so den Einfluss von allgemeinen Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen und anderen Medikationen auf die Aktivierung der Entzündungsantwort vertiefend zu analysieren. Mit diesen Kenntnissen ließen sich dann mögliche Therapieansätze, die auf das Immunsystem abzielen, identifizieren.
Veröffentlicht am 29.06.2022 um 08:40:02 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Das „Selenosom“: Choreografie einer Umprogrammierung

Einem Team unter Leitung von Forschenden der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es gelungen, einen grundlegenden Vorgang der Molekularbiologie aufzuklären: den Einbau der sogenannten 21. Aminosäure Selenocystein in sogenannte Selenoproteine. Diese besonderen Eiweiß-Konstrukte sind für Säugetiere, Menschen, aber auch einige Mikroorganismen lebensnotwendig. Wie sie im Körper entstehen und zusammengefügt werden, war bislang unbekannt. Im Fachmagazin Science* beschreiben die Autoren erstmals im Detail, wie eine spezielle Bindungstasche im Zusammenspiel mit verschiedenen weiteren Faktoren diesen Vorgang ermöglicht. Selenoproteine sind eine ungewöhnliche Gruppe von Proteinen, die noch gar nicht so lang bekannt ist. Man geht von bis zu 50 dieser Eiweiße aus, nur ein Teil von ihnen ist bisher erforscht. Sie alle sind komplex aufgebaut und enthalten im Zentrum mindestens einen Teil der namensgebenden Aminosäure Selenocystein (Sec). Selenoproteine übernehmen wichtige Schutz- und Abwehrfunktionen in der Zelle und im menschlichen Körper. Vor allem fungieren sie als sogenannte Oxidoreduktasen, also Vermittler zentraler chemischer Reaktionen, und als Schilddrüsenhormone. Es wird auch vermutet, dass Selenoproteine zum Schutz vor Tumoren beitragen, da sie das Element Selen tragen und oxidativem Stress schnell entgegenwirken können. Doch wie kommen diese besonderen Eiweiße zustande? Wie funktioniert die molekulare Choreografie beim Einbau von Selenocystein während des Zusammenfügens der Proteine, der Proteinbiosynthese? Und wie genau sieht die Struktur des „Selenosoms“ aus, jenem Komplex, der sich bildet, um Selenoproteine herzustellen? Das Team um Prof. Dr. Christian Spahn, Direktor des Instituts für Medizinische Physik und Biophysik, und Dr. Tarek Hilal, Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität Berlin, konnte gemeinsam mit Partnern am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, an der University of Illinois, Chicago und der Rutgers-Robert Wood Johnson Medical School, New Jersey, mittels hochauflösender, dreidimensionaler Kryo-Elektronenmikroskopie, diesen fundamentalen molekularbiologischen Vorgang strukturell und mechanistisch nachvollziehen. Ribosomen, die Proteinfabriken der Zelle, stellen Proteine normalerweise streng nach den von den messenger-RNAs (mRNAs) gelieferten Bauplänen her. Der universelle genetische Code definiert anhand bestimmter Sequenzen, bestehend aus jeweils drei variierenden Basen, den mRNA-Triplett-Codonen, welche Aminosäure an welcher Stelle eines Proteins eingebaut wird. Selenoproteine haben allerdings einen speziellen Aufbau, sodass die 20 Standardaminosäuren bei ihnen nicht ausreichen. Sie enthalten an bestimmten Stellen die sogenannte 21. Aminosäure, das Selenocystein (Sec). Da für den Einbau von Selenocystein kein eigenes Codon, also keine verschlüsselnde Basensequenz existiert, entsteht beim Bau von Selenoproteinen im ribosomalen Komplex eine grundlegende Besonderheit. Durch eine gesonderte Signalsequenz in der mRNA, das sogenannte SECIS-Element (SElenoCystein-Insertionssequenz), wird das Ribosom umprogrammiert und die genetische Information quasi überschrieben. Ein Codon, das normalerweise einen Kettenabbruch und damit die Fertigstellung des Proteins programmiert (UGA-Stopcodon), wird an den gewünschten Stellen zu einem neuen Codon, und zwar dem Codon zum Einbau von Selenocystein. Dieser Rekodierungsvorgang erfordert neben dem SECIS-Element zusätzlich eine besondere, mit Selenocystein beladene Transfer-RNA (tRNASec) und zusätzliche, spezialisierte Translationsfaktoren. „Zwar sind die beteiligten Player seit einigen Jahren bekannt, dennoch blieb bislang ein Rätsel, wie sie genau funktionieren und wie sie zusammenwirken“, so Prof. Spahn. „Vor allem, wie im Einzelnen das SECIS-Element wirkt, war mysteriös, denn es befindet sich in der linearen Sequenz der mRNA nicht in direkter Nachbarschaft zum umprogrammierten UGA-Stopcodon, sondern am Ende, viele hundert Nukleotid-Bausteine entfernt.“ Um den molekularen Mechanismus aufzuklären, hat das Forschungsteam den ribosomalen Komplex, der sich bildet, um das UGA-Stopcodon zu rekodieren, das „Selenosom“, im Labor nachempfunden. Das hochauflösende Bildgebungsverfahren der Kryo-Elektronenmikroskopie ermöglicht eine dreidimensionale Darstellung des winzigen Konstrukts und somit strukturelle Untersuchungen. „Anhand der abgebildeten Strukturen konnten wir aufklären, wie die beteiligten Faktoren mit dem Ribosom interagieren und wie sie genau zusammenwirken, um das Ribosom umzuprogrammieren“, erklärt Prof. Spahn. „Wir konnten insbesondere zeigen, dass die mRNA eine große Schleife bildet, so dass das UGA-Stopcodon und das SECIS-Element gleichzeitig am Ribosom gebunden sind. Das SECIS-Element wird dabei in einer bislang unbekannten Bindetasche am Ribosom verankert und kann dann, im Ribosomen-gebundenen Zustand, unterstützt durch Translationsfaktoren den Selenocystein-Einbau begünstigen.“ Diese Struktur und die Funktionsweise des „Selenosoms“ haben das Forschungsteam überrascht und waren so nicht vorherzusehen. Denn der Vorgang verläuft bei Säugetieren und beim Menschen deutlich anders als der Einbau von Selenocystein in Bakterien, der zuvor schon bekannt war. Der nun beschriebene Komplex zeigt beispielhaft, wie Signalstrukturen am hinteren Ende einer mRNA, also außerhalb des kodierenden Bereiches, mit dem Ribosom interagieren können, um dieses zu regulieren. Den ersten Schritt beim Einbau von Selenocystein konnten die Forschenden somit aufklären. Die nachfolgenden Schritte sind noch immer unklar und sollen in weiteren Arbeiten strukturell untersucht werden. Studien wie diese tragen dazu bei, Funktion und Bedeutung des lebenswichtigen Spurenelements Selen in der normalen Physiologie und beim Entstehen von Krankheiten wie Diabetes oder Krebs besser zu verstehen. Die Arbeiten wurden ermöglicht durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (SFB740 und FOR1805) sowie Zuwendungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Landes Berlin für Großgeräte, entsprechend Artikel 91b GG.
Veröffentlicht am 27.06.2022 um 08:25:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Erfolgreiche Versorgungsforschung an der Charité

Der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) unterstützt insgesamt 50 neue Projekte im Bereich Versorgungsforschung und medizinische Leitlinien. Die Charité – Universitätsmedizin Berlin koordiniert neun dieser Vorhaben. Drei Charité-Projekte befassen sich mit der Entwicklung medizinischer Leitlinien zur besseren Versorgung von Zielgruppen mit besonderen Bedürfnissen – wie Kindern, Jugendlichen, älteren und pflegebedürftigen Menschen. Bei sechs weiteren Projekten zur Versorgungsforschung geht es um die Evaluation digitaler Gesundheitsversorgung und um datengestützte Entscheidungsfindung. Darüber hinaus ist die Charité an drei weiteren Vorhaben im Bereich Versorgungsforschung als Partnerinstitution beteiligt.  Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) fördert mit den Mitteln des Innovationsfonds Projekte, die über die bisherige Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen hinausgehen. Mit den neuen Förderentscheidungen werden 32 themenoffene und themenspezifische Projekte der Versorgungsforschung gefördert sowie weitere 18 Projekte, die medizinische Leitlinien entwickeln oder weiterentwickeln werden. „Die an der Charité neu geförderten Projekte widmen sich den zukünftig immer bedeutsamer werdenden Themen der Versorgung aller Altersgruppen – etwa präventiven Ansätzen zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit oder zur Reduzierung von Komplikationen“, erklärt Prof. Dr. Elke Schäffner, Sprecherin der Plattform – Charité Versorgungsforschung. „Personalisierte Behandlungspfade rücken dabei verstärkt in den Fokus. Um die dafür erforderliche Präzision zu erreichen und Entscheidungshilfen zu bieten, ist die Zusammenführung individueller medizinischer Informationen und die Berücksichtigung der Behandlungserfahrungen aller Gesundheitsprofessionen essenziell. Unterstützt durch digitale Technologien ergeben sich daraus zahlreiche Möglichkeiten, alle notwendigen Perspektiven – nicht zuletzt die der Patientinnen und Patienten – in den Prozess einzubeziehen und so Entscheidungen im Versorgungsalltag weiter zu optimieren.“ Folgende Projekte unter Federführung der Charité werden aus Mitteln des Innovationsfonds gefördert (in alphabetischer Reihenfolge): Medizinische Leitlinien FrailtyOP: Perioperative Versorgung von gebrechlichen Patientinnen und Patienten (Leitlinienentwicklung) Aufgrund der steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung und des medizinischen Fortschritts erfolgen mehr und komplexere chirurgische Eingriffe bei älteren und gebrechlichen Patientinnen und Patienten. Bis zu 50 Prozent der Menschen über 65 Jahre auf chirurgischen Stationen leiden an dem sogenannten Frailty-Syndrom – also an Gebrechlichkeit. Die Betroffenen sind unter anderem in ihrer Beweglichkeit und Muskelkraft eingeschränkt. Zugleich haben sie ein deutlich höheres Risiko, nach einer Operation Komplikationen wie Infektionen oder langfristige geistige und körperliche Beeinträchtigungen zu entwickeln und pflegebedürftig zu werden. Das Risiko, im ersten Jahr nach einer Operation zu versterben, liegt für die Betroffenen zudem bis zu fünfmal höher als bei gesundheitlich robusten Patientinnen und Patienten. Im Projekt FrailtyOP soll erstmals eine Leitlinie zur Versorgung von Betroffenen mit Frailty-Syndrom entwickelt werden. Ziel ist es, einen Goldstandard zur Erfassung des Krankheitsbilds einzuführen, optimale Behandlungsinstrumente zu identifizieren und Standards für die perioperative Behandlung von Betroffenen – vor, während und nach einer Operation – festzulegen. Nach dem Einsatz und der Qualitätskontrolle der Leitlinie im klinischen Alltag wird diese schließlich in der Datenbank der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) veröffentlicht. Projektleitung: Prof. Dr. Stefan Schaller, Stellvertretender Direktor der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Campus Virchow-Klinikum und Charité Campus Mitte S3 LL AA: Diagnostik und Therapie der Alopecia areata (S3-Leitlinie) Alopecia areata (Kreisrunder Haarausfall) ist eine lokal begrenzte, immunvermittelte Hauterkrankung, die schon im Kindes- und Jugendalter – akut oder auch chronisch – wiederkehrend auftritt und bis hin zu einem vollständigen Verlust der Kopf-, Gesichts- und Körperhaare führen kann. Der sichtbare Haarverlust ist bei den betroffenen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit enormen emotionalen und psychosozialen Belastungen verbunden. Bislang fehlen wissenschaftlich fundierte, diagnostische und therapeutische Empfehlungen für diese Altersgruppen. Abhilfe soll eine evidenzbasierte – durch wissenschaftliche Belege gestützte – S3-Leitlinie schaffen, die Behandelnden als Entscheidungshilfe zur Diagnostik und Therapie der verschiedenen Formen der Alopecia areata dienen kann. Die Entwicklung der Leitlinie folgt dem Regelwerk der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): Regelmäßige Treffen einer fachlich hochrangig besetzten Leitliniengruppe verschiedener Arbeitsgebiete – wie Fachleute für die Gebiete Dermatologie, Pädiatrie und Psychosomatik, Sozialarbeiter:innen, Frisierende und Selbsthilfegruppen – werden erfolgen. Eine systematische Recherche, Auswahl und methodische Bewertung von Ergebnissen vorhandener Studien liefert dann die Grundlage der Empfehlungen, die nach einer externen Begutachtung verabschiedet und im Leitliniendokument zusammengefasst werden. Die neue Leitlinie soll dazu beitragen, sowohl Behandelnde als auch Patientinnen und Patienten in der individuellen Entscheidungsfindung zu unterstützen und so die Alopecia areata frühzeitig, altersgemäß und stadiengerecht optimal zu behandeln. Projektleitung: Prof. Dr. Ulrike Blume-Peytavi, Stellvertretende Direktorin der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie und Direktorin des Clinical Research Center for Hair and Skin Science (CRC), Charité Campus Mitte  TransitADI: Transition von jungen Menschen mit Adipositas von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin (S3-Leitlinie) Der Übergang in das Erwachsenenalter ist durch weitreichende körperliche und psychosoziale Veränderungen geprägt und fordert zunehmende Eigenverantwortung von den Heranwachsenden. Für junge Menschen mit Adipositas sind diese entwicklungsbedingten Veränderungen eine besondere Herausforderung. Häufig erleben sie durch ihre Erkrankung Stigmatisierung und Diskriminierung, und werden durch die krankheitsbedingten Besonderheiten eingeschränkt. Außerdem müssen die Heranwachsenden Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen und der medizinischen Versorgungssysteme wechseln. Die Entwicklung der S3-Leitlinie in dem Vorhaben TransitADI soll helfen, die Behandlung von jungen Menschen mit Adipositas und ihren Übergang von der pädiatrischen Versorgung in die Erwachsenenmedizin zu strukturieren und standardisieren. Auf diese Weise kann eine kontinuierliche multiprofessionelle Betreuung und Versorgung in der verwundbaren Lebensphase von der Adoleszenz bis hinein in das junge Erwachsenenalter sichergestellt werden. Da Adipositas mit vielfältigen Begleiterkrankungen einhergeht, wird die neue Leitlinie einerseits relevante Leitlinien vergleichend gegenüberstellen und andererseits Widersprüche in den Empfehlungen adressieren. Projektleitung: Privatdozentin Dr. Susanna Wiegand, Sozialpädiatrisches Zentrum, Campus Virchow-Klinikum; Privatdozentin Dr. Antje Tannen, Institut für Klinische Pflegewissenschaft, Charité Campus Mitte Versorgungsforschung Digi-POD: Digitalisierte klinische Entscheidungsunterstützung zur Prävention des postoperativen Delirs Ein postoperatives Delir ist eine schwere, akute Störung des Gehirns, die bei 15 Prozent aller Patientinnen und Patienten nach einer Operation auftritt. Dadurch sind Aufmerksamkeit, Bewusstsein und Denkvermögen und somit auch die Lebensqualität oft langfristig eingeschränkt. Um solche Langzeitfolgen oder eine Pflegebedürftigkeit der Betroffenen zu verhindern, ist eine rechtzeitige und leitlinienbasierte Behandlung wichtig. Das Projekt Digi-POD ist ein sich selbst aktualisierendes, zeit- und personenunabhängiges Unterstützungssystem, das alle aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse in Abstimmung mit dem praktisch tätigen medizinischen Personal vereint. Damit kann aktuelles medizinisches Wissen nach neuestem Kenntnisstand der Medizin sofort bei Patientinnen und Patienten umgesetzt werden. Diese Entscheidungsunterstützung sorgt dafür, dass aktuelle Leitlinienempfehlungen direkt und in Echtzeit mit strukturierten Daten abgeglichen, bedarfsgerecht anwendbar und kontrolliert umgesetzt werden. Sie ermöglicht zudem durch künstliche Intelligenz erstmals eine automatisierte Auswertung medizinischer Daten individuell für jede Patientin und jeden Patienten nach deren Bedürfnissen. Projektleitung: Prof. Dr. Claudia Spies, Direktorin der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Campus Virchow-Klinikum und Charité Campus Mitte FAIR4Rare: Begleitende Evaluation im Aufbauprozess eines offenen Nationalen Registers für Seltene Erkrankungen (NARSE) Medizinische Register sind ein wichtiges Werkzeug für die Erforschung, aber auch für die Versorgung seltener Erkrankungen. Gelingt die Auffindbarkeit, der Zugang, die Interoperabilität und die Wiederverwendbarkeit der Daten – kurz: die Umsetzung der FAIR-Prinzipien (findable, accessable, interoperable, reusable) – lässt sich die Translation neuer Erkenntnisse und Therapieoptionen beschleunigen. Das Nationale Register für Seltene Erkrankungen (NARSE) ist ein medizinisches Register, das sich derzeit in der Pilotphase befindet und Daten von Patientinnen und Patienten zu ausgewählten seltenen Erkrankungen erfasst, für die bereits eine Therapieoption auf dem Weg ist. Im begleitenden Projekt FAIR4Rare überprüfen die Projektpartner aus Versorgungsforschung, Klinik, Registerbetreibern und Patientenorganisationen, inwiefern das NARSE auf Akzeptanz bei den Nutzenden trifft und welche Weiterentwicklungen notwendig sind, um es so zu etablieren, dass Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen eine gerechtere Teilhabe in unserem Gesundheitssystem ermöglicht wird. Wichtig sind dabei neben der Befragung von Nutzenden des Registers auch der Vergleich mit Datenbeständen aus der Medizininformatik-Initiative (MII) sowie mit dem gut etablierten Deutschen Mukoviszidose Register. Projektleitung: Dr. Josef Schepers, Koordinator für Medizininformatik der Core Unit eHealth and Interoperability (CEI), Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) IntSim-Onko: Integration von klinischen und molekularen Daten in der Präzisionsonkologie zur Entwicklung eines auf Ähnlichkeitsmaßen basierenden Algorithmus für Therapieempfehlungen Die Präzisionsonkologie hat ein hohes Ziel: Für Krebspatientinnen und -patienten, bei denen die Standardverfahren nicht ausreichend wirksam sind, soll nach einer tiefgehenden Analyse des Tumors ein individualisierter Behandlungsplan entwickelt werden. Hierfür muss aus allen erhobenen Daten – von klinischen Verlaufsdaten, Laborinformationen, pathologischen Befundberichten bis hin zu molekularen Charakterisierungen des Tumorgewebes – ein Gesamtbild der Krebserkrankung entwickelt und in eine Therapieempfehlung umgesetzt werden. Dieses Gesamtbild wird dann mit Hintergrundwissen und ähnlichen Fällen aus der medizinischen Literatur verglichen. Die mathematische Beschreibung von Ähnlichkeiten wiederum ist abhängig von der Art der Daten. Hierbei spielen bioinformatische Werkzeuge und Analysen eine essentielle Rolle, die in der Medizin immer bedeutender werden und zur kontinuierlichen Verbesserung der Gesundheitsversorgung beitragen. Im Projekt IntSim-Onko werden die komplexen Gesamtbilder in ihre Einzelfaktoren zerlegt, deren Einfluss auf Behandlungsergebnisse systematisch analysiert und mit Hilfe maschineller Lernverfahren individuell gewichtet. Die daraus entwickelten Algorithmen und die entsprechenden Suchfunktionen sollen die datengestützten Empfehlungen in der Präzisionsonkologie voranbringen und so die individualisierte Behandlung von Krebspatientinnen und -patienten entscheidend unterstützen. Projektleitung: Dr. Manuela Benary, Charité Comprehensive Cancer Center (CCCC), Charité Campus Mitte und Core Unit Bioinformatics (CUBI) des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH); Prof. Dr. Ulrich Keilholz, Direktor des Charité Comprehensive Cancer Center (CCCC) KIDS: KI verbessert Diagnostik in der Seniorenpflege Verletzungen der Mundschleimhaut können sehr schmerzhaft sein und zur Entstehung von Mundhöhlenkarzinomen beitragen. Insbesondere bei pflegebedürftigen Senior:innen, bei denen solche Gewebsverletzungen häufig auftreten, ist eine korrekte Diagnostik die Basis für eine frühzeitige und angemessene Therapie. Ziel des Vorhabens KIDS ist es, die Diagnostik von oralen Erkrankungen bei Bewohnern stationärer Seniorenpflegeeinrichtungen durch den Einsatz eines durch künstliche Intelligenz (KI) gestützten Systems zur Entscheidungsunterstützung zu verbessern. Auf der Basis einer Datenbank und unter Anwendung genereller Qualitätsstandards werden die KI-Modelle bei der Feststellung und Einordnung von Mundschleimhautläsionen unterstützen. Die künstliche Intelligenz soll auf diese Weise die Überweisungs- und Wiederbegutachtungsrate verringern. Auf diese Weise könnte eine gezieltere Überweisung und Wiederbegutachtung der Pflegebedürftigen zugleich helfen, Transportaufwand und Belastungen zu reduzieren, den Therapiebedarf zu priorisieren und Kosten zu senken.  Projektleitung: Prof. Dr. Falk Schwendicke, Direktor der Abteilung für Orale Diagnostik, Digitale Zahnheilkunde und Versorgungsforschung, Campus Benjamin Franklin REPAIR: Empfehlung zur präoperativen Repositions- und Osteosynthese-Planung komplexer Frakturen durch Einsatz künstlicher Intelligenz Infolge von Unfällen zuhause oder im Verkehr kommt es in Deutschland jedes Jahr hundertausendfach zu Knochenbrüchen. Eine besondere Herausforderung für die behandelnden Unfallchirurg:innen stellen dabei zum Teil auftretende komplexe Muster von Frakturen dar, bei denen auch Gelenke beteiligt sein können. Um während und nach der Operation Komplikationen zu verringern und den Heilungsverlauf bestmöglich zu gestalten, ist eine perfekte Planung von Operationen essentiell. Ziel des Vorhabens REPAIR ist es, Unfallchirurg:innen bei komplexen Frakturen der Extremitäten unter Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) durch Empfehlungen zu unterstützen – sowohl für das anatomische Zurückbringen (Reposition) in die Normalstellung als auch für die operative Verbindung von Knochenfragmenten (Osteosynthese). Durch eine Analyse von präoperativen computertomografischen (CT) Datensätzen soll KI-geleitet zunächst eine virtuelle und interaktive, anatomische Repositionsempfehlung gegeben werden. Durch eine KI-gestützte Analyse aktueller Leitlinien und evidenzbasierter Leitpublikationen soll dann ein geeignetes Verfahren zur Osteosynthese gefunden werden. Langfristig sollen dadurch Operationen beschleunigt, die Zahl von Komplikationen verringert und der Therapieerfolg verbessert werden. Projektleitung: PD Dr. David Back und PD Dr. Serafeim Tsitsilonis, Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC), Campus Virchow-Klinikum WEGE: Analysen von Versorgungsverläufen älterer AOK-Versicherter im Vorfeld einer Pflegebedürftigkeit Bisher fehlen systematische Verlaufsanalysen, die die Rolle von Versorgung bei der Entstehung oder Vermeidung von Pflegebedarf beleuchten. Das Projekt WEGE, das in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) durchgeführt wird, setzt hier an. Ziel ist es, im Vergleich unterschiedlicher Versorgungsverläufe – rückblickend über einen Zeitraum von fünf Jahren – die Konstellationen zu identifizieren, die besonders geeignet sein könnten, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu verzögern. Die Datenbasis bilden Routinedaten von Kranken- und Pflegekassen sowie Pflegebegutachtungen des Medizinischen Dienstes. Das Projekt prüft die Hypothese, dass bestimmte Konstellationen in der Versorgung Vorhersagen über den Pflegebedarf erlauben und somit ein Ansatzpunkt für die Prävention sein können. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, eine Versorgungskontinuität älterer Versicherter aufzubauen und so den Pflegebedarf weitgehend zu vermeiden. Projektleitung: Dr. Stefan Blüher und Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Campus Charité Mitte Beteiligt ist die Charité als Konsortialpartnerin an drei weiteren Projekten in der Versorgungsforschung (in alphabetischer Reihenfolge): BENITA: Bewegungs- und Ernährungsintervention bei Ovarialkazinom – Entwicklung eines Versorgungskonzepts und Evaluation in der klinischen Routine Konsortialführung: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Projektleitung an der Charité: Prof. Dr. Jalid Sehouli, Direktor der Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für onkologische Chirurgie, Campus Virchow-Klinikum IPS: Integrierte psychosoziale Versorgung in der Intensivmedizin – Partizipative Entwicklung und Pilotierung eines innovativen Versorgungsansatzes  Konsortialführung: Universität Ulm Projektleitung an der Charité: Prof. Dr. Matthias Rose, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik, Campus Benjamin Franklin  IRIS: IT-basiertes Rückfall-Monitoring für Schizophrenie Konsortialführung: Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Projektleitung an der Charité: Dr. Kerem Böge, Arbeitsgruppenleiter an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Campus Benjamin Franklin
Veröffentlicht am 23.06.2022 um 11:46:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Endlich wieder in Präsenz: Die Lange Nacht der Wissenschaften in der Charité

Wie können wir einem Fisch beim Hören zuschauen? Welche sozialen und psychologischen Herausforderungen hat die COVID-19-Pandemie mit sich gebracht? Wie sieht ein künstliches neuronales Netzwerk eigentlich die Welt? Verstehen Kinder Emojis? Antworten auf diese und viele weitere spannende Fragen finden Forschungsinteressierte auf der Langen Nacht der Wissenschaften in der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Am Samstag, den 2. Juli können Groß und Klein Wissenschaft am Campus Charité Mitte wieder in Präsenz erleben – von 17 bis 24 Uhr. „Erleben. Verstehen. Wissen.“ – Unter diesem Motto kehrt die Lange Nacht der Wissenschaften nach zweijähriger Pandemiepause zurück. In Berlin und Potsdam bieten über 60 Einrichtungen mehr als 1.400 verschiedene Programmpunkte an. Die Charité öffnet am Campus Charité Mitte ihre Türen für ein abwechslungsreiches Programm im und am CharitéCrossOver-Gebäude (CCO). Hier bieten Wissenschaftler:innen der Charité Einblicke in ihre biomedizinische Forschung: So wird es im Lichthof des CCO ein Bühnenprogramm mit drei Sessions zu den Themen „Global Health“, „Facetten der Hirnforschung“ sowie „Neues Wissen – Neue Behandlungsmöglichkeiten“ geben. Nachfragen aus dem Publikum sind dabei ausdrücklich erwünscht. Darüber hinaus finden interaktive Workshops, Vorträge, zwei Führungen über den Campus sowie Aktivitäten für Kinder drinnen und draußen statt. Die Möglichkeiten der modernen Herzmedizin, die Komplexität unseres Gehirns, neue Behandlungsansätze bei Rückenschmerzen oder der Nutzen von Mikroben – Besucher:innen erwarten spannende Themen aus der vielseitigen Forschung der Charité. Sie sind herzlich eingeladen, das ECMObil zu besichtigen, für eine Nacht zu Biobanker:innen zu werden, an einem Bewegungstraining in der virtuellen Realität teilzunehmen und vieles mehr. Auch die Jüngsten können in eigens für sie ausgerichteten Formaten – wie etwa einem Sprichworttest – die Welt der Wissenschaft beschnuppern und ihren Teddy in der Kuscheltier-Sprechstunde vorstellen. Alle Programmpunkte und weitere Details gibt es im Charité-Programmheft. Servicehinweise Standort: Campus Charité Mitte im und am CharitéCrossOver-Gebäude, Eingang Schumannstraße 20/21, 10117 Berlin, Geländeadresse: Virchowweg 6 Auf dem Campus der Charité und in geschlossenen Räumen herrscht Maskenpflicht. Im Innenhof und an den Imbissständen kann auf das Tragen einer Maske verzichtet werden. Tickets für die Lange Nacht der Wissenschaften kosten 14 Euro und ermäßigt 9 Euro. Kinder unter 6 Jahren haben freien Eintritt.
Veröffentlicht am 22.06.2022 um 10:01:02 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Weltweite Krebs-Challenge: Das Rätsel der DNA-Ringe

Gemeinsame Pressemitteilung von Charité und MDC Der Kinderonkologe Prof. Dr. Anton Henssen von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) hat gemeinsam mit Forschenden aus den USA und Großbritannien den Zuschlag für eine „Cancer Grand Challenge“ erhalten: Mit fast 24 Millionen Euro wird das internationale Team die Rolle ringförmiger DNA bei der Entstehung und Bekämpfung von Krebs untersuchen. Das Berliner Team um Prof. Henssen erhält für die kommenden fünf Jahre mehr als eine Million Euro. Im Jahr 2014 machte Prof. Henssen in den Zellen krebskranker Kinder eine ungewöhnliche Entdeckung. Er bemerkte, dass sich dort kleine Ringe aus DNA angesammelt hatten. Ein Teil der genetischen Information war somit nicht mehr wie gewöhnlich in den Chromosomen verpackt. Und ganz offensichtlich brachten die Ringe das restliche Erbgut derart durcheinander, dass die kindlichen Zellen anfingen, sich zu verändern. Das Thema hat den 36-jährigen Forscher und Arzt, der seit 2019 am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung von Charité und MDC, die Emmy Noether-Forschungsgruppe „Genomische Instabilität bei kindlichen Tumoren“ leitet, seither nicht mehr losgelassen. „Als ich anfing, mich für die zirkuläre DNA und ihre Rolle bei der Entstehung von Krebs zu interessieren, war ich damit ziemlich allein“, erzählt Prof. Henssen. Er ist nicht nur Wissenschaftler, sondern kümmert sich auch als Kinderarzt an der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité um seine kleinen Krebspatient:innen. Inzwischen sei das Forschungsfeld jedoch weiter ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses gerückt, sagt Prof. Henssen. Schon seit knapp zwei Jahren werden der Wissenschaftler und sein Projekt „CancerCirculome“ mit einem Starting Grant des European Research Council (ERC) unterstützt.  Auch der Förderinitiative „Cancer Grand Challenges“ – die seit 2020 von den beiden größten Geldgebern in der Krebsforschung weltweit, der Cancer Research UK und dem National Cancer Institute der National Institutes of Health in den USA, getragen wird – ist die bislang womöglich unterschätzte Rolle der winzigen DNA-Ringe nicht entgangen. Als eine von neun großen Herausforderungen in der Krebsforschung wählte sie das Thema „Extrachromosomale DNA“, kurz ecDNA. Die „Cancer Grand Challenges“ unterstützen derzeit mehr als 700 Forschende und Befürworter:innen in zehn Ländern. Elf Teams stellen sich bereits den schwierigsten Herausforderungen in der Krebsforschung – am 16. Juni wurden vier neue Teams bekannt gegeben. „Für mich stand damit fest, dass ich an dieser Challenge teilnehmen will“, erzählt Prof. Henssen, der am 1. Juni an der Charité eine Mildred-Scheel-Professur der Deutschen Krebshilfe angetreten hat. Weltweit gebe es gerade einmal eine Handvoll Gruppen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Nun hat das Team aus den USA, Großbritannien und Deutschland, das von Prof. Paul Mischel von Stanford Medicine in Kalifornien geleitet wird, mit seinem Projekt „eDyNAmiC“ (extrachromosomal DNA in Cancer) den Zuschlag erhalten. Verbunden ist damit eine finanzielle Förderung in Höhe von 20 Millionen britischen Pfund für die kommenden fünf Jahre. Etwa eine Million davon wird Prof. Henssen und seinem Berliner Team zur Verfügung stehen. Man wisse inzwischen, dass fast ein Drittel aller kindlichen und erwachsenen Tumore in ihren Zellen DNA-Ringe tragen und dass diese Tumore fast immer besonders aggressiv seien, sagt Prof. Henssen. „Wir wollen nun herausfinden, was genau diese Ringe so gefährlich macht, wie sie entstehen und wie wir sie ausbremsen können – um so effektivere Therapien zu entwickeln.“ Dieser Herausforderung stellen sich im Projektteam nicht nur Biolog:innen und Mediziner:innen, sondern auch Mathematiker:innen und Informatiker:innen. Prof. Henssen und sein Berliner Team, zu dem auch Forschende des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) gehören, wollen sich zunächst die Struktur der Ringe genauer anschauen und herausfinden, wie ihre DNA in Histonen und anderen Proteinen verpackt ist und wie die Expression ihrer Gene reguliert wird. „Denn möglicherweise führen Veränderungen in der Genexpression dazu, dass Tumore mithilfe der Ringe gegen die derzeit vorhandenen Therapien resistent werden“, sagt er. Dass sein einst vermeintliches Nischenthema nun eine solch große Aufmerksamkeit und Unterstützung erhält, freut Prof. Henssen natürlich sehr. „Mir persönlich hätte nichts Besseres passieren können“, sagt der Forscher. Seine große Hoffnung ist nun, seinen Patient:innen in absehbarer Zeit zu helfen, die ihr Leben noch vor sich haben – dank einer neuartigen Therapie, die die Ringe attackiert und so den tödlichen Tumor verschwinden lässt.
Veröffentlicht am 16.06.2022 um 08:04:33 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Horizon Europe: Charité koordiniert vier neue EU-Projekte

Die EU-Kommission hat drei europäische Verbundvorhaben und ein umfassendes Infrastrukturprojekt, geleitet von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), auf den Weg gebracht. Zwei weitere Projekte werden mit Beteiligung von Charité-Forschenden starten. Die neuen Vorhaben unter Leitung der Charité befassen sich mit Fragen der psychischen Gesundheit, einer innovativen Zelltherapie, Prognosen bei Schlaganfall und virtuellen Modellen des Gehirns. Sie sind mit Förderungen von insgesamt rund sieben Millionen Euro für die Charité verbunden. Das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union ist das weltweit größte Einzelförderprogramm. Entdeckungen in der Gesundheitsforschung ermöglichen, innovative Lösungen finden und Forschungsinfrastrukturen auf höchstem Niveau halten – das sind Ziele des Clusters Gesundheit im Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe. Gemeinsam mit ihren europäischen Partnern können die Forschenden in den kommenden vier bis fünf Jahren nun ihre Ideen voranbringen. „Das ist ein sehr guter Auftakt im neu gestarteten Programm Horizon Europe“, sagt Prof. Dr. Axel Radlach Pries, Dekan der Charité. „Unter den insgesamt 13 zur Förderung vorgeschlagenen deutschen Anträgen mit Koordination stammen drei aus der Charité. Wir werden weiter beständig daran arbeiten, dass die Berliner Universitätsmedizin auch zukünftig im europäischen Ranking zu den 20 besten Einrichtungen des Clusters Health gehört.“ Unter den deutschen Universitäten bleibt die Charité in dieser Förderlinie damit weiterhin auf Platz eins. Die neuen EU-Verbünde unter Leitung der Charité sind: environMENTAL: Herausforderungen der Umwelt und ihren Auswirkungen auf die psychische Gesundheit begegnen Klimawandel, Urbanisierung und psychosozialer Stress im Zuge der COVID-19-Pandemie sind drei der derzeit größten globalen Umweltherausforderungen. Wie sie sich langfristig auf die Gesundheit des Gehirns auswirken, dem wollen Forschende um Prof. Dr. Gunter Schumann, Leiter des Forschungsbereichs Neurowissenschaftliche Populationswissenschaft (PONS) an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Campus Charite Mitte und der Fudan Universitaet Shanghai, nachgehen. Ziel ist es, Interventionen zu entwickeln, die helfen, Erkrankungen vorzubeugen oder aber frühzeitig einzugreifen. Daten von mehr als einer Million europäischen Bürgerinnen und Bürgern, Patientinnen und Patienten, darunter Bildgebungsdaten großer verhaltensbezogener Personengruppen, sollen dabei helfen, Gehirnmechanismen aufzudecken, die mit umweltbedingten Widrigkeiten verbunden sind und zu Symptomen von Depression, Angst, Stress oder Drogenmissbrauch führen. Die Bevölkerungs- und Patientendaten fließen zusammen mit Umweltdaten, Satelitendaten, Daten aus Klimamodellen und digitalen Gesundheitsanwendungen in ein komplexes Modell ein, das den Einfluss von Umweltherausforderungen auf Verarbeitungsprozesse im Gehirn beschreibt. Umfangreiche Omics-Analysen, dreidimensionale Hirnorganoide und virtuelle Gehirnsimulationen werden dazu beitragen, zugrundeliegende molekulare Mechanismen aufzuspüren. Das Wissen darüber, welche genetischen und umweltbedingten Einflüsse zu welchen Krankheitsmechanismen führen, soll dazu beitragen, individuelle Risiken abzuschätzen. Um die Behandlung umweltbedingter psychischer Erkrankungen zu erleichtern, sollen zudem gezielt Wirkstoffe identifiziert werden, die zum jeweiligen Auslöser einer Erkrankung passen und digitale Gesundheitslösungen mit Elementen der virtuellen Realität zum Einsatz kommen. Laufzeit: 5 Jahre ab 1. Juni 2022 Gesamtfördersumme: rund 9 Mio. Euro geneTIGA: Entwicklung einer spezifischen Zelltherapie für eine Form der chronischen Nierenerkrankung (IgA-Nephropathie) Chronische Nierenerkrankungen, ausgelöst durch unerwünschte Immunreaktionen, nehmen deutlich zu. Sie belasten nicht nur die Betroffenen, sondern immer stärker auch Gesellschaft und Gesundheitssystem. Bei der sogenannten IgA-Nephropathie (IgAN) handelt es sich um eine Form der Nierenerkrankung, bei der es zu einer dauerhaften Entzündung der Filterteilchen, der Glomerula, in der Niere kommt, einhergehend mit voranschreitender Einschränkung der Nierenfunktion. Derzeitige Therapieformen sind nur begrenzt wirksam, unter anderem, weil sie das bei der Erkrankung gestörte Immungleichgewicht nicht nachhaltig beeinflussen. Prof. Dr. Petra Reinke ist Gründungsdirektorin des Berlin Center for Advanced Therapies (BeCAT), Mitglied des Steuerungskomitees des BIH Center for Regenerative Therapies (BCRT) und Leiterin der Arbeitsgruppe Zelltherapie und personalisierte Immunsuppression am Berlin Institute of Health in der Charité (BIH). Sie leitet den neuen Verbund mit dem Ziel, eine sichere und effiziente Zelltherapie, basierend auf genom-editierten, also zielgerichtet genetisch veränderten, Abwehrzellen (T-Zellen) zu entwickeln. Dabei wollen die Forschenden drei molekularbiologische Technologien erproben und neue Standards für die Sicherheitsbewertung entwickeln. Am Ende soll ein möglicher Kandidat einer spezifischen Zelltherapie stehen – sozusagen ein „lebendes Arzneimittel“, das als einmalige Behandlung für IgAN und ähnliche Erkrankungen klinisch erprobt werden soll. Darüber hinaus könnte der spezifische Therapieansatz auch bei anderen Erkrankungen mit ähnlichen Entstehungsmechanismen wirksam sein und die Entwicklung von Gen- und Zellprodukten der nächsten Generation beschleunigen. Laufzeit: 4 Jahre ab 1. Juli 2022 Gesamtfördersumme: rund 5,7 Mio. Euro VALIDATE: Künstliche Intelligenz hilft Prognosen und Behandlung bei akutem Schlaganfall zu verbessern Methoden des maschinellen Lernens (ML) und der künstlichen Intelligenz (KI) werden in der Medizin zunehmend eingesetzt. Sie ermöglichen beispielsweise Prognosen für Krankheitsverläufe oder erleichtern klinische Entscheidungen wie die Wahl der optimalen Behandlung für den jeweiligen Patienten oder die Patientin. Der Einsatz entsprechender Tools führt zu verbesserten Behandlungsergebnissen, gleichzeitig können die vorhandenen Ressourcen im Gesundheitswesen bestmöglich genutzt und verteilt werden. Im Charité-Labor für künstliche Intelligenz in der Medizin (CLAIM) ist ein interdisziplinäres Team, bestehend aus Ingenieuren für maschinelles Lernen, Medizinern und Wissenschaftlern unter der Leitung von Dr. Dietmar Frey, darauf spezialisiert, Ansätze der künstlichen Intelligenz für Anwendungen in der Medizin zu bearbeiten. Genutzt werden hierzu klinische Daten, Bildgebungsdaten, Kombinationen von beiden und Querschnittsdaten von Krankenkassen. Im nun startenden Projekt VALIDATE werden auf künstlicher Intelligenz basierende Prognoseinstrumente für die Schlaganfallversorgung entwickelt, erprobt und die Ergebnisse anschließend überprüft. Grundlage sind modernste Methoden des maschinellen Lernens wie künstliche neuronale Netzwerke und komplexe Entscheidungsalgorithmen. Die Forschenden erwarten, dass die auf großen Datenmengen beruhenden Behandlungsentscheidungen bei akutem Schlaganfall sicherer, schneller und genauer sind und in der klinischen Praxis zu besseren Ergebnissen für Patientinnen und Patienten führen. Der europäische Verbund besteht aus erfahrenen klinischen Partnerinstitutionen und Experten für die Entwicklung vertrauenswürdiger KI-Anwendungen. Ebenfalls Partner ist die europäische Allianz für Schlaganfall, Stroke Alliance for Europe (SAFE). Laufzeit: 4 Jahre ab 01.Mai 2022 Gesamtfördersumme: rund 5,9 Mio. Euro An zwei weiteren europäischen Verbundprojekten ist die Charité als Konsortialpartner in den kommenden fünf Jahren beteiligt: 4DPicture: Ziel des Projektes unter Federführung des ERASMUS Universitair Medisch Centrum Rotterdam ist es, die komplexen Entscheidungsprozesse in der Onkologie umzugestalten und datengestützte Entscheidungshilfen in die Behandlungspfade von Patientinnen und Patienten zu integrieren. Zum Einsatz kommen soll die sogenannte MetroMapping-Methode, ein Ansatz, der die Behandelnden wie auch die Krebspatientinnen und -patienten in die Lage versetzt, sich an der Entscheidungsfindung über eine Behandlung zu beteiligen. Ein solches Vorgehen soll zu besser informierten und individuell passenderen Entscheidungen führen, und somit zu besseren Gesundheitsergebnissen. In Berlin leitet ein Team um Dr. Maria Margarete Karsten, Klinik für Gynäkologie am Campus Charité Mitte, die Arbeiten zu Erforschung und Erprobung der Methodik. psychSTRATA: Das Vorhaben unter der Leitung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster strebt eine verbesserte Therapie von Depression, Bipolarer Störung und Schizophrenie an. 26 wissenschaftlichen Einrichtungen unterschiedlicher Fachbereiche aus zwölf europäischen Ländern arbeiten hierbei zusammen, um eine große Menge biologischer Informationen sowie digitale und klinische Daten zu erheben und zu analysieren. Das Labor für statistische Genetik der Charité unter der Leitung von Prof. Dr. Stephan Ripke, ist für die Aufarbeitung und Auswertung genomischer Profile verantwortlich. Ein umfassendes europäisches Infrastrukturprojekt werden Forschende des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und der Charité ebenfalls künftig koordinieren: eBRAIN-Health: Forschungsplattform für das Modellieren und Simulieren komplexer neurobiologischer Vorgänge Das Projekt eBrain-Health unter der Leitung von Prof. Dr. Petra Ritter, BIH Johanna Quandt Professorin für Gehirnsimulation und Direktorin der Sektion Gehirnsimulation am Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité, hat das Ziel, eine dezentrale, datenschutzkonforme Forschungsplattform zu entwickeln, die komplexe neurobiologische Phänomene des Gehirns simuliert. Vielfältige Informationen werden zu diesem Zweck zusammengeführt, beispielsweise aus PET-, EEG- oder MRT-Untersuchungen, aber auch aus Verhaltensstudien und Lifestyle-Erhebungen sowie klinische Daten von tausenden Patientinnen und Patienten sowie von gesunden Kontrollpersonen. Diese werden mit biologischen Informationen aus Wissensdatenbanken kombiniert und für Forschungszwecke bereitgestellt. Die dabei entstehenden digitalen Zwillinge des Gehirns erlauben es einer Vielzahl von Forscherinnen und Forschern, innerhalb einer leistungsfähigen, digitalen Plattform innovative Forschung zu betreiben. Darüber hinaus trägt die neue Forschungsinfrastruktur mit ihren nachvollziehbaren Analysepipelines zu einer reproduzierbaren Wissenschaft bei. Die komplexen, individualisierten Gehirnsimulationen unter Berücksichtigung vieler Daten wiederum haben das Potenzial, Mechanismen von Gehirnfunktion und Erkrankungen besser zu verstehen, Diagnose und Vorhersage von Erkrankungen zu verbessern und Therapien anhand des virtuellen Gehirns zu optimieren. Das Projekt umfasst 20 Partner und findet in Kooperation mit der EBRAINS AISBL, der koordinierenden Instanz des EU-Flagships Human Brain Project, statt. Laufzeit: 4 Jahre ab 1. Juli 2022 Gesamtfördersumme: rund 13 Mio. Euro
Veröffentlicht am 02.06.2022 um 11:05:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Richtfest für zwei Gebäude der Spitzenforschung am Campus Virchow-Klinikum

Gemeinsame Pressemitteilung von Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sowie Charité und TU Berlin Ein weiterer Meilenstein der zwei modernen Forschungsgebäude BeCAT und Si-M ist erreicht: Heute haben Vertreter:innen der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Technischen Universität Berlin gemeinsam mit politischen Vertreter:innen das Richtfest gefeiert. Zu den Gästen gehörten die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, Wissenschaftssenatorin und Charité-Aufsichtsratsvorsitzende Ulrike Gote sowie Finanzsenator Daniel Wesener. Die beiden Gebäude entstehen am Charité Campus Virchow-Klinikum und werden als Forschungsbauten mit Landes- und Bundesmitteln in Höhe von knapp 68 Millionen Euro finanziert. Im „Berlin Center for Advanced Therapies“ (BeCAT) sollen Forscher:innen der Charité innovative zellbasierte Arzneimittel entwickeln. Die häufig auch als „lebende Medikamente“ bezeichneten Substanzen eröffnen ganz neue Möglichkeiten für die Behandlung von bisher nicht heilbaren Erkrankungen. Die Schwerpunkte der Forschung und Entwicklung der sogenannten „Advanced Therapies“ liegen im Bereich der Regenerativen Medizin sowie der Hämatologie und Onkologie. Direkt nebenan entsteht im Rahmen der strategischen Partnerschaft von Charité und TU Berlin das gemeinsame Forschungsgebäude „Der Simulierte Mensch“ (Si-M). Dort erforschen die Wissenschaftler:innen an der Schnittstelle von Technik und Medizin die Simulation menschlicher Organfunktionen – ohne den Einsatz von Tierversuchen. Durch die Verbindung von ingenieurwissenschaftlicher und medizinischer Expertise soll die Komplexität menschlicher Organe und Gewebe nachgebildet werden. Ziel ist es, das Verständnis von Krankheiten zu verbessern und neue therapeutische Ansätze zu ermöglichen. Darüber hinaus ist Si-M ein Projekt der Berliner University Alliance (BUA), das dazu beiträgt, den Wissenschaftsstandort Berlin zu einem gemeinsamen Forschungsraum weiterzuentwickeln. Anlässlich des Richtfestes begrüßte Prof. Dr. Heyo K. Kroemer als Vorstandsvorsitzender der Charité die Gäste aus Politik und Wissenschaft sowie die Beteiligten der Forschungsprojekte und des Baus. Er übergab das Wort an die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Weitere Grußworte sprachen Wissenschaftssenatorin und Charité-Aufsichtsratsvorsitzende Ulrike Gote und Finanzsenator Daniel Wesener sowie Charité-Dekan Prof. Dr. Axel R. Pries und Astrid Lurati, Charité-Vorstandsmitglied für Finanzen und Infrastruktur. Für die TU Berlin sprach Präsidentin Prof. Dr. Geraldine Rauch. Die Forschungsprojekte wurden vertreten durch Prof. Dr. Petra Reinke, Gründungsdirektorin des BeCAT, sowie die Initiatoren des Si-M Prof. Dr. Roland Lauster, TU Berlin, und Prof. Dr. Andreas Thiel, Charité. Anschließend wurde die Richtkrone mit einem feierlichen Spruch an der Fassade des Si-M hochgezogen. Damit sind BeCAT und Si-M die ersten Bausteine des zukünftigen Forschungscampus Seestraße. Statements  Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin von Berlin: „Die Neubauten der Forschungszentren ‚BeCat – Berlin Center für Advanced Therapies‘ und ‚Si-M – Der simulierte Mensch‘ der Charité sind ein Meilenstein der Zukunftsentwicklung der Forschungs- und Medizinmetropole Berlin. Diese beiden innovativen Forschungsbauten für die Erforschung und Entwicklung neuartiger biomedizinischer Technologien steigern einmal mehr die internationale Attraktivität des Wissenschaftsstandorts Berlin. Beide Vorhaben bedeuten langfristig neue Hoffnung für Menschen mit bislang unheilbaren Krankheiten und besitzen perspektivisch hohes gesundheitspolitisches Potenzial. Ziel des BeCat ist, neuartige zellbasierte Arzneimittel aus der Grundlagen- und Technologieforschung heraus bis zur klinischen Prüfung zu entwickeln. Das Forschungszentrum Si-M von Charité und TU Berlin eröffnet faszinierende neue Wege für die Simulation von biochemischen Vorgängen in Zellen und Organen und der Modellierung menschlicher Zell- und Organfunktionen. Ich danke Bauherren, Architekten und Architektinnen und allen Beteiligten für ihr Engagement für die neuen Projekte, nicht zuletzt auch dem Bund für seine Beteiligung an dieser Millioneninvestition. Den Bauleuten wünsche ich gute Fortschritte bei den Bauarbeiten für die städtebaulich interessanten Bauten.”  Ulrike Gote, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sowie Aufsichtsratsvorsitzende der Charité: „Ich freue mich, dass wir heute für gleich zwei innovative und zukunftsweisende Forschungsbauten Richtfest feiern können. Beide werden die Wissenschafts- und Medizinmetropole Berlin stärken und dazu beitragen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, die durch Spitzenforschung erlangt werden, schnell in die medizinische Versorgung überführt werden und damit den Patientinnen und Patienten zu Gute kommen – gerade solchen mit bisher unheilbaren Erkrankungen. Ich bin überzeugt, dass diese hochmodernen Forschungszentren das wissenschaftliche Renommee von Charité und TU Berlin noch weiter erhöhen werden. Beide Einrichtungen erhalten nun hochwertige, dringend benötigte Forschungsflächen – ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung des Areals an der Seestraße zu einem leistungsstarken Forschungscampus.“ Daniel Wesener, Senator für Finanzen: „Der Bau zeigt eindrücklich, dass Berlin weiterhin auf medizinische Forschung und Versorgung auf Spitzenniveau setzt. Am Campus Virchow-Klinikum konnten wir mit den bereitgestellten Landesmitteln viel für das Gesamtprojekt bewegen. Zusätzlich zu den vom Land Berlin getragenen Kosten haben wir die Erschließung des Standorts und die Anbindung der Gebäude an den Campus mit 3,8 Millionen Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt finanziert. Das zahlt sich auch für andere wichtige Investitionsziele des Senats aus: Wir stärken die Charité als Europas größtes Universitätsklinikum, steigern die Attraktivität des Forschungsstandortes Berlin und damit unser Konzept der Gesundheitsstadt insgesamt.” Prof. Dr. Axel R. Pries, Dekan der Charité: „BeCAT und Si-M sind die größten strukturell-wissenschaftlichen Vorhaben der Medizinischen Fakultät in der Dekade von 2015 bis 2025. Durch die Initiative von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und das Engagement aller Beteiligten in der Fakultät werden diese zukunftsweisenden Projekte jetzt Realität. Beide leben von innovativen Ansätzen und leisten entscheidende Beiträge zur biomedizinischen Forschung und Entwicklung im Bereich von zellbasierten Therapien und Alternativmethoden zu Tierversuchen. Das Si-M wurde als Vorbild für die Entwicklung weiterer institutionen- und fächerübergreifender Forschungsinfrastrukturen in die Berliner University Alliance (BUA) aufgenommen.“ Er ergänzte: „So etablieren wir an der Seestraße einen neuen stimulierenden Forschungscampus auf dem interdisziplinär und über die Grenzen von Institutionen hinweg zum Wohle der Patientinnen und Patienten geforscht wird. Dieser Forschungscampus kann ein Kristallisationskeim für ein biomedizinisches Ökosystem werden, in dem medizinische Innovationen auch mit externen Partnern vorangetrieben werden.“ Prof. Dr. Geraldine Rauch, Präsidentin der TU Berlin: „Die TU Berlin freut sich sehr, dass die besonders enge und gute Zusammenarbeit mit der Charité durch das Richtfest des Si-M-Gebäudes nun auch sichtbar wird. Das auf das Lösen von Problemen ausgerichtete Denken unserer Ingenieurinnen und Ingenieure trifft bei dem Vorhaben ‚Der Simulierte Mensch‘ auf das biologische und therapeutische Know-how der Medizinerinnen und Mediziner. Diese ungewöhnliche Kombination entfaltet eine wissenschaftliche Kreativität, die den Standort Berlin sowohl für die Medizin und wie auch für die Ingenieurswissenschaften prägen und weiter stärken wird.“ Sie fügte hinzu: „Für die vielfältigen Aktivitäten, die die Forschenden des Si-M-Projektes auch bei der Kommunikation mit der Öffentlichkeit vorhaben, steht sinnbildlich das Theatron. Dieser runde Vortragsraum, der besonders für den Austausch der Teilnehmenden untereinander geeignet ist, wird zusammen mit dem für ein Forschungsgebäude sehr offenen Entwurf den Si-M-Bau zu einem architektonischen Highlight für unsere Universität machen.“ Prof. Dr. Petra Reinke, Direktorin des Berlin Center for Advanced Therapies (BeCAT), Mitglied des Gründungs-Steuerungskomitees des BIH Center for Regnerative Therapies (BCRT) und Leiterin der Arbeitsgruppe Zelltherapie und personalisierte Immunsuppression: „Mit dem neuen Gebäude verbessern sich die Rahmenbedingungen für unsere wissenschaftliche Arbeit auch von den räumlichen Gegebenheiten und der passgenauen Ausstattung. So können wir uns auf die Forschung und Entwicklung von neuen ATMP-Arzneimitteln konzentrieren und diese aus der Grundlagen- und Technologieentwicklungsforschung heraus bis hin zur wissenschaftlich fundierten klinischen Prüfung begleiten.“  Prof. Dr. Roland Lauster, Initiator des Si-M und ehemaliger Leiter des Fachgebiets Medizinische Biotechnologie der TU Berlin: „Die Simulation humaner Gewebe eröffnet besonders im Bereich neuer Krebstherapien und Infektionen völlig neue Forschungsansätze, die eine hohe klinische Relevanz aufweisen. So treffen sich die beiden Disziplinen Medizin und Biotechnologie beispielsweise im Bereich der Immuntherapien von Krebserkrankungen.“ Prof. Dr. Andreas Thiel, Initiator des Si-M und Leiter der Arbeitsgruppe „Regenerative Immunologie und Altern“ der Charité: „Im Forschungshaus ‚Der Simulierte Mensch‘ entsteht eine moderne Forschungsinfrastruktur, in der nicht nur Technik und Medizin verzahnt, sondern auch neue Maßstäbe in der Kommunikations- und Wissenschaftskultur gesetzt werden. Nicht zuletzt die Pandemie hat gezeigt, dass echter Fortschritt nur durch Zusammenarbeit und intensiven Austausch zwischen den Disziplinen möglich ist. Auf diese Weise wollen wir Wissenschaftler:innen von Charité und TU Berlin im Si-M verantwortungsvoll und auf höchstem technologischem Niveau die Ziele der Medizin der Zukunft umsetzen."   Zur Video-Aufzeichnung des Richtfestes  
Veröffentlicht am 23.05.2022 um 08:06:04 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Charité und Unfallkrankenhaus Berlin kooperieren in Klinik und Forschung

Spitzenvertreter der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des BG Klinikums Unfallkrankenhaus Berlin (ukb) haben heute einen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Die „Vereinbarung über die Zusammenarbeit“ sieht vor, künftig medizinisches Wissen enger auszutauschen, Projekte in Klinik und Forschung gemeinsam durchzuführen und in der Aus-, Fort- und Weiterbildung bis hin zu gemeinsamen Berufungen zu kooperieren. Ziel beider Partner ist es, neue Erkenntnisse zu gewinnen, die klinische und wissenschaftliche Exzellenz zu fördern sowie die Attraktivität als Arbeitgeber und Ausbildungsstätte zu steigern. Die jetzt vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit beginnt in den Bereichen Unfallchirurgie und Notfallmedizin, in der Hand-, Replantations- und Mikrochirurgie, in der septischen Chirurgie mit Komplikationsmanagement und in der Behandlung von rückenmarkverletzten Patient:innen. Bereits bestehende klinische Studien mit Beteiligung beider Partner, wie zum Beispiel zur Knochenbruchheilung, sollen dabei intensiviert und weitere gemeinsame Handlungsfelder definiert werden. Darüber hinaus sind gemeinsame Seminar- und Kongressformate sowie die Rotation von Mitarbeiter:innen geplant. Dazu Ulrike Gote, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung: „Berlin kann als bedeutender Wissenschaftsstandort und als Gesundheitsstadt vor allem dann gestärkt werden, wenn es eine Verzahnung von verschiedenen Expertisen gibt. Deshalb begrüße ich die Kooperationsvereinbarung von Charité und ukb sehr. Ich bin mir sicher, dass der enge medizinisch-wissenschaftliche Austausch einen großen Mehrwert darstellt – für beide Einrichtungen, aber auch für die Patientinnen und Patienten und für die Gesundheits- und Wissenschaftshauptstadt Berlin. Ich wünsche gutes Gelingen.“ Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, betont: „Mit dieser Kooperation wollen wir einerseits Kräfte für die klinische und translationale Forschung bündeln und andererseits mit Fokussierungen unsere jeweiligen Profile schärfen. Auf dieser Basis möchten wir im Sinne der Translation neue Präventionsstrategien und Therapiemethoden entwickeln. Es ist unser Anspruch, der Bevölkerung eine sichere, wohnortnahe und auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Krankenversorgung anzubieten.“ Prof. Dr. Axel Ekkernkamp, Geschäftsführer ukb, ergänzt: „In enger Abstimmung und zum wechselseitigen Vorteil werden wir gemeinsame Handlungsfelder definieren, in denen langfristige und nachhaltige Kooperationen entwickelt, vereinbart und umgesetzt werden. Besonderes Augenmerk liegt auf der Profil- und Schwerpunktbildung. Wir betrachten das gesamte ambulante und (teil-)stationäre Versorgungsspektrum beider Einrichtungen, welches von der Akutversorgung über die Rehabilitation bis hin zur Reintegration reicht.“ Aus der Vielzahl der Kooperationsfelder sei beispielhaft die Muskoloskeletale Medizin genannt. Bei den bisherigen gemeinsamen Arbeitstreffen zwischen ukb und den Expert:innen der Charité unter der Leitung von Prof. Dr. Carsten Perka und Prof. Dr. Ulrich Stöckle sind bereits Kooperationspotenziale und Schwerpunktfelder identifiziert worden. Patient:innen mit schweren Verbrennungen, einem Querschnittssyndrom und mit komplexen Handverletzungen werden im ukb behandelt. In der Charité hingegen liegt ein Fokus auf komplexen minimal-invasiven Operationen an den Gelenken, der sogenannten Arthroskopie und der Endoprothetik, dem künstlichen Gelenkersatz.
Veröffentlicht am 11.05.2022 um 11:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Neue Leitung der Klinik für Infektiologie und Pneumologie

Die Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin wird seit April gemeinsam von Prof. Dr. Martin Witzenrath und Prof. Dr. Leif Erik Sander geleitet. Dabei übernimmt Prof. Witzenrath die W3-Professur für Pneumologie der Charité sowie die Ärztliche Leitung des CharitéCentrums 12 für Innere Medizin und Dermatologie. Prof. Sander übernimmt die W3-Professur für Infektiologie der Charité sowie die Arbeitsgruppe für personalisierte Infektionsmedizin am Berlin Institute of Health in der Charité (BIH). Prof. Dr. Norbert Suttorp geht als Klinikdirektor in den Ruhestand, bleibt der Charité jedoch als Seniorprofessor erhalten.   Prof. Witzenrath ist seit 2012 Professor für Pneumologie (Lungenheilkunde) an der Charité und war seit 2017 stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie. Seine klinischen Schwerpunkte sind die Lungenheilkunde und die Infektiologie sowie die Beatmungs- und Intensivmedizin. Zu den wissenschaftlichen Interessen gehören Lungenentzündungen, Erkrankungen der Lungengefäße, akutes Lungenversagen sowie die Beatmungsmedizin. „Mein Ziel war es seit Beginn meiner Tätigkeit an der Charité, translationale pneumologische Forschung von Erkrankten zum Molekül und zurück zu ermöglichen. Dank eines großartigen und systemmedizinisch orientierten Teams können wir verschiedene Mechanismen experimentell untersuchen und Therapiemöglichkeiten in klinischen Studien prüfen. Der besondere Reiz und ein Teil des Erfolgs liegt in der Vernetzung mit exzellenten Vertreter:innen anderer Disziplinen der Charité und im internationalen Umfeld“, erklärt Prof. Witzenrath. Zudem betont er: „Die Pneumologie als großes klinisches Fach der Inneren Medizin behandelt Patient:innen mit vielen unterschiedlichen akuten und chronischen Erkrankungen. Unser Anspruch ist es, an allen drei bettenführenden Charité-Campus die pneumologische Versorgung auf höchstem Niveau zu gewährleisten und zugleich den individuellen Menschen stets im Mittelpunkt zu sehen.“  Während der Corona-Pandemie ist Prof. Witzenrath eng in die Versorgung der COVID-Patient:innen und die Forschungsaktivitäten der Charité eingebunden. Zudem ist der Internist einer der Sprecher des Charité/BIH COVID-19 Research Board. Das Research Board wurde im März 2020 ins Leben gerufen, um die Forschungsprojekte von Charité und BIH zu koordinieren. Dabei werden Wissenschaft und Krankenversorgung noch intensiver miteinander vernetzt und der Zugriff auf Forschungsdaten vereinfacht. „In der Pandemie war es für uns als Charité von Anfang an essentiell, gemeinsam mit dem BIH aktiv die Erforschung von COVID-19 voranzutreiben und Therapieoptionen zu prüfen. Hierbei konnten wir an der Charité zahlreiche präklinische und klinische Forschungsprojekte etablieren. Zudem können wir so Ressourcen und Technologien gemeinsam nutzen und Synergien fördern“, unterstreicht Prof. Witzenrath.   Prof. Sander kam 2011 aus den USA an die Charité und hat 2016 die Professur für Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung angetreten. Er beschäftigt sich insbesondere mit der Immunantwort und der Entstehung der schützenden Immunität durch Impfungen und Infektionen. Prof. Sander und sein Team führen seit Beginn der Corona-Pandemie zahlreiche Forschungsprojekte zu COVID-19 durch, beispielsweise zu fehlgeleiteten Immunantworten bei schweren COVID-19-Verläufen, zur Wirkung der COVID-19-Impfung sowie zu Verträglichkeit und Wirksamkeit der sogenannten Kreuzimpfung. Prof. Sander ist Mitglied des Charité/BIH COVID-19 Research Board. Zu den klinischen Schwerpunkten gehören die Behandlung und Prävention von Infektionen der Lunge und der Atemwege, hochkontagiöse Infektionen sowie personalisierte Therapien für Infektionskrankheiten.  „Die Infektiologie ist ein dynamisches Fachgebiet, in dem wir uns regelmäßig mit neuen Krankheiten auseinandersetzen müssen. COVID-19 ist da nur das jüngste Beispiel. Die Infektiologie ist zudem ein klassisches Querschnittsfach, das von der Interaktion mit nahezu allen anderen Fachdisziplinen der Medizin lebt. Diese Interaktion macht es besonders reizvoll. Zudem stehen wir nicht erst seit COVID-19 vor enormen Herausforderungen: Sich wandelnde Ökosysteme, eine zunehmende Bevölkerungsdichte und weltweite Mobilität begünstigen das Auftreten neuer Infektionskrankheiten. Gleichzeitig verlieren viele Antibiotika aufgrund verbreiteter Resistenzen ihre Wirksamkeit gegen alte, bekannte Erreger. Wir haben in der Infektionsforschung gerade im Bereich von modernen Therapien, den sogenannten ‚advanced therapies‘, einiges aufzuholen. Und natürlich brauchen wir neue Impfstoffe, um Infektionskrankheiten zu verhindern, denn Prävention ist immer besser als Therapie. Genau dieses dynamische Feld, das großartige interdisziplinäre Umfeld der Charité und des BIH – mit der herausragenden Berliner Tradition in der Infektionsmedizin – reizen mich an dieser tollen neuen Aufgabe“, erklärt Prof. Sander. Prof. Suttorp hatte 1999 die Charité-Professur für Infektiologie und die Leitung der Klinik für Infektiologie, ergänzt ab 2005 durch die Pneumologie, übernommen. Ab 2016 war er zudem Ärztlicher Leiter des CharitéCentrums 12 für Innere Medizin und Dermatologie. Prof. Suttorp gilt als prägend für den translationalen Schwerpunkt der Infektiologie und Immunologie an der Berliner Universitätsmedizin. Zudem war er Impulsgeber für die neue Leitungsstruktur: „Infektiologie und Pneumologie – inklusive der internistischen Intensivmedizin – das sind schon zwei sehr große Fächer. Beide Bereiche müssen sich weiterentwickeln – und das selbstständig und vor allem zugleich zusammen. Das schafft ideale Gestaltungs- und Wachstumsbedingungen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Beteiligten gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten können.“ Er ergänzt: „Ich freue mich daher sehr, dass die Charité mit Martin Witzenrath und Leif Sander zwei hervorragende Persönlichkeiten mit einer hohen klinischen und wissenschaftlichen Kompetenz gewinnen konnte. Darüber hinaus sind sie ausgezeichnete Organisationstalente – und sie verstehen sich gut.“  Prof. Suttorp bleibt als Seniorprofessor Sprecher des Sonderforschungsbereichs Transregio 84 „Angeborene Immunität der Lunge: Mechanismen des Pathogenangriffs und der Wirtsabwehr in der Pneumonie“.
Veröffentlicht am 10.05.2022 um 08:31:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Charité-Jahresabschluss 2021 mit ausgeglichenem Ergebnis

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin hat das Jahr 2021 mit einem leichten Überschuss von rund 7,8 Millionen Euro abgeschlossen. Das vergangene Jahr war für die Charité abermals maßgeblich durch die Pandemie geprägt. Dank der Unterstützung des Landes Berlin ist es gelungen, die Deckungslücke aus den coronabedingten Belastungen auszugleichen. Darüber hinaus zeigen die Gesamteinnahmen von rund 2,3 Milliarden Euro und das ausgeglichene Jahresergebnis die solide wirtschaftliche Basis der Berliner Universitätsmedizin. Der Aufsichtsrat der Charité hat den Jahresabschluss in seiner heutigen Sitzung festgestellt.  Auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie waren die Mitarbeitenden der Charité extrem gefordert. Dabei hat jede Welle der Pandemie ihre Besonderheiten gezeigt und neue Herausforderungen mit sich gebracht. Mit mehr als 6.400 stationär versorgten COVID-19-Patient:innen – davon mehr als 2.900 auf den Intensivstationen – hat die Berliner Universitätsmedizin eine führende Rolle bei der Versorgung von schweren COVID-Fällen eingenommen. Mit viel Engagement ist es den rund 17.600 Charité-Beschäftigten trotz der schwierigen Rahmenbedingungen gelungen, 2021 ein Jahresergebnis von rund 7,8 Millionen Euro zu erwirtschaften. Das positive Ergebnis ist zudem der erneuten Unterstützung des Landes Berlin zu verdanken, das die coronabedingten Verluste der Berliner Universitätsmedizin in Höhe von fast 62,6 Millionen Euro vollständig ausgeglichen hat. Ulrike Gote, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sowie Aufsichtsratsvorsitzende der Charité, erklärt: „Die Corona-Pandemie hat die Anforderungen an eine Universitätsmedizin grundlegend verändert und die Charité vor enorme Herausforderungen und Belastungen in Forschung, Lehre und Krankenversorgung gestellt. Die Charité hat mit der Expertise und dem außerordentlichen Einsatz ihrer Beschäftigten auch im Jahr 2021 einen wesentlichen Beitrag zur Pandemiebekämpfung geleistet, in Berlin, aber auch bundesweit. Die Corona-Pandemie hat uns allen die enorme Bedeutung einer leistungsfähigen und gut ausgestatteten Universitätsmedizin vor Augen geführt.“ Sie ergänzt: „Um die finanziellen Sonderlasten der Pandemie für die Charité abzumildern, hat das Land 2021 Mittel in Höhe von 62,6 Millionen Euro bereitgestellt. Der Wissenschafts- und Gesundheitsstandort Berlin ist nicht zuletzt wegen der Charité im nationalen und internationalen Vergleich hervorragend aufgestellt. Es ist Anspruch des Senats, mit politischer und finanzieller Unterstützung auch künftig optimale Rahmenbedingungen für eine exzellente, international konkurrenzfähige und wirtschaftlich stabile Universitätsmedizin zu gewährleisten. Als Aufsichtsratsvorsitzende und im Namen des Senats gilt mein besonderer Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Charité, die im vergangenen Jahr Herausragendes geleistet haben.“ Die Charité hatte gleich zu Beginn der Corona-Pandemie ihre Prozesse in Klinik und Fakultät an die veränderten Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen während einer dynamischen Pandemie angepasst, um in einer der schwersten Gesundheitskrisen der letzten Jahrzehnte handlungsfähig zu bleiben. Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, betont: „Wir danken dem Land Berlin für die finanzielle Unterstützung. Zudem zeigt das gute Ergebnis auch die wirtschaftliche Stabilität der Charité und vor allem natürlich die hohe Leistungsfähigkeit und Motivation aller unserer Mitarbeitenden.“ Er fügt hinzu: „Zwei Jahre Pandemie, das sind zwei Jahre beeindruckender Teamgeist und fortwährendes außergewöhnliches Engagement. Ich bin stolz auf unser ‚Team Charité‘ und möchte mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich bedanken, denn sie alle haben wirklich Großartiges geleistet.“  Trotz der Einschränkungen des klinischen Normalbetriebs konnten 2021 bei 3.099 Betten 682.731 ambulante Fälle sowie 123.793 voll- und teilstationäre Fälle versorgt werden. Astrid Lurati, Vorstandsmitglied für Finanzen und Infrastruktur der Charité, erklärt: „Das zweite Jahr der Pandemie hat die Charité in Krankenversorgung, Forschung und Lehre weiterhin auf eine Belastungsprobe gestellt. Neben der bestmöglichen Versorgung der vielen COVID-Patienten waren wir bestrebt, unseren Auftrag in jeder Hinsicht umfassend und qualitätsorientiert zu erbringen. Unseren neuen herausfordernden Tagesalltag haben wir gemeinsam sehr gut gemeistert, sodass es am Ende eines durch erhebliche Unsicherheiten und Risiken geprägten Wirtschaftsjahres gelungen ist, 2021 mit einem soliden Ergebnis abzuschließen. Mein großer Dank gilt hierfür allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Konzerngesellschaften, die alle einen wertvollen Beitrag hierzu geleistet haben, aber auch dem Land Berlin, das uns erneut die coronabedingten Verluste ausgeglichen hat. Im zweiten Ausnahmejahr sind 2021 in der Charité insgesamt 2,3 Milliarden Euro eingenommen worden. Der Jahresüberschuss der Charité beläuft sich auf rund 7,8 Millionen Euro und das Konzernergebnis auf rund 10,9 Millionen Euro.“ Ein wichtiger Meilenstein zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege und den Gesundheitsfachberufen war zudem die Einigung auf den Tarifvertrag „Gesundheitsfachberufe Charité“ zur Entlastung des Klinikpersonals. Kern sind eine fest definierte Mindestpersonalbemessung für alle bettenführenden Stationen und verschiedene Funktionsbereiche sowie das sogenannte CHEP-Punktesystem, mit dem die Mitarbeiter:innen einen Ausgleich für besondere Belastungen geltend machen können.  Die Medizinische Fakultät konnte im Berichtsjahr mit Drittmitteleinnahmen in Höhe von rund 215,8 Millionen Euro einen neuen Höchstwert erreichen, der die Exzellenz der Forschung dokumentiert und einen erheblichen Beitrag zur wissenschaftlichen Entwicklung Berlins leistet. Die herausragende Forschungsstärke der Berliner Universitätsmedizin spiegelt sich beispielsweise auf nationaler Ebene in der Beteiligung an 28 DFG-Sonderforschungsbereichen und international in 23 EU-Projekten wider. Darüber hinaus haben sich von den insgesamt 5.857 Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften 549 Beiträge mit Forschungsthemen zu SARS-CoV-2/COVID-19 befasst.  Ein wegweisendes strategisches Thema war zudem die Integration des Berlin Institute of Health als „Berlin Institute of Health in der Charité“ (BIH) zum Jahresbeginn 2021. Mit der Integration bildet das BIH als „Translationsforschungsbereich“ – zusätzlich zum Universitätsklinikum und der Medizinischen Fakultät – die dritte Säule der Charité. Prof. Dr. Christopher Baum hat als Vorsitzender des BIH-Direktoriums die mit der Integration neu geschaffene Charité-Vorstandsposition für den Translationsforschungsbereich übernommen. Damit ist auch der Prozess der Weiterentwicklung des nun sechsköpfigen Charité-Vorstands abgeschlossen. Einen Wechsel gab es zudem bei der Position des Vorstands für Krankenversorgung: Prof. Dr. Martin E. Kreis folgte im Januar auf Prof. Dr. Ulrich Frei, der in den Ruhestand gegangen war. Weiterentwickelt und konkretisiert wurde ferner auch die Strategie 2030 „Wir denken Gesundheit neu“ im Dialog mit den Mitarbeitenden. Der Strategieprozess steht in der Charité-Tradition der Translation als einer Einheit von Forschung, Lehre und Krankenversorgung zum Wohle der Patient:innen. Zusammen mit den Beschäftigten sollen die Entwicklungen der kommenden Jahre in der Region und deutschlandweit mitgestaltet werden. Dabei versteht sich die Charité als tragende Säule des Gesundheitssystems und als Teil einer exzellenten Wissenschaftsregion.  Darüber hinaus wurden Ende letzten Jahres die notwendigen vertraglichen Voraussetzungen für das Deutsche Herzzentrum der Charité (DHZC) finalisiert: Ab 2023 werden die Charité und das Deutsche Herzzentrum Berlin (DHZB) darin ihre herzmedizinischen Kompetenzen bündeln. Das DHZC wird ein international führendes universitäres Herzzentrum sein. Dafür entsteht zudem ab 2023 ein hochmoderner Neubau am Campus Virchow-Klinikum. Abschließend unterstreicht Prof. Kroemer den Bezug zwischen Gegenwart und Zukunft: „Wir sind im Vorstand der Überzeugung, dass wir morgen von den Dingen leben werden, die wir heute planen und überlegen. Insofern ist es unabdingbar, auch in schwierigen Zeiten über die strategische Entwicklung nachzudenken: Die größten Themen für die Zukunft sind der demographische Wandel, der medizinische Fortschritt und die Digitalisierung. Die Demographie führt – kurz gesagt – zu weniger Leistungserbringern und deutlich mehr Leistungsnehmern. Parallel dazu wird der medizinische Fortschritt die Ressourcen des Systems erheblich fordern. Daher müssen wir das Gesundheitssystem nachhaltig und klug digitalisieren.“ Kennzahlen 2021 Die Charité – Universitätsmedizin Berlin ist mit rund 100 Kliniken und Instituten an 4 Campi sowie 3.099 Betten eine der größten Universitätskliniken Europas. Forschung, Lehre und Krankenversorgung sind eng miteinander vernetzt. Mit Charité-weit durchschnittlich 17.615 und konzernweit durchschnittlich 20.921 Beschäftigten gehört die Berliner Universitätsmedizin auch 2021 zu den größten Arbeitgebern der Hauptstadt. Dabei waren 5.047 der Beschäftigten in der Pflege und 4.988 im wissenschaftlichen und ärztlichen Bereich sowie 1.265 in der Verwaltung tätig. An der Charité konnten im vergangenen Jahr 123.793 voll- und teilstationäre Fälle sowie 682.731 ambulante Fälle behandelt werden. Im Jahr 2021 hat die Charité Gesamteinnahmen von rund 2,3 Milliarden Euro, inklusive Drittmitteleinnahmen und Investitionszuschüssen, erzielt. Mit den 215,8 Millionen Euro eingeworbenen Drittmitteln erreichte die Charité einen erneuten Rekord. An einer der größten medizinischen Fakultät Deutschlands werden mehr als 9.000 Studierende in Human- und Zahnmedizin sowie Gesundheitswissenschaften und Pflege ausgebildet. Darüber hinaus werden 730 Ausbildungsplätze in 11 Gesundheitsberufen sowie 111 in 8 weiteren Berufen angeboten. Jahresbericht 2021  Digital, nachhaltig und wissenswert: Der Charité-Jahresbericht „Einblicke 2021 | Insights 2021“ gibt auf 70 Seiten einen Überblick über die Themen und Entwicklungen in Klinik und Pflege, Wissenschaft und Forschung sowie Studium und Lehre. Der deutsch-englischsprachige Jahresbericht ist jetzt in der Mediathek auf der Charité-Website unter „Publikationen“ veröffentlicht.
Veröffentlicht am 29.04.2022 um 12:40:12 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

ERC Advanced Grants für Spitzenforschende der Charité

Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben das Auswahlgremium der Europäischen Kommission überzeugt: Wie reagiert das angeborene Immunsystem bei stark erhöhtem Nährstoffbedarf in Schwangerschaft und Stillzeit? Wie funktioniert das Gedächtnis von natürlichen Killerzellen? Und: Welche Mechanismen der Genregulation führten im Laufe der Evolution zum Entstehen von Flügeln bei einem Säugetier? Diesen Fragen werden sie in den kommenden fünf Jahren nachgehen. ERC Advanced Grants gehören zu den höchstdotierten europäischen Auszeichnungen. Jeweils rund 2,5 Millionen Euro stehen den Projekten zur Umsetzung zur Verfügung. Es gilt wegweisende, aber mit Unsicherheiten verbundene Ideen zu verfolgen. Der Europäische Forschungsrat, European Research Council (ERC), unterstützt daher mit seinen Advanced Grants herausragende, etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Vorstößen in noch unbekannte und gleichzeitig vielversprechende Bereiche ihres Fachgebiets. Alleiniges Auswahlkriterium ist die wissenschaftliche Exzellenz der Antragstellenden und der Projekte. Prof. Dr. Andreas Diefenbach, Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité, ist mit der Entwicklung des Immunsystems befasst. Im Mittelpunkt seiner Arbeiten steht die Frage, anhand welcher Mechanismen das angeborene Immunsystem Infektionserreger oder auch Krebszellen erkennt. Intensiv studierte er sogenannte natürliche Killerzellen (NK-Zellen) und konnte zeigen, dass diese und andere Lymphozyten des angeborenen Immunsystems, genannt Innate Lymphoid Cells (ILC), nicht nur zentrale Aufgaben bei der Infektionsabwehr übernehmen, sondern auch wichtige Funktionen bei nicht-immunologischen Vorgängen wie dem Stoffwechsel. Ein Fokus seiner Arbeiten liegt auf der Rolle des angeborenen Immunsystems bei Anpassungsprozessen an die Umwelt und Einflüssen von etwa Mikrobiom, Strahlung oder Ernährung auf diese Prozesse. ERC Advanced Grant ILCADAPT: Wie Zellen des angeborenen Immunsystems auf Stoffwechselveränderungen in Geweben reagieren Eine gelungene, bedarfsgerechte Anpassung an eine sich kontinuierlich verändernde Umwelt ist Voraussetzung allen gesunden Lebens. Die molekularen Grundlagen dieser Prozesse sind allerdings nur in Bruchstücken verstanden. So ist beispielsweise die Aufnahme von Nahrungsbestandteilen im Darm ein zentraler physiologischer Vorgang, der alle Aspekte des Organismus beeinflusst und komplexer Regulation unterliegt. Fehlregulationen hingegen führen zu Mangelsyndromen oder Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas und Diabetes. Prof. Diefenbach und sein Team an der Charité und dem Leibniz-Institut Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) konnten bereits zeigen, dass ILC, Lymphozyten des angeborenen Immunsystems, eine bedeutende regulierende Rolle bei der Aufnahme von Nährstoffen durch die Epithelzellen des Darms – Zellen, die den Darm innerlich auskleiden – spielen. Die ILC agieren als Sensoren bei verändertem Nährstoffbedarf und reagieren auf Veränderungen des Nahrungsinputs. Gezielt setzen sie Botenstoffe frei, die die Funktion des Darmepithels verändern, um so die Aufnahme von Nährstoffen anzupassen. Das ERC-Projekt ILCADAPT wird die Rolle von ILC in einer Ausnahmesituation, der stark erhöhten Nachfrage nach Nährstoffen während Schwangerschaft und Stillzeit, analysieren. Beide physiologischen Zustände gehen mit einem stark erhöhten Stoffwechselbedarf einher. Ziel ist es, die molekularen Netzwerke zu verstehen, durch die Lymphozyten des angeborenen Immunsystems die Verwertung von Nährstoffen regulieren, in dem sie Programme von Epithelzellen und hormonproduzierenden Zellen des Epithels steuern. Langfristige Perspektive der Untersuchungen ist es, grundlegende Regulationsmechanismen zu erkennen und für Therapien bei Stoffwechselerkrankungen zugänglich zu machen. Prof. Dr. Stefan Mundlos, Direktor des Instituts für Medizinische Genetik und Humangenetik der Charité und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik (MPIMG), untersucht Ursachen genetischer Erkrankungen und erforscht, auf welche Weise Information im Genom gespeichert und weitergegeben wird. Auch ist er mit genetisch bedingten Fehlbildungen des Skeletts sowie mit seltenen Knochenerkrankungen befasst. Insbesondere widmet sich Prof. Mundlos der Frage, wie die Regulation der Genaktivität die menschliche Entwicklung steuert und wie im Einzelnen es dabei zu Erkrankungen und Fehlbildungen kommen kann. Hierzu nutzt der Humangenetiker neue Methoden des Genome Engineering und hinterfragt den Einfluss nicht-kodierender Teile des Genoms auf die Genregulation während der Embryonalentwicklung. Ein weiterer Schwerpunkt ist die vergleichende Genomik evolutionärer Anpassungsvorgänge. ERC Advanced Grant GenRevo (Genetic Engineering of Regulatory Evolution): Wie die Fledermaus das Fliegen lernte – ein Musterbeispiel evolutionärer Anpassung Wie kommt die äußere Form eines Organismus zustande? Und wie wird dieser Vorgang durch nicht-kodierende Elemente des Erbguts gesteuert? Diesen Fragen stellt sich Prof. Mundlos bereits seit vielen Jahren. Zwar ist bekannt, dass die Regulierung von Genen eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung von Phänotypen, dem äußeren Erscheinungsbild eines Organismus, spielt. Die genauen Einflüsse regulatorischer Sequenzen hingegen, jener Bereiche des Erbguts, die selbst nicht abgelesen werden, sind noch immer unbekannt. Regulatorische Sequenzen machen einen großen Teil des nicht-kodierenden Erbguts aus. Sie enthalten keine Bauanleitungen für Proteine. Stattdessen steuern sie die Genexpression, also ob und wann ein Gen abgelesen und wie viel Protein infolgedessen hergestellt wird. Wie dabei sogenannte Enhancer (englisch für „Verstärker“), Promotoren (von französisch für „Initiator“) und andere regulatorische Komponenten zusammenarbeiten, um die Genexpression zu kontrollieren und fein abzustimmen, das gilt es zu verstehen. Enhancer-Sequenzen können weit von ihrem Ziel-Gen entfernt sein. Die Promotorregion dagegen befindet sich stets in unmittelbarer Nähe zum eigentlichen Gen. Zusätzlich gibt es epigenetische Regulatoren – also Faktoren, die die „Verpackung“ des Erbgutes chemisch modifizieren, sie mit einer Lesesperre versehen, die DNA-Sequenz selbst aber nicht verändern. Prof. Mundlos und seinem Team ist es bereits gelungen aufzuzeigen, wie DNA-Veränderungen in nicht-kodierenden Bereichen zu Krankheiten führen können. So können Abweichungen in der DNA-Sequenz Veränderungen in der dreidimensionalen Struktur des Genoms verursachen. Legt sich beispielsweise ein DNA-Faden im Zellkern nicht mehr in die richtigen Schlaufen, kann dies eine fehlerhafte Genregulation zur Folge haben. Eine der derzeit größten Herausforderungen ist es, den Sequenzcode aufzudecken, der die Genexpression und letztlich den Phänotyp steuert. Im ERC-Projekt GenRevo hat sich Prof. Mundlos vorgenommen, die Genomik eines extremen Beispiels evolutionärer Anpassung, den Flügel von Fledermäusen, als Modellsystem zu untersuchen. Ziel ist es, herauszufinden und funktionell zu analysieren, wie im Einzelnen die regulatorische Sequenz das Erscheinungsbild der Flügel, also der vorderen Gliedmaßen des fliegenden Säugetiers, bestimmt. Gemeinsam mit einem Team an der Charité und am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik plant der Humangenetiker, die nicht-kodierenden genetischen Steuerungselemente zu identifizieren, die diese außergewöhnliche evolutionäre Anpassung steuern. Als Vergleich dient hierzu die Maus, bei der vordere und hintere Extremitäten relativ gleich aufgebaut sind. Da diese Steuerungselemente verhältnismäßig groß sind, wollen die Forschenden die Genom-Abschnitte mit Technologien der synthetischen Biologie selbst künstlich herstellen und testen. Nachfolgende Analysen sollen aufzeigen, welche genetischen Schalter für die Ausbildung von Flügeln anstelle von Pfoten erforderlich sind, und nach welchen Gesetzmäßigkeiten diese zusammenarbeiten. Neben der Klärung grundlegender Fragen soll die neu entwickelte Technologie die Funktionsanalyse von Säugetiergenomen in der Zukunft entscheidend erleichtern. Auch könnte sie Untersuchungen von nicht-kodierenden DNA-Abschnitten ermöglichen, die die Entwicklung des Körpers oder das Entstehen genetischer Erkrankungen beeinflussen. Mit Prof. Dr. Chiara Romagnani erhält eine weitere Forschende der Berliner Universitätsmedizin die Auszeichnung eines ERC Advanced Grants. Das Vorhaben wird am Leibniz-Institut Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) angesiedelt sein – hier und an der Charité leitet die Immunologin eine gemeinsame Arbeitsgruppe. Prof. Romagnani beschäftigt sich seit Beginn ihrer Forschungslaufbahn mit dem angeborenen Immunsystem. In ihren Arbeiten konnte sie zeigen, dass auch natürliche Killerzellen (NK-Zellen) die Fähigkeit haben, sich als Reaktion auf Virusinfektionen klonal zu vermehren und auf lange Zeit im Menschen zu überleben. Diese Eigenschaften galten bis dahin als exklusiv für adaptive Gedächtniszellen. In dem nun geförderten ERC-Projekt MEM-CLONK (Imprinting und Klonalität des Gedächtnisses menschlicher NK-Zellen) wird sie die molekularen Mechanismen untersuchen, die die epigenetische Umstrukturierung, die klonale Selektion und die Aufrechterhaltung von NK-Gedächtniszellen steuern. Basierend auf diesem Wissen soll es möglich werden, antivirale und antitumorale Zelltherapien zu entwickeln.
Veröffentlicht am 26.04.2022 um 11:03:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Gemeinsame IT-Infrastruktur: Vivantes und Charité starten digitalen Austausch strukturierter Behandlungsdaten

Gemeinsame Pressemitteilung von Charité und Vivantes  Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Gesundheitsstadt Berlin 2030: Nachdem die Charité – Universitätsmedizin Berlin und die Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH 2021 die gemeinsame digitale Behandlungsakte eingeführt haben, folgt jetzt der smarte Austausch medizinischer Behandlungsdaten. Ziel ist es unter anderem, für eine bestmögliche Versorgung den Patientenfluss im Krankenhaus optimal zu steuern sowie in kritischen Situationen lebenswichtige Zeit zu gewinnen.  Die Infrastruktur zum digitalen Austausch von strukturierten Behandlungsdaten zwischen Berlins größten Klinikbetreibern steht ab sofort bereit. Das behandelnde Personal kann dadurch künftig auf medizinisch relevante Patientendaten wie etwa aktuelle Laborwerte, Vitalzeichen oder schon früher erfasste allgemeine Gesundheitsdaten zugreifen. Dies bietet zahlreiche Vorteile für die „Patient Journey“, also die „Patientenreise“ während der medizinischen Betreuung: Mehrfachuntersuchungen können teilweise vermieden und Wartezeiten für Patient:innen und Personal reduziert werden. Zunächst wird die Technologie in den kommenden Monaten erprobt und parallel bis Herbst 2022 zwei konkrete Anwendungsfälle umgesetzt. Dr. Eibo Krahmer, Vivantes Geschäftsführer für Finanzmanagement, Infrastruktur und Digitalisierung: „Unser Anspruch ist es, den Berliner:innen stets eine moderne und hochwertige Gesundheitsversorgung zu bieten – in unseren Einrichtungen und in der professionellen Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern wie der Charité. Zentral dafür sind reibungslose Abläufe und gut funktionierende Schnittstellen – technisch wie organisatorisch. Ich freue mich deshalb sehr, dass die gemeinsame IT-Infrastruktur weiter Gestalt annimmt und der Austausch von Behandlungsdaten bald in den Betrieb geht.“ Martin Peuker, Chief Information Officer sowie Leiter des Geschäftsbereichs IT der Charité:  „Mit dem digitalen Austausch strukturierter Behandlungsdaten haben wir einen weiteren Meilenstein innerhalb unserer IT-Kooperation von Charité und Vivantes erreicht. Die ersten beiden Anwendungsmöglichkeiten haben wir bewusst in zwei entscheidenden Bereichen gewählt. Beim Infektionsmanagement geht es um die Vernetzung der Hygienedatenbanken beider Häuser miteinander sowie mit Labor Berlin. Ziel ist es, Patienten mit multiresistenten Erregern frühzeitig und konsequent zu isolieren. Beim Einsatz in der Intensivmedizin tragen wir durch die automatische Einspielung der Daten zu einem Behandlungsstart ohne Verzögerung bei.“ Live-Betrieb ab Herbst 2022 Auf der digitalen Infrastruktur zum Austausch von Behandlungsdaten werden bis Herbst 2022 zunächst folgende Anwendungsfälle umgesetzt: 1. Anwendungsfall: Infektionsmanagement  Im Anwendungsfall Infektiologie werden die Hygienedatenbanken von Vivantes und Charité miteinander und zusätzlich mit der Datenbank der gemeinsamen Tochtergesellschaft Labor Berlin vernetzt. Bei der Patientenaufnahme bei Vivantes kann das behandelnde Personal dadurch frühzeitig einsehen, ob ein Patient beispielsweise Träger eines multiresistenten Erregers ist – selbst wenn die Daten ursprünglich in der Charité eingegeben wurden. Dies ermöglicht eine frühzeitige Isolation und trägt maßgeblich zur Sicherheit von Patient:innen und Mitarbeitenden bei. 2. Anwendungsfall: Intensivmedizin Im Bereich der Intensivmedizin steht die Bereitstellung von zentralen Vital- und Laborparametern bei einer Verlegung zwischen Charité und Vivantes im Vordergrund. Dies wird zunächst für Patient:innen umgesetzt, die eine Versorgung per ECMO (Extrakorporale Membranoxygenierung), ein Unterstützungssystem, das die Atemfunktion der Patient:innen außerhalb des Körpers übernimmt, benötigen. Im Rahmen der IT-Kooperation werden vorhandene Patientendaten vor Verlegung an das aufnehmende Klinikum überspielt und können in die Systeme übernommen werden. Verlegung und Behandlung können somit ohne Verzögerung starten. Der Datenschutz hat in beiden Anwendungsfällen höchste Priorität.
Veröffentlicht am 26.04.2022 um 09:41:04 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

COVID-19-Therapie: Zusammen ist besser als allein

Gemeinsame Pressemitteilung von Charité, MDC und FU Berlin Zur Behandlung von COVID-19 stehen immer mehr Medikamente zur Verfügung. Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) und der Freien Universität (FU) Berlin haben die Wirkmechanismen von antiviralen und antientzündlichen Substanzen genauer untersucht. Im Fachjournal Molecular Therapy* beschreiben sie, dass eine Kombination aus beiden am besten funktioniert und das Zeitfenster für den Einsatz einer Antikörpertherapie verlängert. Noch immer führen Infektionen mit SARS-CoV-2 auch zu Aufnahmen in ein Krankenhaus. Derzeit werden laut Robert-Koch-Institut innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner etwa sechs bis sieben Menschen mit COVID-19 eingewiesen. Bei der stationären Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten gibt es mittlerweile eine Reihe von Medikamenten, die den Krankheitsverlauf abmildern oder bei Schwerkranken das Risiko eines tödlichen Verlaufs verringern. Einige bekämpfen das Virus, andere die Entzündung, die es hervorruft. Besonders werden monoklonale Antikörper und das stark entzündungshemmende Medikament Dexamethason eingesetzt. Antikörper fangen das Virus ab, heften sich an die Oberfläche des Spikeproteins und verhindern so, dass es in die menschlichen Zellen eintritt. Diese Therapie wird bis zum siebten Tag nach Beginn der Symptome angewandt. Sauerstoffpflichtige COVID-19-Patientinnen und -Patienten im Krankenaus erhalten in der Regel Dexamethason. Das Glukokortikoid hat sich seit etwa 60 Jahren bei einigen, auf einer übermäßigen Aktivierung des Immunsystems beruhenden Entzündungen bewährt. Auch bei COVID-19 dämpft es die Entzündungsreaktion des Körpers zuverlässig. Allerdings geht der Wirkstoff mit verschiedenen Nebenwirkungen einher, so kann er beispielsweise Pilzinfektionen nach sich ziehen. Deshalb sollte das Mittel nur sehr gezielt eingesetzt werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité, des Berliner Instituts für Medizinische Systembiologie (BIMSB) am MDC und der FU Berlin haben die Wirkmechanismen beider Therapien untersucht. „Dabei haben wir Hinweise dafür gefunden, dass eine Kombination aus Antikörper- und Dexamethason-Therapie besser wirkt als die einzelnen Therapien für sich genommen“, sagt Dr. Emanuel Wyler, Wissenschaftler der Arbeitsgruppe RNA Biologie und Posttranscriptionale Regulation unter Leitung von Prof. Dr. Markus Landthaler am BIMSB, und Erstautor der Studie. Da nicht alle Lungenareale anhand von Proben von Patientinnen und Patienten untersucht werden können, suchten die Forschungsteams im vergangenen Jahr zunächst nach einem geeigneten Modell. Co-Letztautor Dr. Jakob Trimpert, Tiermediziner und Arbeitsgruppenleiter am Institut für Virologie der Freien Universität Berlin, entwickelte in diesem Zuge COVID-19-Hamstermodelle. Die Tiere sind derzeit der wichtigste nicht transgene Modellorganismus für COVID-19, da sie sich mit denselben Virusvarianten wie Menschen infizieren und ähnliche Krankheitssymptome entwickeln. Die Erkrankung läuft bei den einzelnen Arten unterschiedlich ab: Goldhamster erkranken nur moderat, während Roborovski-Zwerghamster einen schweren Verlauf zeigen, der dem von COVID-19-Patientinnen und -Patienten auf Intensivstationen ähnelt. „In der aktuellen Studie haben wir die Auswirkungen von separaten und kombinierten antiviralen und entzündungshemmenden Behandlungen für COVID-19, also mit monoklonalen Antikörpern, Dexamethason oder einer Kombination aus beiden Therapien, in den vorhandenen Modellen geprüft“, erklärt Dr. Trimpert. Um das Ausmaß der Schädigung des Lungengewebes zu analysieren, untersuchten die Veterinärpathologen der FU Berlin infiziertes Lungengewebe unter dem Mikroskop. Außerdem bestimmte das Team um Dr. Trimpert zu verschiedenen Zeitpunkten der Behandlung die Menge an infektiösen Viren und Virus-RNA. So konnten die Forschenden überprüfen, ob und wie sich die Virenaktivität im Lauf der Therapie veränderte. „Mithilfe von detaillierten Analysen verschiedener Parameter einer COVID-19-Erkrankung, die so nur im Tiermodell möglich sind, ist es uns gelungen, nicht nur die Grundlagen der Wirkungsweise von zwei besonders wichtigen COVID-19-Medikamenten besser zu verstehen, wir fanden auch deutliche Hinweise auf mögliche Vorteile einer Kombinationstherapie aus monoklonalen Antikörpern und Dexamethason“, sagt Dr. Trimpert. Den Einfluss der Medikamente auf das komplexe Zusammenspiel der Signalwege innerhalb der Gewebezellen und auf die Anzahl der Immunzellen haben Einzelzellanalysen gezeigt. Dabei lassen die Forschenden die einzelnen Zellen einer Probe über einen Chip laufen. Dort werden sie zusammen mit einem Barcode in kleine wässrige Tröpfchen verpackt. Auf diese Weise kann die RNA – der Teil des Erbgutes, den die Zelle gerade abgelesen hatte – sequenziert und später der Zelle wieder zugeordnet werden. Aus den gewonnenen Daten lässt sich mit hoher Präzision auf die Funktion der Zelle schließen. „So konnten wir beobachten, dass die Antikörper die Virusmenge effizient reduzieren konnten“, erläutert Dr. Wyler. „Im Modell half das jedoch nicht viel.“ Denn nicht die Viren schädigen das Lungengewebe, sondern die starke Entzündungsreaktion, die sie auslösen. Die Immunzellen, die die Eindringlinge bekämpfen, schütten Botenstoffe aus, um Verstärkung herbeizurufen. Die Massen an Abwehrkämpfern, die herbeiströmen, können die Lunge regelrecht verstopfen. „Verschlossene Blutgefäße und instabile Gefäßwände können dann zu einem akuten Lungenversagen führen“, erklärt der Wissenschaftler. Für eine Überraschung sorgte das altbekannte Dexamethason. „Der Entzündungshemmer wirkt ganz besonders stark auf eine bestimmte Art von Immunzellen, die Neutrophilen“, sagt Co-Letztautorin Dr. Geraldine Nouailles, wissenschaftliche Arbeitsgruppenleiterin an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité. Die Neutrophilen gehören zu den weißen Blutkörperchen und treten bei Infektionen mit Viren und Bakterien sehr schnell auf den Plan. „Das Kortison-Präparat unterdrückt das Immunsystem und hindert die Neutrophilen daran, Botenstoffe zu produzieren, die andere Immunzellen anlocken“, führt Dr. Nouailles aus. „So verhindert das Medikament sehr effektiv eine Eskalation der Immunabwehr.“ Die besten Behandlungsergebnisse erreichten die Forschenden, als sie die antivirale mit der antientzündlichen Therapie kombinierten. „Eine solche Kombinationstherapie sehen die medizinischen Leitlinien bislang nicht vor“, betont Dr. Nouailles. „Hinzu kommt, dass eine Antikörpertherapie bislang nur bis zum maximal siebten Tag nach Symptombeginn bei Hochrisikopatientinnen und -patienten verabreicht werden darf. Dexamethason wird in der Praxis erst verabreicht, wenn Patientinnen oder Patienten sauerstoffpflichtig werden, also ihre Erkrankung bereits weit fortgeschritten ist. In der Kombination hingegen eröffnen sich ganz neue Zeitfenster der Behandlung.“ Ein Ansatz, der nun in klinischen Studien überprüft werden muss, bevor er für die Behandlung von Patientinnen und Patienten infrage kommt.
Veröffentlicht am 13.04.2022 um 08:24:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Einen drohenden Schlaganfall erkennen

Die Subarachnoidalblutung, eine bestimmte Form der Hirnblutung, kann Tage später zu einem ischämischen Schlaganfall führen. Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben jetzt gezeigt, dass massive elektrochemische Wellen im Gehirn einen Schlaganfall in einer solchen Situation ankündigen. Durch die elektrodiagnostische Überwachung dieser Wellen können Hirninfarkte rechtzeitig erkannt werden – insbesondere bei Patientinnen und Patienten, die aufgrund der Blutung intensivmedizinisch behandelt werden und im Koma liegen. Die Erkenntnisse könnten die Basis für neue Therapien legen und wurden jetzt in der Fachzeitschrift Brain* veröffentlicht. Die Subarachnoidalblutung ist eine Form der Hirnblutung, bei der sich das Blut großflächig zwischen die das Hirn umgebenden Häute ausbreitet. Diese Form des hämorrhagischen Schlaganfalls ist ein neurologischer Notfall, weshalb Betroffene umgehend intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Werden Gehirnzellen nicht durch eine Hirnblutung, sondern durch eine akute Mangeldurchblutung eines Hirnareals geschädigt, spricht man von ischämischen Schlaganfällen. Subarachnoidalblutungen können wiederum zu ischämischen Schlaganfällen führen. Mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit schwerer Subarachnoidalblutung entwickelt innerhalb der ersten zwei Wochen nach der Blutung einen solchen Schlaganfall. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité haben jetzt einen Biomarker identifiziert, der ein hohes Risiko für einen drohenden Schlaganfall nach einer Subarachnoidalblutung anzeigt. „Gerade bei Personen, die im Koma liegen und keine Auskunft über ihren Zustand geben können, ist es schwer zu beurteilen, wann sich ein neuer Hirninfarkt entwickeln könnte“, erläutert Prof. Dr. Jens Dreier vom Centrum für Schlaganfallforschung an der Charité und Erstautor der Publikation. „In unserer Studie zeigen wir, dass eine elektrodiagnostische Überwachung diesen Zeitpunkt sichtbar macht. So kann die Therapie auch bei komatösen Patientinnen und Patienten rechtzeitig eingeleitet werden, bevor es zu spät ist.“ Gemeinsam mit seinem Team hat Prof. Dreier den Biomarker auf Basis der sogenannten „Spreading Depolarizations“ entdeckt. Das sind massive elektrochemische Entladungswellen, die durch die giftigen Blutabbauprodukte der Hirnblutung hervorgerufen werden. Die davon betroffenen Hirnareale benötigen dann sehr viel Energie, um wieder in den Normalzustand zurückzukehren. In einem gesunden Gehirn sind sehr kurze Depolarisationen von Nervenzellen, also die Veränderungen der Membranspannung, normal und mit der Blutversorgung gekoppelt. Das heißt, dass das Gehirn die Gefäße entsprechend weit stellen und einen erhöhten Energiebedarf mit vermehrtem Blutfluss ausgleichen kann. Treten die massiven, langdauernden und krankhaften Spreading Depolarizations jedoch nach einer Subarachnoidalblutung auf, können zusätzlich Signalkaskaden zwischen Nervenzellen und Blutgefäßen gestört sein, so dass die Nervenzellentladung eine extreme Verengung der Gefäße auslöst. In der Folge fehlt den Nervenzellen die Energie, um sich wieder aufzuladen. Verbleiben sie zu lange in diesem entladenen Zustand, beginnen sie irgendwann abzusterben. „Eine wissenschaftliche Erkenntnis der vergangenen Jahre ist jedoch zentral“, betont Prof. Dreier: „Die Entladungswelle ist bis zu einem gewissen Grad reversibel. Das bedeutet also, dass sich die Nervenzellen auch wieder erholen können, wenn das Nervengewebe rechtzeitig durchblutet und so mit Sauerstoff versorgt wird.“ Hier setzt die vorliegende klinische Studie, die an fünf verschiedenen Universitätskliniken durchgeführt wurde, an. Um die Spreading Depolarizations präzise zu messen, nutzten die Forschenden die Elektrokortikografie, ein Verfahren der modernen Neurointensivmedizin zur elektrodiagnostischen Überwachung der Gehirnströme. Dafür wurden den Betroffenen mit Subarachnoidalblutung bei Klinikeinweisung Elektroden unter die harte Hirnhaut implantiert. Zusätzlich verwendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bildgebende Methoden wie Magnetresonanztomografie (MRT) und Computertomografie (CT). Sie werteten insgesamt rund 1.000 Bilder des Gehirns von 180 Patientinnen und Patienten mit Subarachnoidalblutung aus. In dieser bislang größten klinischen Studie zu Spreading Depolarizations konnten sie feststellen, dass durchschnittlich 46 Milliliter Hirngewebe in der Frühphase verloren gehen, also bereits, wenn die Betroffenen in die Klinik kommen. Weitere durchschnittlich 36 Milliliter werden in den ersten zwei Wochen beschädigt, während sich die Patientin oder der Patient in intensivmedizinischer Behandlung befindet. „Diese 36 Milliliter Hirngewebe könnten im Prinzip gerettet werden“, erklärt Prof. Dreier. „Wir können die Entstehung der Hirninfarkte elektrodiagnostisch in einem Stadium nachweisen, in dem die Veränderungen noch reversibel und modifizierbar sind. Die Beobachtung der Spreading Depolarizations kann demnach als Biomarker in Echtzeit genutzt werden. Sie ersetzt gewissermaßen den Austausch mit den Patientinnen und Patienten, die ihre Einschränkungen und Leiden nicht äußern können, da sie bewusstlos sind. So können wir diejenigen identifizieren, denen ein weiterer Schlaganfall droht und frühzeitig geeignete Therapiemaßnahmen einleiten. Personen, bei denen sich kein weiterer Hirninfarkt ankündigt, erhalten dagegen keine zusätzlichen Medikamente. Potenzielle Nebenwirkungen können auf diese Weise vermieden werden.“ Dieses Vorgehen entspricht dem Ansatz der Präzisionsmedizin, bei der die Therapie gezielt auf das Individuum zugeschnitten wird. Die Forschenden möchten das Monitoring der Spreading Depolarizations zukünftig weiter als Frühwarnsystem erproben und idealerweise im Klinikalltag etablieren, um die Behandlungsoptionen bei Schlaganfällen stetig zu verbessern. Dabei werden Verfahren künstlicher Intelligenz eine große Rolle spielen, um die elektrodiagnostischen Daten automatisiert zu analysieren und so intensivmedizinisches Personal in Echtzeit zu alarmieren, wenn das Hirngewebe der bewusstlosen Patientin oder des bewusstlosen Patienten in eine bedrohliche Lage gerät.
Veröffentlicht am 12.04.2022 um 08:19:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Magenentzündungen: wie eine bakterielle Infektion das Gewebe verändert

Gemeinsame Pressemitteilung von Charité und MDC Eine Infektion der Magenschleimhaut mit dem Helicobacter-Bakterium führt zu Magenentzündungen und erhöht zudem das Risiko für Magenkrebs. Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) konnte nun charakteristische Veränderungen in den Magendrüsen im Zuge einer Infektion aufklären. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dabei einen bisher unbekannten Mechanismus gefunden, der die Zellteilung im gesunden Gewebe begrenzt und somit vor Krebsentwicklung schützt. Durch eine Mageninfektion wird dieser aber aufgehoben, so dass Zellen unkontrolliert wachsen können. Diese im Fachmagazin Nature Communications* veröffentlichten Erkenntnisse können Grundlage für die Entwicklung neuer Krebstherapien sein. Eine Besiedelung des Magens mit Helicobacter pylori tritt weltweit bei etwa der Hälfte der Menschheit auf. Damit zählt sie zu den häufigsten chronischen bakteriellen Infektionen. In der Folge können sich Entzündungen des Magens (Gastritis) oder Magenkrebs entwickeln. Wegen des ständigen Kontakts mit der Magensäure erneuert sich die gesunde Magenschleimhaut innerhalb weniger Wochen komplett, wobei ihre Struktur und Zusammensetzung stets unverändert bleibt. „Bisher ging man davon aus, dass eine Helicobacter-Infektion die Drüsenzellen der Magenschleimhaut direkt schädigt“, erklärt Prof. Dr. Michael Sigal, Letztautor der Studie. „Unser Team hat nun herausgefunden, dass die komplexen Interaktionen verschiedener Zellen und Signale, die für die Stabilität des Gewebes sorgen, durch eine Infektion gestört werden.“ Prof. Sigal ist Emmy Noether-Arbeitsgruppenleiter an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie der Charité und am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB), das zum MDC gehört.  Um die Veränderungen der Magendrüsen durch eine Helicobacter-Infektion nachzuverfolgen, hat sich das Forschungsteam zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie komplexe Mausmodelle zu Nutze gemacht, bei denen sich bestimmte Zellen der Magendrüsen mittels modernster Technologien – wie Bildgebung und Einzelzellsequenzierung am Gewebe – visualisieren, isolieren und genau untersuchen lassen. Darüber hinaus entwickelten sie im Labor spezielle organähnliche Mikrostrukturen – sogenannte Organoide –, um damit den Einsatz von Tiermodellen einschränken zu können. Mithilfe dieser winzigen Miniaturmägen konnten sie viele Eigenschaften der Drüsen nachempfinden und den Einfluss vielfältiger Signale auf die dortigen Stammzellen untersuchen, aus denen verschiedene Zelltypen entstehen können.  „Wir haben herausgefunden, dass die sogenannten Stromazellen, die die Drüsen umgeben, nicht – wie bisher gedacht – nur für die mechanische Stabilität verantwortlich sind. Sie produzieren auch Botenstoffe, die das Verhalten der Drüsen maßgeblich beeinflussen“, beschreibt Prof. Sigal. Zu diesen Botenstoffen gehört auch das „Bone Morphogenetic Protein“ (BMP), das für die Gewebeentwicklung von Bedeutung ist. Die Forschenden konnten zeigen, dass Stromazellen, die die Drüsenbasis umgeben, den BMP-Signalweg fortwährend unterdrücken und so die Teilung der dortigen Stammzellen anregen. Hingegen aktivieren Stromazellen an der Drüsenspitze den Signalweg und unterbinden damit dort die Zellteilung. Dieser Einfluss der Umgebung ist die Grundlage für die stabile Drüsenstruktur. Durch eine Helicobacter-Infektion kommt es zur Ausschüttung von Endzündungsstoffen wie Interferon-gamma (IFN-γ). Im Zuge dieser Entzündungsreaktion werden nun vermehrt Botenstoffe produziert, die die Zellteilung der Stammzellen in den Drüsen anregen. Das führt schließlich zur sogenannten Hyperplasie – also dazu, dass sich das Gewebe vergrößert und Krebsvorläufer entstehen können. „Unsere Erkenntnisse zeigen, dass eine Infektion und eine damit einhergehende Entzündung viel mehr Effekte im Gewebe hat als bisher angenommen: klassische Entzündungsstoffe wie IFN-γ haben nicht nur eine direkte antimikrobielle Wirkung, sondern beeinflussen auch die Zellteilung und das Verhalten von Stammzellen im Gewebe. Bei einer Gewebeschädigung kann eine schnelle Zellteilung sehr sinnvoll sein, um eine rasche Heilung zu ermöglichen. Bei einer chronischen Entzündung im Zuge einer Helicobacter-Infektion könnte sie jedoch die Entwicklung von Krebsvorläufern begünstigen“, resümiert Prof. Sigal. Die Signalwege bei der Interaktion zwischen dem Immunsystem und Stammzellen, die auch für andere Organe als den Magen bedeutsam sein könnten, stellen somit einen Ansatzpunkt für neue Therapien – sowohl in der Krebsvorsorge als auch in der regenerativen Medizin – dar. 
Veröffentlicht am 11.04.2022 um 10:11:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Die Biologie der Schizophrenie besser verstehen

Welche Rolle spielt das Erbgut bei Schizophrenie? Dieser Frage ist eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Cardiff University nachgegangen. Daraus ist die bislang größte genetische Studie zur Schizophrenie entstanden, die jetzt in der Fachzeitschrift Nature* veröffentlicht wurde. Die Forschenden haben eine große Anzahl spezifischer Gene identifiziert, die von zentraler Bedeutung für die Entstehung und Entwicklung der psychiatrischen Erkrankung sein könnten. Schizophrenie ist eine schwere psychische Störung, die im späten Jugend- oder frühen Erwachsenenalter beginnt und nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation etwa einen von 300 Menschen weltweit betrifft. Zu ihren Symptomen gehören unter anderem Gedanken- und Wahrnehmungsstörungen, Konzentrationsschwäche, Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Antriebslosigkeit. Noch immer sind die Ursachen dieser komplexen Erkrankung nicht ausreichend verstanden. Man geht von einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren aus, zu denen insbesondere genetische Veranlagung, aber auch neurobiologische und psychosoziale Komponenten zählen. „Dass genetische Ursachen eine große Rolle spielen, ist seit Jahrzehnten bekannt, aber viele Mechanismen sind noch immer unzureichend aufgeklärt. Wir haben jetzt untersucht, bei welchen Genen und Genabschnitten die Erblichkeit zu finden ist. Daraus können wir Rückschlüsse auf die biologischen Prozesse und auf potenzielle neue Therapieansätze dieser Erkrankung ziehen“, erklärt Prof. Dr. Stephan Ripke, Leiter des Labors für statistische Genetik an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Campus Charité Mitte. Er ist Co-Letztautor der Studie und leitet das Team für statistische Genetik des Psychiatric Genomics Consortium. Dieses internationale Konsortium der psychiatrischen Genetik wirft mit der vorliegenden Arbeit nun mehr Licht auf die genetische Basis der Schizophrenie. Hunderte von Forschenden in 45 Ländern haben dafür die DNA von 76.755 Menschen mit Schizophrenie sowie von 243.649 Menschen ohne Schizophrenie analysiert. Dafür haben sie eine genomweite Assoziationsstudie durchgeführt. Eine solche untersucht die Genome – die DNA-Baupläne des menschlichen Körpers – von tausenden Personen in Hinblick auf ein spezifisches Merkmal, zum Beispiel eine Krankheit. Ziel ist es, Korrelationen abzuleiten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler suchten nach Abschnitten auf der DNA, die in Verbindung mit Schizophrenie stehen, also mit der Anfälligkeit für diese Erkrankung „assoziiert“ sind. Sie fanden in 287 verschiedenen Regionen des Genoms genetische Assoziationen zur Schizophrenie. Vorherige Studien zeigten bislang 100 Regionen auf. Durch die Verwendung moderner Analysemethoden innerhalb dieser Regionen entdeckten sie dann 120 spezifische Gene, die wahrscheinlich zu der psychischen Störung beitragen. „Wir konnten schon in früheren Arbeiten Assoziationen zwischen dem Erkrankungsrisiko für Schizophrenie und genetischen Regionen finden, jedoch deren biologische Funktionen nicht eindeutig interpretieren“, erläutert Vassily Trubetskoy, Doktorand im Labor für statistische Genetik und Co-Erstautor der Studie. „Das ist uns jetzt gelungen. Wir haben es nicht nur geschafft, eine höhere Anzahl solcher Korrelationen zu finden, sondern konnten auch viele von ihnen mit spezifischen Genen und biologischen Signalwegen verknüpfen und als Schizophrenie relevant deklarieren.“ Darüber hinaus konnte die Forschungsgruppe Neuronen – spezielle Gehirnzellen – als Träger des genetischen Risikos identifizieren. Die Befunde deuten zudem daraufhin, dass ungewöhnliche Neuronenfunktionen viele Bereiche im Gehirn betreffen, was die verschiedenen Symptome der Schizophrenie erklären könnte. Prof. Ripke: „Unsere Ergebnisse sind durch eine globale, beispiellose Zusammenarbeit entstanden und belegen eindrucksvoll die Bedeutung großer Stichproben von genetischen Studien. Wir sind besonders dankbar für das Vertrauen, das uns von allen Teilnehmenden entgegengebracht wurde. Allein bei den teilnehmenden psychiatrischen Kliniken in Berlin waren es über 1.000 Probandinnen und Probanden im Rahmen der BRIDGE-S-Studie. Nur durch die hohe Beteiligung aller sind wir einen wichtigen Schritt vorangekommen, um die Ursprünge der Schizophrenie besser zu verstehen und einen Grundstein für weitere Forschung zu neuartigen Therapien für diese schwere psychische Erkrankung zu legen.“
Veröffentlicht am 06.04.2022 um 16:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Bewegungsstörungen gezielter behandeln

Die Dystonie ist eine neurologisch bedingte Bewegungsstörung. Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin konnten jetzt wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse für eine verbesserte Behandlung der Erkrankung generieren: In der Fachzeitschrift PNAS* zeigen sie, dass es bei verschiedenen Formen der Dystonie entscheidend ist, ganz bestimmte Netzwerke im Gehirn zu stimulieren, um die Beschwerden der Betroffenen zu lindern. Die Dystonie ist eine seltene neurologische Erkrankung, bei der die Kontrolle über die Bewegungen gestört ist. In der Folge kommt es zu unwillkürlichen, verdrehenden und verzerrenden Bewegungen und Haltungen. Betroffene können in grundlegenden Tätigkeiten wie Essen, Gehen oder Sprechen eingeschränkt sein. In Deutschland leiden rund 160.000 Menschen unter Dystonie. Es wird zwischen der generalisierten Dystonie, die den ganzen Körper betrifft, und der fokalen Dystonie, die einzelne Körperteile beeinträchtigt, unterschieden. Zu letzterer zählt die zervikale Dystonie, die sich auf den Hals- und Nackenbereich auswirkt. Die Ursachen der Erkrankung sind noch nicht genau verstanden, angenommen wird eine gestörte Interaktion bestimmter Hirnareale, die zu einer fehlerhaften Signalübertragung führt. Außerdem spielen, je nach Form der Dystonie, genetische Ursachen eine Rolle. Eine Therapieoption für Patientinnen und Patienten mit Dystonie ist eine neurochirurgische Operation, bei der feine Elektroden in spezifische Bereiche des Gehirns implantiert werden. Von dort senden sie sehr schwache elektrische Signale, um die gestörte Hirnaktivität ins Gleichgewicht zu bringen. Dieses Verfahren – auch bekannt als Tiefe Hirnstimulation oder Hirnschrittmacher – ist für Betroffene oft die einzige Möglichkeit, ihre Leiden zu verringern. „Bislang war jedoch unklar, wie genau die Stimulation auf die Symptome bei verschiedenen Formen der Dystonie angepasst werden muss“ erklärt Prof. Dr. Andrea Kühn, Leiterin der Studie sowie der Sektion Bewegungsstörungen und Neuromodulation an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité. Sie ist außerdem Sprecherin des Transregio-Sonderforschungsbereiches TRR295 „ReTune“, der die aktuelle Studie mit unterstützt hat. In dieser untersuchte das Forschungsteam um Prof. Kühn insgesamt 80 Patientinnen und Patienten, die entweder an generalisierter oder zervikaler Dystonie erkrankt waren. Sie wurden an fünf verschiedenen Kliniken in Deutschland und Österreich mit Tiefer Hirnstimulation behandelt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten die genaue Platzierung der Elektroden und konnten anschließend im Computer modellieren, welche Gehirnnetzwerke bei welchem Patienten aktiviert wurden. Die daraus entstandenen Netzwerkkarten glichen sie schließlich mit der Verbesserung der Symptome ab und konnten so Rückschlüsse darauf ziehen, welche Netzwerke für den Therapieerfolg entscheidend waren. Das zentrale Ergebnis: Das optimale Stimulationsnetzwerk ist davon abhängig, welche Form der Dystonie vorliegt. So sind unterschiedliche spezifische Verbindungen zwischen Thalamus – der größten Struktur im Zwischenhirn – und Pallidum – dem sogenannten blassen Kern der Basalganglien – für die bestmöglichen Behandlungseffekte verantwortlich. Die Basalganglien sind Areale, die tief im Gehirn liegen und an der Ausführung von Bewegungen beteiligt sind. Bei der Patientengruppe mit zervikaler Dystonie war die elektrische Stimulation eines bestimmten Netzwerkes entscheidend, das unter anderem auch die Hals- und Kopfregion des primären Motorkortexes aktivierte. Hier werden Bewegungen geplant, gestartet und gespeichert, eine Art Kommandozentrale für Bewegungen. Bei der Patientengruppe mit generalisierter Dystonie zeigte sich die Anregung eines anderen Netzwerks als vorteilhaft, das eine Projektion auf den gesamten primären Motorkortex einschloss. „Unsere Studie zeigt also deutliche Unterschiede der optimalen Stimulationsstellen. Diese entsprechen der somatotopischen Struktur des inneren Pallidums. Das bedeutet, dass die Nervenareale im Gehirn analog zu den repräsentierten Körperregionen angeordnet sind“, sagt der Erstautor der Studie Dr. Andreas Horn von der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie. Prof. Kühn ergänzt: „Da alternative Behandlungsoptionen für Dystonie jenseits der Tiefen Hirnstimulation rar sind, sind unsere Erkenntnisse wichtig, um die Therapie entscheidend zu verbessern. So haben wir in Zukunft die Möglichkeit, noch präziser auf die spezifischen Formen der Erkrankung zu reagieren.“
Veröffentlicht am 01.04.2022 um 08:56:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Neu an der Charité: Prof. Zips ist Direktor der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie

Prof. Dr. Daniel Zips hat heute die Professur für Radioonkologie und Strahlentherapie der Charité – Universitätsmedizin Berlin übernommen. Damit verbunden ist die Leitung der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie am Campus Benjamin Franklin und am Campus Virchow-Klinikum sowie am Campus Charité Mitte (Experimentelle radioonkologische Forschung). Prof. Zips wechselt von Tübingen an die Spree und folgt auf Prof. Dr. Volker Budach, der die Professur seit 1993 innehatte und nun in den Ruhestand geht. Prof. Zips ist Facharzt für Strahlentherapie und war zuletzt in Tübingen Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Radioonkologie sowie Professor für Radioonkologie an der Eberhard Karls Universität. Der 51-Jährige freut sich auf den Wechsel an die Charité, an der er auch einen Teil seiner Studienzeit absolviert hat: „Die Berliner Universitätsmedizin und die bedeutende Forschungslandschaft in der Region sind starke Anziehungspunkte für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und der ganzen Welt. Darüber hinaus gehört die Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie der Charité deutschlandweit zu den traditionsreichsten Häusern.“ Er ergänzt: „Ein wichtiges Ziel bei jeder Behandlung – und auch in der Forschung – ist für mich die Individualisierung der Krebstherapie. Mit unserer medizinischen Qualifikation, der Erfahrung und dem modernsten Bestrahlungsequipment wollen wir die jeweils bestmögliche Therapie für unsere Patienten ermöglichen.“  Ein besonderes Anliegen ist Prof. Zips zudem die Lehre: „Die Vermittlung von Wissen und Erfahrungen an die angehenden Medizinerinnen und Mediziner ist mir sehr wichtig und macht mir viel Freude. Ich möchte unsere Studierenden gut ausbilden und fördern. Dazu gehört auch die Kunst der ärztlichen Gesprächsführung, denn wir müssen den Patientinnen und Patienten häufig auch schlechte Nachrichten überbringen. Dabei kommt es darauf an, gemeinsam gute Lösungen zu finden und die Lebensqualität bestmöglich zu erhalten.“
Veröffentlicht am 01.04.2022 um 08:08:48 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Neues Forschungsinstitut für Berlin

Der Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE) wird künftig den Wissenschaftsstandort Berlin bereichern. Dazu wurde jetzt der Gesellschaftsvertrag für das neue SHARE Berlin Institut von den Gründungspartnern unterzeichnet. SHARE wird künftig von vier führenden Forschungseinrichtungen getragen, bestehend aus dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA). Das SHARE Berlin Institut wird darüber hinaus eng mit dem Robert Koch-Institut (RKI) zusammenarbeiten. SHARE ist eine europäische Forschungsinfrastruktur, die seit 2004 die Lebenssituation europäischer Bürgerinnen und Bürger untersucht und erforscht, inwieweit sozial-, wirtschafts- und gesundheitspolitische Maßnahmen das Leben der Menschen prägen. Bis heute wurden in 530.000 Interviews rund 140.000 Menschen im Alter von 50 Jahren oder älter aus 28 europäischen Ländern und Israel befragt. Damit ist SHARE die größte internationale Forschungsinfrastruktur auf dem Gebiet der Sozial‐ und Verhaltenswissenschaften. Das neue Verbundprojekt ist ein positives Signal für die Berliner Forschungslandschaft, den Standort als Drehscheibe für internationale, datenbasierte Forschung zu stärken. Der Forschungsverbund wird zudem durch die unmittelbar beteiligten Einrichtungen die interdisziplinäre und internationale Forschung in Deutschland voranbringen. SHARE hat derzeit mehr als 14.000 wissenschaftliche Nutzerinnen und Nutzer weltweit, wobei Deutschland den größten Anteil stellt. Im Durchschnitt wird jeden Tag eine wissenschaftliche Arbeit auf der Datenbasis von SHARE veröffentlicht. Die Daten dienen sowohl der Grundlagenforschung als auch der evidenzbasierten Politikberatung auf europäischer und nationaler Ebene. Durch den Umzug nach Berlin werden neue Synergien entstehen, die sowohl der Grundlagenforschung als auch der evidenzbasierten Politikberatung in Deutschland zugutekommen werden. Prof. Dr. h.c. Jutta Allmendinger, Ph.D., Präsidentin des WZB: „Gesundheit und Krankheit sind nicht von Geburt an bestimmt, auch soziale und räumliche Faktoren spielen eine große Rolle. Gute, international vergleichende Informationen über die Lebensverläufe von Menschen können uns zeigen, welche Faktoren unsere Gesundheit, unsere Lebenserwartung, unseren Lebensverlauf bestimmen. Nur so können wir lernen, vorbeugen und helfen. SHARE Berlin liefert diese wichtigen Daten und ist deshalb von unschätzbarem Wert für die Sozialforschung.“ Prof. Dr. Marcel Fratzscher, Präsident des DIW Berlin: „Die internationale Langzeitstudie SHARE ist eine wichtige europäische Forschungsinfrastruktur, die einen enormen Beitrag zu unserem Verständnis zu Demografie und Alterung der Gesellschaft leistet. Diese Datenbasis ist wichtig, um aufzuzeigen, wie wirtschafts- und gesellschaftspolitische Maßnahmen die Entscheidungen und das Leben jedes einzelnen beeinflussen. SHARE wird Berlin als Wissenschaftsstandort weiter stärken und bereichern.“ Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité: „Wir freuen uns, dass die Charité einer von vier wissenschaftlichen Partnern ist, die SHARE und der damit verbundenen Forschung einen dauerhaften Sitz in der Gesundheitsstadt Berlin geben. Diese Forschungsinfrastruktur wird uns wichtige Daten für den Zusammenhang von Gesundheit und sozialen Lebensbedingungen aus multidisziplinärer, europäischer Perspektive liefern. Eine Datenbasis, die zum Beispiel helfen kann, die gesundheitlichen Langzeitrisiken der COVID-19-Pandemie zu erforschen.“ Prof. Dr. Matthias von Schwanenflügel, Vorstandsvorsitzender des DZA: „Die lebendige Alternsforschungslandschaft im Wissenschaftsraum Berlin wird durch die europäische Langzeitstudie SHARE enorm bereichert. Die Lebensbedingungen älterer Menschen in Europa unterscheiden sich stark, und der durch SHARE ermöglichte Ländervergleich erlaubt neue Einsichten in die Lebensphase Alter. Das Deutsche Zentrum für Altersfragen freut sich auf die Zusammenarbeit und wird seine große Erfahrung in der Alternsforschung in das SHARE Berlin Institut einbringen.“ Prof. Dr. h.c. Axel Börsch-Supan, Ph. D., SHARE-ERIC Managing Director: „SHARE ist eine zukunftsweisende Forschungsinfrastruktur, die untersucht, warum Menschen im Lebensverlauf arm oder reich, krank oder gesund, vereinsamt oder gesellig werden und wie die Sozial-, Wirtschafts-, und Gesundheitspolitik dies verändern kann. Ich freue mich sehr, dass diese wichtige Forschungsinfrastruktur nun in Berlin eine dauerhafte Bleibe finden wird, sodass dort, wo Sozial-, Wirtschafts- und Gesundheitspolitik gemacht wird, unsere Evidenz hilft, sie rational zu gestalten.“
Veröffentlicht am 29.03.2022 um 09:15:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Pilzinfektionen: Kooperation von Mikroorganismen führt zu Arzneimitteltoleranz

Die Behandlung von Pilzinfektionen wird häufig durch die Ausbildung einer Toleranz gegenüber Arzneimitteln erschwert. Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Francis Crick Institute hat eine Ursache dafür im kooperativen Verhalten der Mikroorganismen gefunden. Eine gemeinschaftliche Beziehung verschiedener Hefezellen und deren Interaktion auf Ebene des Stoffwechsels bringt der ganzen Gemeinschaft Vorteile für das Wachstum und das Überleben. Der nun im Fachmagazin Nature Microbiology* beschriebene Mechanismus eröffnet neue Ansätze zur Entwicklung besserer antimikrobieller Therapien. Pilzinfektionen stellen ein zunehmendes medizinisches Problem dar und sind gefährlicher als vermutet: Jährlich sterben weltweit mehr Menschen an invasiven – also im Körper verlaufenden – Pilzinfektionen als an Malaria. Es gibt lediglich drei Klassen von Medikamenten gegen eine solche Infektion. Der klinische Einsatz dieser sogenannten Antimykotika wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass die Mikroorganismen häufig tolerant gegenüber diesen Substanzen sind und eine Behandlung somit fehlschlägt. Wie entsteht diese Arzneimitteltoleranz? Welche Rolle spielt dabei die Interaktion der Mikroorganismen miteinander und welche Vorteile bringt sie ihnen? Ein Forschungsteam an der Charité und am Francis Crick Institute in London hat einen Mechanismus aufgedeckt, der die mikrobielle Stoffwechselkooperation und die Arzneimitteltoleranz miteinander verbindet. „Wir haben herausgefunden, dass Hefezellen rege miteinander intergieren und wie sie dabei Stoffwechselprodukte austauschen. Darüber hinaus konnten wir zeigen, auf welche Weise dies Wachstumsvorteile bringt und zu einer Toleranz gegenüber gängigen Antimykotika führt“, sagt der Letztautor der Studie, Prof. Dr. Markus Ralser. Er ist Direktor des Instituts für Biochemie der Charité und leitet eine Arbeitsgruppe am Francis Crick Institute. Die jetzt erschienene Arbeit ist ein erster Erfolg eines seit 2020 laufenden Projekts zur Erforschung von Arzneimitteltoleranz bei Pilzinfektionen gemeinsam mit der Universität Tel Aviv, Israel, das durch einen Synergy Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) gefördert wird.  Es ist bekannt, dass sich mikrobielle Gemeinschaften sowohl aus normal funktionsfähigen Zellen als auch aus solchen mit eingeschränktem Stoffwechsel zusammensetzen. Diese stoffwechseldefizienten Zellen – auch auxotroph genannt – haben die Fähigkeit zur Herstellung einiger essenzieller Stoffwechselprodukte im Laufe der Evolution verloren und nehmen diese stattdessen von stoffwechselkompetenten – so genannten prototrophen – Zellen in ihrer Umgebung auf. Welchen Vorteil diese Lebensweise den Zellen in der Gemeinschaft bringt, ist ein bisher ungelöstes grundlegendes Problem der Mikrobiologie, das die Autoren mit ihrer Studie nun zum Teil aufklären konnten. Um die Koexistenz dieser verschiedenen Zelltypen zu untersuchen, nutzte das Forschungsteam die Möglichkeiten der Metagenomik, die die Gesamtheit der Mikroorganismen in der Umwelt erfasst: Anhand eines riesigen laborübergreifenden Datensatzes, der mehr als 12.000 mikrobielle Artengemeinschaften aus aller Welt umfasst, fanden sie heraus, dass Gemeinschaften, die sich sowohl aus stoffwechseldefizienten als auch aus stoffwechselkompetenten Zellen zusammensetzen, sehr häufig vorkommen. „Solche in ihrem Stoffwechsel eingeschränkten, auxotrophen Zellen sind vor allem in Kooperationen in Verbindung mit ihrem Wirtsorganismus – und insbesondere im Darmmikrobiom – stark verbreitet und scheinen einen Vorteil zu genießen“, erklärt Prof. Ralser, der als Einstein-Professor an der Charité gefördert wird. „Wir vermuten, dass dieses häufige Vorkommen durch Veränderungen in der gemeinsamen Stoffwechselumgebung erklärt werden kann – vor allem durch die vom Wirt bereitgestellte Umgebung mit den benötigten Stoffwechselprodukten.“ Den zugrundeliegenden biochemischen Mechanismus ergründeten die Forschenden mithilfe eines Hefemodells für metabolische Kooperation. Dieses Modellsystem ermöglichte es ihnen, stoffwechseldefiziente und -kompetente Zellpopulationen getrennt zu verfolgen und – mithilfe modernster Hochdurchsatz-Verfahren zur Protein- und Stoffwechselanalyse sowie Modellierung des Stoffwechsels und Arzneimitteltests – zu untersuchen. Durch die Kombination dieser Technologien fanden sie heraus, dass kooperierende Mikroorganismen mit eingeschränktem Stoffwechsel, die in Gemeinschaft mit solchen mit funktionsfähigem Stoffwechsel wachsen, ihre metabolischen Prozesse anpassen und den Export von Stoffwechselprodukten verstärken. Auf diese Weise sind sie gleichzeitig in der Lage, eine Vielzahl antimikrobieller Wirkstoffe besser aus dem Zellinneren zu schleusen.   „Dieser Mechanismus bringt also für beide Zellpopulationen Vorteile mit sich“, resümiert Prof. Ralser. „Indem metabolisch interagierende Mikroorganismen ihre Exportaktivität steigern, tragen sie zum einen zu einer reichhaltigen gemeinsamen Stoffwechselumgebung bei, welche die Zellen der Gemeinschaft zum Wachstum und Überleben benötigen. So profitieren selbst solche mit funktionsfähigem Stoffwechsel von der kooperativen Beziehung. Zum anderen verringert sich die Wirkstoffkonzentration im Inneren der Zellen, so dass diese toleranter gegenüber Hunderten von antimikrobiellen Substanzen werden.“ Die Erkenntnisse der Studie gehen über die mikrobielle Ökologie hinaus und eröffnen neue Perspektiven. Weitergehende Untersuchungen sollen den Beitrag von Stoffwechsel und metabolischem Umfeld zur Ausbildung einer mikrobiellen Toleranz erschließen und somit zukünftig zur Entwicklung neuer Generationen von Antipilzmitteln beitragen. 
Veröffentlicht am 21.03.2022 um 16:12:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Zwei neue ERC Consolidator Grants für Charité-Forschende

Forschung an wissenschaftlichen Grenzen und Auszeichnung für exzellente Arbeiten – 313 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 24 europäischen Ländern gehen als Gewinner des jüngsten Wettbewerbs um Consolidator Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) hervor, unter ihnen zwei Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Eines der neuen Vorhaben wird sich mit der Regulation des Körpergewichts und Krankheitsursachen im Umfeld des menschlichen Erbgutes beschäftigen. Ein weiteres möchte zum grundlegenden Verständnis von Mechanismen des Hörens beitragen. Beiden Projekten stehen jeweils knapp zwei Millionen Euro für eine Laufzeit von fünf Jahren zur Verfügung. Consolidator Grants des Europäischen Forschungsrates – European Research Council (ERC) – sind dazu bestimmt, Forschungsteams zu festigen und Pionierforschung zu frei gewählten Themen mit Methoden der Wahl zu ermöglichen. Unterstützt werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich in der Mitte ihrer Laufbahn befinden und deren Arbeiten das Potenzial einer weitreichenden Wirkung besitzen. Dem Charité-Neurobiologen Prof. Dr. Benjamin Judkewitz wie auch dem Kinder-Endokrinologen Prof. Dr. Peter Kühnen ist es gelungen, das Auswahlgremium des ERC mit ihren Vorhaben zu überzeugen: GlassBrain: Wie werden Klänge durch Körper und Gehirn verarbeitet? Der NeuroCure-Wissenschaftler Prof. Judkewitz arbeitet an Methoden, die Einblicke in intakte Gewebe, beispielsweise Netzwerke von Nervenzellen, ermöglichen. Sein Ziel: Gehirne in Aktion beobachten und auf diese Weise zur Aufklärung zellulärer Interaktionen in neuronalen Netzwerken beitragen. Der Professor für Bioimaging und Neurophotonics konnte hierzu gemeinsam mit seinem Team ein Modell für die Neurowissenschaft identifizieren: den winzigen Fisch Danionella cerebrum. Er ist eines der kleinsten lebenden Wirbeltiere und über seine gesamte Lebensspanne hinweg fast vollkommen transparent. Obwohl Danionella das kleinste bekannte Wirbeltiergehirn hat, zeigt der Fisch eine Vielzahl komplexer Verhaltensweisen, einschließlich akustischer Kommunikation. Im Projekt GlassBrain wird sich die Gruppe um Prof. Judkewitz einer bislang ungelösten Frage stellen: Auf welche Weise können Fische eine Schallquelle lokalisieren? Die Arbeiten sollen erstmalig die gesamte Verarbeitungskette vom akustischen Reiz über die mechanische Übertragung im Körper bis hin zur hirnweiten neuronalen Aktivität auf Einzelzellebene aufzeigen. Die Forschenden werden Ansätze der Verhaltensbiologie, Biophysik und Physiologie kombinieren, um Theorien der Schalllokalisierung zu testen und zu erweitern. Die Untersuchungen sollen einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis der Hörmechanismen bei Fischen und des evolutionären Ursprungs des Hörens bei Wirbeltieren leisten. Über diese Fragen hinaus eröffnet die Arbeit an Danionella eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten, um das intakte Wirbeltiergehirn über die gesamte Lebensspanne hinweg optisch erforschen zu können – etwa durch funktionelle Bildgebung und gezielte Photostimulation. Die Arbeit könnte somit den Weg für ein breites Spektrum an systemischen Untersuchungen in den Neurowissenschaften und in der biomedizinischen Forschung ebnen. E-VarEndo: Die Rolle der epigenetischen Variabilität beim Entstehen von Stoffwechselerkrankungen und endokrinen Erkrankungen Die Anzahl adipöser Menschen weltweit stellt die Gesundheitssysteme vor große Herausforderungen, da starkes Übergewicht einer der größten Risikofaktoren für das Entstehen von Diabetes mellitus Typ 2 sowie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Mit den derzeit vorhandenen Therapie- und Präventionsangeboten ist es kaum möglich, die Vielzahl an Erkrankungen zu reduzieren. Prof. Kühnen ist Wissenschaftler am Institut für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie der Charité und beschäftigt sich in seiner Forschung mit genetischen Störungen, die zu Fettleibigkeit führen. In dem jetzt von ihm eingeworbenen ERC Consolidator Grant stehen epigenetische Modifikationen, also Veränderungen im Umfeld des Erbgutes, im Fokus. Denn es gibt Hinweise darauf, dass epigenetische Varianten für das individuelle Risiko, adipös zu werden, von Bedeutung sind. Epigenetik bezieht sich hierbei auf molekulare Mechanismen, die die Funktion eines Gens regulieren können, ohne dass die betreffende Erbinformation selbst verändert ist. Die vermutlich stabilste epigenetische Veränderung ist die sogenannte DNA-Methylierung, die Kopplung einer chemischen Verbindung, einer Methylgruppe, an die Erbsubstanz. Aus Tiermodellen ist bereits bekannt, dass neben genetischen Varianten auch epigenetische Veränderungen eine entscheidende Rolle bei der individuellen Ausprägung von Körpermerkmalen, wie etwa Gewicht, Haut- oder Fellfarbe, spielen können. In E-VarEndo soll nun untersucht werden, ob epigenetische Modifikationen wie die DNA-Methylierung auch beim Menschen das individuelle Risiko für die Entwicklung von Adipositas und Stoffwechselerkrankungen im Laufe des Lebens beeinflusst. Der Schwerpunkt wird dabei auf sogenannten metastabilen Epiallelen liegen. Das sind Regionen, in denen das epigenetische Muster schon zum Zeitpunkt der embryonalen Entwicklung entsteht. Mit weiteren Erkenntnissen über die epigenetischen Risikoprofile möchte das Team um Prof. Kühnen zu einem besseren Verständnis der Regulation des Körpergewichts beitragen. Idealerweise lassen sich darauf aufbauend neue Ansätze für die Therapie adipöser Personen oder auch optimierte Präventionsangebote ableiten.
Veröffentlicht am 17.03.2022 um 10:56:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Koronare Herzkrankheit sicher und risikoarm diagnostizieren

Führt eine Computertomografie (CT) des Herzens bei stabilen Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit zu ähnlich zuverlässigen Ergebnissen wie eine Katheteruntersuchung? Dieser Frage sind Forschende in 31 europäischen Einrichtungen unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin nachgegangen. Ziel der DISCHARGE-Studie war es, mit der CT eine nicht-invasive Methode zur Ergänzung der aktuellen Standarddiagnostik bei Patientinnen und Patienten mit mittlerem Krankheitsrisiko zu prüfen. Die Hauptauswertung der Studie ist jetzt im New England Journal of Medicine* erschienen und legt nahe, dass die Erkrankung mittels CT ähnlich sicher erkannt werden kann, bei geringerem Komplikationsrisiko. Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist weitverbreitet. Insbesondere in entwickelten und alternden Gesellschaften zählt sie zu den häufigsten Todesursachen. Die Erkrankung ist mit einem verminderten Blutfluss in den Herzkranzgefäßen, den Koronararterien, verbunden. Diese versorgen das Herz mit Sauerstoff. Schmerzen in der Brust, Kurzatmigkeit oder eine verminderte Belastbarkeit weisen auf eine chronische oder eine akute Erkrankung hin. In beiden Fällen besteht ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder einen Herzkreislauftod, insgesamt kardiovaskuläre Ereignisse genannt. Ursache der Beschwerden sind im Laufe der Jahre entstehende Ablagerungen in den Gefäßen. Standard für die Diagnose einer koronaren Herzkrankheit ist die minimal-invasiv durchgeführte Katheteruntersuchung. Sie zeigt, ob das Herz ausreichend über die Kranzgefäße versorgt wird oder ob Engstellen den Blutfluss behindern. Ist das der Fall, können diese während der Untersuchung sofort beseitigt werden – beispielsweise mithilfe kleiner, aufblasbarer Ballone und hauchdünner Gefäßstützen, sogenannter Stents. In Europa werden derzeit jährlich mehr als 3,5 Millionen solcher Untersuchungen in Herzkatheterlaboren durchgeführt, mit steigender Tendenz. Deutlich mehr als die Hälfte, rund zwei Millionen dieser minimal-invasiven Eingriffe, bleiben ohne Behandlung im Labor. Verengungen oder Verschlüsse der Herzkranzgefäße konnten in diesen Fällen ausgeschlossen werden. Die zentrale Frage des Vorhabens DISCHARGE: Kann die risikoarme und nicht-invasive Methode der CT für bestimmte Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine KHK eine sichere Alternative zur Katheteruntersuchung darstellen? Beide vorhandenen diagnostischen Bildgebungsstrategien bei stabilen Brustschmerzen sind im Projekt über vier Jahre hinweg an einer Stichprobe von mehr als 3500 Teilnehmenden mit mittlerer Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit ausgewertet worden. Dazu wurden die Verfahren randomisiert in zwei Gruppen angewendet, Patientinnen und Patienten erhielten also im Zufallsverfahren entweder eine Computertomographie oder einen Herzkatheter. Blieb die Eingangsuntersuchung ohne Befund einer KHK, wurden Teilnehmende zurück an die überweisenden Ärztinnen und Ärzte zur weiteren Behandlung entlassen – daher der Name der Studie „DISCHARGE“, der englische Begriff für „Entlassung“. Patientinnen und Patienten mit nachgewiesener Erkrankung dagegen wurden gemäß den europäischen Leitlinien während der Studie behandelt. Insgesamt 31 Partnereinrichtungen in 18 europäischen Ländern haben sich an dem Projekt beteiligt, die Leitung hatte ein Team um Prof. Dr. Marc Dewey, stellvertretender Direktor der Klinik für Radiologie am Campus Charité Mitte. „Es hat sich gezeigt, dass die CT-Untersuchung ein sicheres Verfahren für Patientinnen und Patienten mit stabilen, also nicht akuten Brustschmerzen und dem Verdacht auf eine KHK ist“, so Gesamtprojektleiter Prof. Dewey zu den klinischen Langzeitergebnissen der Studie. Zur Bewertung herangezogen wurde in erster Linie das Auftreten schwerer kardiovaskulärer Ereignisse über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren. „Bei Patientinnen und Patienten, die im Zuge der Studie zu einem Herzkatheter überwiesen wurden, war das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse in der CT-Gruppe und der Herzkatheter-Gruppe mit 2,1 und 3 Prozent ähnlich. Die Häufigkeit schwerer verfahrensbedingter Komplikationen war bei einer anfänglichen CT-Strategie geringer“, so der Radiologe. Prof. Dr. Henryk Dreger, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie der Charité, hat die Untersuchungen an der Charité im Herzkatheterlabor begleitet. Sein Fazit der Auswertung: „Für ausgewählte Patientinnen und Patienten kann die CT eine sichere Alternative zum Herzkatheter sein. Bei Patientinnen und Patienten mit geringer Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein einer KHK kann sie helfen, unnötige Herzkatheter zu vermeiden.“ In die Gesamtbetrachtung eingeflossen sind weiterhin Kriterien wie die Verbesserung der Brustschmerzen und der Lebensqualität im Verlauf. Der neue Ansatz könnte dazu beitragen, die hohe Zahl der Herzkatheteruntersuchungen zu reduzieren und auf diese Weise die Gesundheitssysteme entlasten zu helfen: „Die durch uns in der DISCHARGE-Studie standardisierte und qualitätsgesichert durchgeführte Methode könnte in der Routineversorgung für Menschen mit mittlerem Krankheitsrisiko verstärkt angeboten werden“, resümiert Prof. Dewey. Ein Nutzenbewertungsverfahren wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bereits auf den Weg gebracht. Zudem muss die für die Studie entwickelte Methode zur Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer KHK in einem nächsten Schritt daraufhin geprüft werden, ob sie zur Verbesserung der Routineversorgung von Patientinnen und Patienten beitragen kann.
Veröffentlicht am 04.03.2022 um 08:09:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Multiples Myelom: Warum der Krebs wiederkehrt

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité, des BIH und des MDC Selbst nach einer zunächst erfolgreichen Behandlung kehrt ein Multiples Myelom, der häufigste Knochenmarkkrebs in Deutschland, fast immer zurück. Die Ursachen für die Therapieresistenz, wie genetische Veränderungen, und die damit verbundene Rückkehr der Erkrankung sind jedoch nur in wenigen Fällen bekannt. Wie ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) jetzt zeigt, macht die vermehrte Produktion eines bestimmten Proteins den Krebs unempfindlich gegen die Therapie. Die im Fachmagazin Nature Communications* veröffentlichten Ergebnisse eröffnen neue Behandlungsperspektiven. Das Multiple Myelom ist eine Krebserkrankung, bei der Immunzellen im Knochenmark, die Plasmazellen, entarten. Das kann zur Schwächung des Immunsystems, Nierenversagen und starkem Knochenabbau und daraus folgenden Knochenbrüchen führen. Die durchschnittliche Überlebensdauer der Betroffenen hat sich mittlerweile durch neue Behandlungsmöglichkeiten deutlich verbessert. Beispielsweise drängt eine Therapie mit den Medikamenten Lenalidomid und Pomalidomid den Krebs häufig erfolgreich zurück. Allerdings wird der Tumor in fast allen Fällen unempfindlich gegen die Substanzen, entwickelt also eine Therapieresistenz. Trotz Behandlung fängt er wieder an zu wachsen, was mit einer schlechten Prognose für die Patientinnen und Patienten einhergeht. Mit zukunftsweisenden Methoden der Proteomanalyse hat ein interdisziplinäres Berliner Forschungsteam jetzt einen bisher unbekannten Mechanismus entschlüsselt, der einen solchen Rückfall verursachen kann. „Wir konnten zeigen, dass der Zellteilungsregulator CDK6 von den Krebszellen zum Zeitpunkt der Therapieresistenz übermäßig stark produziert wird“, erklärt Prof. Dr. Jan Krönke von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Charité Campus Benjamin Franklin und einer der beiden Leiter der Studie. „Auf Basis unserer Daten gehen wir davon aus, dass die Hemmung von CDK6 ein neuer Ansatz für die Behandlung eines zurückgekehrten Multiplen Myeloms sein könnte.“ Beim Multiplen Myelom wurden bislang trotz umfangreicher DNA-Sequenzierung nur selten Veränderungen auf der genetischen Ebene, wie beispielsweise Mutationen oder Genverluste, gefunden, die die Therapieresistenz erklären. „Das deutet darauf hin, dass es in den Krebszellen auf anderer Ebene Veränderungen geben muss, die den Rückfall erklären“, sagt der zweite Studienleiter Dr. Philipp Mertins. Der MDC-Forscher leitet die Technologieplattform „Proteomics“ von MDC und BIH. „Zum Beispiel können die Gene der Krebszellen auch auf Proteinebene unterschiedlich reguliert sein. Das ist ein Effekt, den wir hier für das Protein CDK6 beobachtet haben.“ Um herauszufinden, ob solche Veränderungen auf Proteinebene den Tumor resistent gegen die Therapie machen, nutzte das Forschungsteam neueste Entwicklungen der Massenspektrometrie-Technologie. So gelang es, in Tumorproben, die bei Patientinnen und Patienten vor und nach dem Rückfall entnommen wurden, mehr als 6.000 Proteine zu quantifizieren. Die Forschenden stellten auf diese Weise für eine ganze Reihe von Proteinen fest, dass sie in den Krebszellen nach dem Rückfall in größeren oder auch kleineren Mengen vorlagen als vor der Therapie. Ein Großteil dieser Effekte ließ sich jedoch durch statistische und bioinformatische Analysen auf ein einzelnes Protein zurückführen: CDK6. Die Abkürzung steht für Cyclin Dependent Kinase 6 und bezeichnet ein Enzym, das in der Zelle den Eintritt in die Zellteilung reguliert. Dass CDK6 eine zentrale Rolle in der Entwicklung einer Therapieresistenz beim Multiplen Myelom spielt, wies das Forschungsteam zunächst in der Zellkultur nach. „Als wir die Menge von CDK6 in kultivierten Myelomzellen künstlich erhöhten, wurden diese Zellen unempfindlich gegen die Wirkstoffe Lenalidomid und Pomalidomid“, erläutert Dora Ng, Wissenschaftlerin an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Charité Campus Benjamin Franklin und Erstautorin der Studie. „Gaben wir jedoch zusätzlich einen CDK6-Hemmer hinzu, zeigten die Medikamente wieder Wirkung und die Krebszellen gingen zugrunde. Das zeigt, dass sich die Resistenz der Myelomzellen gegen die Therapie zumindest teilweise aufheben lässt, indem man CDK6 hemmt.“ Diesen Effekt konnte das Team ebenso im Tiermodell bestätigen: Wurde neben Pomalidomid auch ein CDK6-Hemmer verabreicht, waren die Überlebenschancen bei einer solchen Erkrankung deutlich besser. „Diese Daten weisen darauf hin, dass auch Patientinnen und Patienten mit einem therapieresistenten Multiplen Myelom von einer zusätzlichen CDK6-Hemmung profitieren könnten“, sagt Prof. Krönke, der durch das Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und auch Wissenschaftler des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) am Partnerstandort Berlin ist: „Um diese Annahme zu überprüfen, sind nun weitere Studien nötig. Dabei ist von Vorteil, dass einige CDK6-Hemmer bereits für die Behandlung von Brustkrebs zugelassen sind.“ Dr. Evelyn Ramberger, zweite Erstautorin der Studie, hat die Proteinanalysen für das Projekt durchgeführt. Die Postdoktorandin an der Charité und Technologieplattform „Proteomics“ von MDC und BIH ist von dem hohen Nutzen der Methode für die Krebsforschung überzeugt: „In Zukunft wollen wir den neuen Ansatz moderner, umfassender Proteinanalysen an Tumorgewebe beim Multiplen Myelom und weiteren Krebserkrankungen zur Aufdeckung therapeutischer Ziele und Biomarker für die personalisierte Krebsmedizin weiterverfolgen“, sagt sie.
Veröffentlicht am 28.02.2022 um 12:16:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Schonende OP-Methode: Charité weltweit führend bei roboterassistierter Entfernung der Thymusdrüse

Wenig bekannt, aber von großer Bedeutung für die Immunabwehr des Menschen: die Thymusdrüse. Sie befindet sich hinter dem Brustbein und sorgt dafür, dass Immunzellen körperfremde Antigene wie Bakterien oder Viren, von körpereigenen unterscheiden. Sollte die Drüse jedoch auf Grund einer Autoimmunerkrankung oder eines Tumors  entfernt werden müssen, ist sie hinter dem Knochen in der vorderen Mitte des Brustkorbs nur schwer zu erreichen. Seit knapp 30 Jahren arbeiten Chirurginnen und Chirurgen der Charité – Universitätsmedizin Berlin daran, diese Operation minimalinvasiv durchzuführen, davon die letzten 18 Jahre roboterassistiert. Mit einer kürzlich abgeschlossenen Serie von tausend Operationen konnten sie die Vorteile der Methode aufzeigen. Die Thymusdrüse ist ein wichtiger Baustein des menschlichen Immunsystems. Jedoch kann deren Entfernung bei der seltenen Autoimmunerkrankung Myasthenia Gravis wesentlich zum Therapieerfolg beitragen und ist bei einem Tumor alternativlos. Muss das Organ mit seinem weitverbreiteten Gewebe zwischen Hals und Zwerchfell chirurgisch entfernt werden, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder durchtrennt der Operierende das Brustbein mit einem langen Schnitt und operiert offen oder er entfernt die Thymusdrüse minimalinvasiv. „Vor über 18 Jahren haben wir als Pioniere mit der roboterassistierten Thymusentfernung an der Charité begonnen. Seitdem haben wir in 1000 Operationen viel Erfahrung gewonnen, die wir international mit Kolleginnen und Kollegen teilen. Keine andere Klinik weltweit hat so viele Eingriffe durchgeführt. Wir möchten dazu beitragen, dass sich dieses Verfahren auch an anderen Kliniken durchsetzt“, sagt Prof. Dr. Jens-Carsten Rückert, Bereichsleiter Thoraxchirurgie der Chirurgischen Klinik der Charité. Er ergänzt: „Internationale und eigene Studien haben die Vorteile des Verfahrens für Patientinnen und Patienten gegenüber einer Operation mit Brustkorböffnung bestätigt: Die Heilungschancen der Krankheit sind besser, da das Gewebe vollständig und zugleich schonender entfernt wird. Dank des minimalinvasiven Eingriffs kommen die Operierten schneller wieder auf die Beine und behalten nur drei kleine Narben zurück.“  Weltweit wenden bereits mehr als 500 Kliniken diese Methode an, aber nur wenige große Kliniken verzeichnen mehr als 40 dieser Operationen im Jahr. Das Team von Prof. Rückert führt jährlich bis zu 100 Operationen der Thymusdrüse roboterassistiert durch. Rund die Hälfte der an der Charité behandelten Patientinnen und Patienten kommt aus anderen Regionen Deutschlands und der ganzen Welt.   
Veröffentlicht am 28.02.2022 um 08:56:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Pankreaskrebs: Zentraler Zellprozess weist Weg zu neuen Therapieoptionen

Die Ausbildung von Resistenzen erschwert die Therapie von Krebserkrankungen. Bei einer aggressiven Krebsform der Bauchspeicheldrüse etwa ist der programmierte Zelltod auf bisher unbekannte Weise unterdrückt, sodass Krebszellen unkontrolliert wachsen können. Einem Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es nun gelungen, das Zusammenspiel von Faktoren aufzuklären, die das Überleben dieser Krebszellen ermöglichen. Sie konnten zeigen, dass die Hemmung eines zentralen Proteins das Tumorwachstum einschränkt. Die im Fachjournal PNAS* veröffentlichten Erkenntnisse könnten einen neuen Therapieansatz für aggressive Tumoren ermöglichen.  Manche Krebsarten lassen sich besonders schwer behandeln, weil sie sich den verfügbaren Therapien entziehen. Das gilt vor allem für Pankreaskrebs – insbesondere aggressive Unterformen des sogenannten duktalen Adenokarzinoms der Bauchspeicheldrüse (PDAC). Etwa 19.000 Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr an Pankreaskrebs. Die häufigste Ursache einer Resistenz gegenüber therapeutischen Behandlungen besteht darin, dass der programmierte Zelltod der Krebszellen – die sogenannte Apoptose – unterdrückt ist. Für eine zielgerichtete Behandlung sind deshalb neue Therapiestrategien notwendig. „Wir haben nun einen möglichen Angriffspunkt identifiziert und einen Mechanismus aufklärt, wie sich die Resistenz von Krebszellen umgehen lässt. Auf diese Weise konnten wir einen neuen Weg für die Behandlung der besonders aggressiven Krebserkrankung aufzeigen“, sagt Privatdozent Dr. Matthias Wirth von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Charité Campus Benjamin Franklin. Das Team an der Charité untersuchte – zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderer Forschungseinrichtungen in Deutschland, den USA und den Niederlanden – die Abläufe der Apoptose im Detail. Dabei stellten sie fest, dass ein wesentlicher Faktor, das Protein NOXA, bei besonders aggressiven Formen des Pankreaskarzinoms auf bisher unbekannte Weise unterdrückt wird. „Daher verfolgten wir den Ansatz, Kandidaten für mögliche Medikamente zu identifizieren, die das krebslimitierende Potenzial von NOXA freisetzen können. Durch ein unvoreingenommenes Screening zur systematischen Testung von Substanzen in genetisch veränderten Zelllinien konnten wir eine wirksame Substanz identifizieren“, erklärt Privatdozent Dr. Wirth. „Dabei handelte es sich um einen Hemmstoff des Transkriptionsfaktors RUNX1, der beim Pankreaskarzinom üblicherweise in großer Menge vorliegt und mit einer schlechten Prognose einhergeht.“ Die Forschenden führten umfangreiche genomweite Analysen in speziellen Zellmodellen durch, um die Genaktivität zu bestimmen. Auf diese Weise konnten sie belegen, dass der Verlust von RUNX1 die Unterdrückung von NOXA aufhebt – das Protein RUNX1 also die Apoptose verhindert und so tumorfördernd wirkt. Das Forschungsteam fand zudem heraus, dass die Aktivität des NOXA-Gens durch eine räumliche Interaktion mit einem weiter entferntem DNA-Abschnitt – einem sogenannten nicht-kodierenden regulatorischen Element – gesteuert wird, an dem der Transkriptionsfaktor RUNX1 binden kann. In einer bundesweiten Kooperation gelang es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nachzuweisen, dass auch im Mausmodell sowie in Organoiden – also dreidimensionalen Zellkulturen, die von Krebspatienten oder -patientinnen stammen – die Funktion von RUNX1 blockiert und so die Apoptose in Tumorzellen ausgelöst werden kann. „Unsere Erkenntnisse richten den Fokus also auf wirksame RUNX1-Inhibitoren als eine mögliche neue Option zur Behandlung von Pankreaskrebs“, resümiert Privatdozent Dr. Wirth. „Wir untersuchen nun, inwiefern sich der aufgeklärte Mechanismus auch auf andere Tumorarten übertragen lässt. Im nächsten Schritt werden wir weitere Substanzen testen – insbesondere solche, die bereits klinische Anwendung finden. Auf diese Weise hoffen wir, mögliche Kombinationstherapien aufzudecken, die später in klinischen Studien münden und die Therapieoptionen für Krebserkrankungen erweitern könnten.“
Veröffentlicht am 24.02.2022 um 10:16:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Charité-Projekt ERIC: Tele-Visite für Intensivpatienten zur Regelversorgung empfohlen

Das Innovationsfondsprojekt ERIC* wird als eines der ersten für die flächendeckende Versorgung empfohlen. Dies hat jetzt der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) entschieden. Das Projekt unter Konsortialführung der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat gezeigt, dass Telemedizin das Risiko von langanhaltenden Folgeschäden für Intensivpatienten nachhaltig verringern kann. Kernstück des erfolgreich evaluierten Projekts ist eine zentrale E-Health-Plattform für die multiprofessionelle Vernetzung und die standortunabhängigen Tele-Visite. In Deutschland werden jährlich mehr als zwei Millionen Menschen intensivmedizinisch versorgt, etwa 20 Prozent von ihnen müssen künstlich beatmet werden. Zahlreiche Patientinnen und Patienten leiden nach der Behandlung an Folgeschäden mit kognitiven, funktionellen und psychosozialen Einschränkungen oder Organfunktionsstörungen. Ziel des 2017 gestarteten Projekts ERIC (Enhanced Recovery after Intensive Care) war die nachhaltige Verbesserung der Versorgungsqualität und der Patientensicherheit. Unter Konsortialführung der Charité haben die Projektpartner von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Technischen Universität Berlin, des Fraunhofer FOKUS, der Klinik Ernst von Bergmann Bad Belzig gGmbH und der Krankenkasse BARMER partnerschaftlich zusammengearbeitet. Gemeinsam konnten sie zeigen, dass mithilfe der multiprofessionellen telemedizinischen Visite das Risiko für Folgeschäden für die Patientinnen und Patienten verringert werden kann. Über die zentrale E-Health-Plattform wurden die Kommunikation und die Datenerfassung der 15 beteiligten Intensivstationen in einem telemedizinischen Zentrum in der Charité gebündelt. Mit den Hausärzten der Region wurde ein Nachsorgeangebot etabliert, um Patientinnen und Patienten auch nach der Intensivtherapie bestmöglich zu unterstützen. Der Innovationsauschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses hatte das Projekt von 2017 bis 2020 mit rund 6,8 Millionen Euro gefördert.  Für Intensivpatienten ist eine bestmögliche Versorgung überlebenswichtig. Dabei geht es nicht nur darum, ob, sondern auch wie die Patienten die Erkrankung überleben. Mit ERIC sollten daher die wissenschaftlichen und aktuellsten Erkenntnisse in Form von Qualitätsindikatoren direkt ans Patientenbett gebracht werden. „Wesentlich war dabei die tägliche telemedizinische Visite auf den Intensivstationen. Diese hat uns geholfen, evidenzbasiertes Wissen in jeder teilnehmenden Einrichtung zu implementieren und dadurch Langzeitfolgen für die Patienten zu verhindern“, sagt Prof. Dr. Claudia Spies, Projektleiterin und Direktorin der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin der Charité. Sie ergänzt: „Die Pandemie war für unser Projekt eine bedeutende und erfolgreiche Bewährungsprobe. In dieser herausfordernden und schwer kalkulierbaren Situation hat die Telemedizin zu einer hohen Versorgungsqualität in der Breite beigetragen. Wir konnten umfassendes Wissen generieren und in kürzester Zeit für alle verfügbar machen. ERIC bot auch die Grundlage für die telemedizinische Vernetzung im Senatskonzept SAVE-Berlin@Covid-19. Insgesamt haben wir alle sehr viel gemeinsam und im professionellen Miteinander gelernt.“ Der Visitenroboter für die Stationen vor Ort ist mit mehreren Kameras und einem Mikrofon ausgestattet. So ist das medizinische Personal während der Televisite in Echtzeit mit Fachärzten und Pflegefachkräften in der Charité verbunden. Gemeinsam begutachten sie den Gesundheitszustand der Patienten anhand von acht Qualitätsindikatoren – beispielsweise Medikation oder Ernährung – und besprechen die weitere Therapie. „Der Visitenroboter kann mit der Kamera dicht an die Patienten heranfahren. So konnten wir gemeinsam mit dem Behandlungsteam vor Ort Strategien erarbeiten und im Bedarfsfall beraten und unterstützen“, erklärt Dr. Björn Weiß, Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin und Koordinator des Projekts. Dazu zählen die Anwendung der Bauchlage, die Einstellung des Beatmungsgerätes oder die Dosierung der Medikamente. Zudem wurden Hausärzte, Physiotherapeuten und Reha-Zentren über die Plattform ebenfalls mit einbezogen. Inzwischen ist ERIC erfolgreich evaluiert und wird vom Innovationsauschuss für eine Überführung in die Regelversorgung empfohlen. Die Gesundheitsministerien der Länder sind daher im nächsten Schritt gebeten zu prüfen, ob in ihrem Bundesland telemedizinische Visiten auf Intensivstationen etabliert werden sollten. 
Veröffentlicht am 02.02.2022 um 10:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Neue Projekte zur medizinischen Versorgung an der Charité

Neue Konzepte der gesundheitlichen Versorgung erproben, um die Regelversorgung in Deutschland innovativ weiterzuentwickeln – dieses Ziel verfolgen die Projekte im Bereich Neue Versorgungsformen. Die Charité – Universitätsmedizin Berlin leitet jetzt drei neue solcher Vorhaben. Darüber hinaus ist sie an drei weiteren als Partnerin beteiligt. Der Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) fördert diese Projekte im Modul der Neuen Versorgungsformen mit einer Summe von jeweils drei bis neun Millionen Euro für eine Laufzeit von drei bis vier Jahren. Der Innovationsausschuss hat insgesamt 17 neue Vorhaben bewilligt, an sechs davon ist die Charité beteiligt. Die drei Projekte unter Charité-Leitung entwickeln und evaluieren innovative Versorgungsmodelle in den Themenbereichen: Neurodermitis, kooperative Betreuung ambulant Pflegebedürftiger sowie Menstruationsschmerzen und Endometriose. Im Fokus der neuen Vorhaben stehen Elemente der Digitalisierung, der Telemedizin sowie der transsektoralen Zusammenarbeit. Bei erfolgreicher wissenschaftlicher Evaluation können die Projekte als neue Versorgungsform in die Regelversorgung überführt werden. Seit 2016 fördert der G-BA mit den Mitteln des Innovationsfonds Projekte, die über die bisherige Gesundheitsversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland hinausgehen. Bislang wurden 40 Projekte der medizinischen Versorgung unter Leitung der Charité bewilligt, davon 24 im Bereich Versorgungsforschung und 16 im Bereich Neue Versorgungsformen. Prof. Dr. Christoph Heintze, Sprecher der Plattform – Charité Versorgungsforschung, erklärt: „Die neu geförderten Projekte zeigen sehr deutlich, dass Telemedizin und digitale Anwendungen als Erweiterung der bestehenden Versorgungsformen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Diese Angebote haben das Potenzial, die intersektorale Versorgung durch die verschiedenen Leistungserbringer zu erleichtern und unsere Patientinnen und Patienten noch stärker am Behandlungsprozess zu beteiligen. Der Erfolg von so vielen Forschungsgruppen der Charité zeigt, dass unsere Expertise im Bereich Versorgungsforschung bei einer Vielzahl von Fragestellungen einen wertvollen Beitrag leisten kann.“ Neue Versorgungsformen mit Charité-Leitung ADCompanion In „ADCompanion“ steht die telemedizinische Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Neurodermitis im Mittelpunkt. AD ist die Abkürzung für Atopische Dermatitis – auch bekannt als Neurodermitis, Companion steht für Begleiter. Das Projektteam möchte Betroffenen Zugang zu validierten Schulungsmaterialien sowie individuellen Beratungen ermöglichen – und das unabhängig von ihrem Standort. Dieses digitale Versorgungsmodell soll insbesondere Personen aus strukturschwachen Regionen im Umgang mit der Erkrankung unterstützen und das bisherige Angebot der Präsenzschulungen ergänzen. So soll nicht nur das aktuelle Krankheitsbild, sondern auch die langfristige Perspektive der Erkrankung sowie die allgemeine Lebensqualität verbessert werden. Im Einzelnen umfasst „ADCompanion“ eine Smartphone-App, die Schulungsmaterialien enthält und die Aufzeichnung von Symptomen und Krankheitsauslösern ermöglicht. Weiterhin gibt es individuelle Beratungen zu den Themen (Haut-)Pflege, Ernährung und psychosoziale Aspekte rund um die Erkrankung. Die Beratungen werden von qualifizierten Fachkräften per Video durchgeführt. Die Forschenden werden zwei Patientengruppen vergleichen: die eine wird leitliniengerecht in der Regelversorgung inklusive der bisherigen Präsenzschulungen behandelt, während die andere neben der ärztlichen Versorgung die digitalen Angebote erhält. Sollte das telemedizinische Konzept zu einer vergleichbaren Verbesserung des Krankheitsbildes führen wie die Präsenzschulungen, könnte es diese in Zukunft sinnvoll ergänzen. Projektleitung: Dr. Stephanie Dramburg, Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie mit Intensivmedizin Fördersumme: ca. 3 Millionen Euro für 3 Jahre Stay@Home – Treat@Home In dem Projekt Stay@Home – Treat@Home wird ein innovatives und transsektorales Kooperationsnetzwerk für ambulant pflegebedürftige Personen in Berlin sowie perspektivisch in Brandenburg aufgebaut und evaluiert. Zentrale Bausteine sind telemedizinische Angebote sowie einheitliche digitale Kommunikationsstrukturen für Pflegebedürftige und betreuende Angehörige, um eine lückenlose Versorgung rund um die Uhr zu gewährleisten. Dafür wird unter anderem ein digitales Patiententagebuch eingesetzt, das fortlaufend aktualisierte Informationen zu Diagnosen, Medikation, Patientenverfügung, Pflegemaßnahmen und dem Wohlbefinden enthält. So soll eine akute Verschlechterung des Gesundheitszustandes der zu pflegenden Personen frühzeitig erkannt und an relevante Akteure kommuniziert werden. Bedarfsgerechte Maßnahmen können dann schon im häuslichen Umfeld eingeleitet werden. Im besten Fall kann dieser präventive Ansatz einer weiteren kritischen Entwicklung des Zustandes vorbeugen und damit eine Aufnahme ins Krankenhaus vermeiden. Zu den medizinischen Akteuren dieses Netzwerkes gehören Hausärzte, Pflegedienste, Medizinische Hilfsdienste, der Notdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, die Notaufnahme des Charité Campus Benjamin Franklin mit angeschlossenem telemedizinischen Zentrum und die Medizinische Klinik für Geriatrie und Altersmedizin der Charité. Projektleitung: Prof. Dr. Rajan Somasundaram, Zentrale Notaufnahme Charité Campus Benjamin Franklin (CBF), und PD Dr. Nils Lahmann, Medizinische Klinik für Geriatrie und Altersmedizin der Charité Fördersumme: ca. 9 Millionen Euro für 4 Jahre Verbesserung der Frauengesundheit mit einem digital unterstützten Versorgungsmodell für Mädchen und junge Frauen mit Menstruationsschmerzen Menstruationsschmerzen lindern und Frauen mit einem erhöhten Risiko für Endometriose frühzeitig identifizieren und behandeln – das sind die Ziele dieses Projektes. Menstruationsschmerzen können die Lebensqualität von Mädchen und Frauen stark beeinflussen. Ausgeprägte Menstruationsschmerzen sind auch ein Frühsymptom der Endometriose – eine komplexe, hormonabhängige Erkrankung, bei der Gewebe, welches der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter wächst. In der Folge treten chronisch Entzündungen, Schmerzen, Unfruchtbarkeit und auch Organschäden auf. Noch immer dauert es durchschnittlich zehn Jahre bis die Diagnose gestellt wird, obwohl die meisten betroffenen Mädchen schon früh sehr starke Regelschmerzen haben. In diesem Vorhaben werden den 14- bis 24-jährigen Studienteilnehmerinnen mit einer Smartphone-App Informationen zum Zyklus, zur Ursache von Menstruationsschmerzen und zur Kombination unterschiedlicher Behandlungsansätze anschaulich vermittelt. Zudem werden praktische Anleitungen für Maßnahmen zur Selbstfürsorge gegeben. Mädchen und Frauen mit einem hohen Risiko für Endometriose wird eine spezialisierte Untersuchung und Behandlung ermöglicht. Dieses neue Versorgungsangebot wird ärztlich koordiniert und beinhaltet auch spezielle Ernährungsberatungen, äußere Anwendungen und gesundheitspsychologische Begleitungen. Erste Patientinnen sollen ab dem Spätsommer 2023 versorgt werden. Projektleitung: Prof. Dr. Claudia Witt und Dr. Daniel Pach, Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie Fördersumme: ca. 6,5 Millionen Euro für 4 Jahre Neue Versorgungsformen mit Charité-Beteiligung ABSCHaLoM Thema: Altern in Bewegung für Menschen im ländlichen Raum Konsortialführung: Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau Projektleitung an der Charité: Prof. Dr. Ursula Müller-Werdan, Medizinische Klinik für Geriatrie und Altersmedizin der Charité INTEGRATE-ATMP Thema: Einheitliche Versorgungsstrukturen und Verbesserung der Qualität für die Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien (ATMPs) Konsortialführung: Universitätsklinikum Heidelberg Projektleitung an der Charité: Prof. Dr. Lars Bullinger, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie Charité Campus Virchow-Klinikum SmartNTX Thema: Interaktive Entscheidungskompetenz für die Nachsorge bei Nierentransplantationen Konsortialführung: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Projektleitung an der Charité: Prof. Dr. Klemens Budde, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Internistische Intensivmedizin
Veröffentlicht am 26.01.2022 um 09:20:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Corona: Neue Einblicke in die Antikörper-Reaktion gegen Virusvarianten

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und des DZNE Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) präsentieren im Wissenschaftsjournal Science* neue Erkenntnisse über die Immunreaktion gegen SARS-CoV-2. Ihre Studie beruht auf Untersuchungen von Antikörpern, die infolge einer Infektion mit der Beta-Variante des Virus entstanden waren. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gelangen zu dem Schluss, dass die Beta-Variante eine breite Immunität gegen mehrere Virusstämme hervorruft, die für den Schutz gegen die derzeit vorherrschenden Varianten Delta und Omikron sowie gegen künftige Virusvarianten von Vorteil sein könnte. Ihrer Ansicht nach sollte dieser Aspekt bei der Entwicklung von Impfstrategien berücksichtigt werden. „Die Beta-Variante des Coronavirus zeigt deutliche Unterschiede zum Wildtyp, dem ursprünglichen Virusstamm. Bis zum Auftauchen der nun weit verbreiteten Omikron-Variante war es die Virusform, die sich am weitesten vom Wildtyp fortentwickelt hatte, auf den die bisherigen Impfstoffe ausgelegt sind“, sagt Dr. Momsen Reincke, Forscher an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie am Campus Charité Mitte und am DZNE sowie einer der Erstautoren der aktuellen Veröffentlichung. „Wir wollten nun mehr über die genaue Antikörper-Antwort auf diese Variante herausfinden – um zu sehen, welche Rückschlüsse daraus auf die Immunantwort bei anderen Varianten möglich sind. Da das Coronavirus wahrscheinlich weiter mutieren wird, interessierte uns, ob die gefundenen Antikörper nur gegen die Beta-Variante wirken oder breiteres Potenzial haben.“ Antikörper sind Eiweißstoffe, mit denen sich der Körper gegen Krankheitserreger zur Wehr setzt. Das menschliche Immunsystem kann davon eine schier unerschöpfliche Vielfalt herstellen, wofür es sich verschiedener Mechanismen bedient: insbesondere, indem die im Genom hinterlegten Baupläne für die Komponenten eines Antikörpers immer wieder neu kombiniert werden. „Auch die Immunantwort auf das Coronavirus bringt ein Spektrum an Antikörpern hervor, die an unterschiedliche Bereiche des Erregers binden“, erklärt Dr. Reincke. Aus Sicht der Immunabwehr besonders effektiv ist eine Bindung an das sogenannte Spike-Protein. „Das ist gewissermaßen der Haken, mit dem sich das Virus an Körperzellen festmacht, um sich dann einzuschleusen. Manche Antikörper binden an dieses Protein und setzen den Haken außer Kraft. Das sind die neutralisierenden Antikörper. Genau solche haben wir in unserer Studie untersucht.“ Die Befunde der Berliner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beruhen auf einer Analyse von Antikörpern, die sie aus dem Blut von 40 Erwachsenen isolieren konnten. Alle diese Patientinnen und Patienten hatten sich mit der Beta-Variante von SARS-CoV-2 infiziert. Von den ursprünglich rund 300 erfassten Antikörpern koppelten 81 besonders stark an das Spike-Protein des Coronavirus. Dr. Reincke und seine Kolleginnen und Kollegen entschlüsselten die genetischen Baupläne der Antikörper. So konnten sie nachvollziehen, welche Gene beim Zusammenbau dieser Antikörper eine Rolle spielen und außerdem diese Immunproteine für weitere Untersuchungen künstlich herstellen. Dabei profitierten sie von einem Förderprojekt der Helmholtz-Gemeinschaft, dem „BaoBab Innovation Lab“, in dessen Rahmen sie Technologien zur Charakterisierung und Herstellung von Antikörpern entwickeln und verfeinern. „Wir haben getestet, ob Antikörper gegen die Beta-Variante auch gegen andere Virusvarianten wirken. Das nennt man Kreuzreaktivität. Unsere Analysen zeigen, dass einige dieser Antikörper beim Wildtyp wenig ausrichten. Andere wiederum sind sehr wohl wirksam gegen den ursprünglichen Virusstamm und zugleich gegen manche der Variants of Concern, also jene Virusformen, die als besonders besorgniserregend gelten. Ein Teil der Antikörper gegen Beta ist sogar wirksam gegen die aktuell zirkulierenden Varianten Delta und Omikron“, sagt Dr. Jakob Kreye, Letztautor der Studie und Wissenschaftler an der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Neurologie und der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité sowie am DZNE. Der Schlüssel für die Kreuzreaktivität liegt darin, an welche Stelle des Spike-Proteins der jeweilige Antikörper bindet und ob sich diese Stelle zwischen den Virusvarianten verändert hat. „Die Antikörper mit breiter Wirksamkeit richten sich gegen Bereiche des Spike-Proteins, die bei den bisherigen Virusvarianten weitgehend gleichgeblieben sind“, erläutert Dr. Kreye. Doch im Fall von Omikron gibt es hiervon auch Ausnahmen. „Wir haben jedoch Antikörper gefunden, die gut sowohl gegen Beta als auch gegen Omikron wirken und gegen andere Varianten nur schwach. Diese speziellen Antikörper binden an Stellen des Spike-Proteins, die bei Beta und Omikron recht ähnlich sind, bei anderen Varianten jedoch nicht.“ Die Kreuzreaktivität könnte sich als ein wichtiger Aspekt künftiger Impfungen erweisen: „Auch einzelne Antikörper gegen den Wildtyp haben breite Wirksamkeit. Das ist in der Literatur beschrieben und zeigen auch Untersuchungen aus unserem Labor. Fasst man diese Daten und unsere aktuellen Befunde zusammen, kommen wir zu dem Schluss, dass Antikörper, die gegen unterschiedliche Virusvarianten erzeugt wurden, sich ergänzen und so gemeinsam die Schlagkraft der Immunantwort gegen neu auftretende Varianten verbessern können. Größtmögliche Vielfalt in der Antikörper-Antwort scheint sinnvoll zu sein“, sagt Prof. Dr. Harald Prüß, Oberarzt an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie am Campus Charité Mitte und Forschungsgruppenleiter am DZNE. Dr. Kreye ergänzt: „Die gleichzeitige oder auch eine aufeinanderfolgende Impfung gegen verschiedene schon bekannte Varianten würde wahrscheinlich verstärkten Schutz bieten vor möglichen weiteren Formen des Coronavirus. Dieser Ansatz könnte für die Fortentwicklung der Impfstrategien relevant sein, denn es ist davon auszugehen, dass sich der Erreger auch künftig immer wieder verändern wird.“
Veröffentlicht am 25.01.2022 um 15:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Wie entstehen Tics?

Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat ein neuronales Netzwerk identifiziert, das für die Entstehung von Tic-Störungen verantwortlich ist. Eine Reizung dieses Netzwerks durch tiefe Hirnstimulation – bekannt als Hirnschrittmacher – hat bei Menschen mit Tourette-Syndrom zur Linderung der Symptome geführt. Die im Fachmagazin Brain* veröffentlichten Erkenntnisse könnten die Basis für eine bessere Therapie von schweren Tic-Störungen legen. Tics sind meist kurze Bewegungen oder Lautäußerungen, die oft in rascher Abfolge und ohne ersichtlichen Bezug zur aktuellen Situation wiederholt werden. Starkes Blinzeln oder Kopfschleudern beispielsweise zählen zu den motorischen, Räuspern oder Pfeifen zu den vokalen Tics. In vielen Fällen geht die Erkrankung mit weiteren Verhaltensauffälligkeiten wie Ängsten und Zwängen, ADHS oder einer Depression einher, die soziale Ausgrenzung der Betroffenen ist eine häufige Folge. Eine der wohl bekanntesten Tic-Störungen ist das Tourette-Syndrom, bei dem verschiedene vokale und motorische Tics gemeinsam auftreten. In Erscheinung treten Tic-Störungen meistens in der Kindheit. Schätzungen zufolge sind bis zu vier Prozent aller Kinder betroffen, etwa jedes hundertste Kind erfüllt die diagnostischen Kriterien eines Tourette-Syndroms. Oftmals, aber nicht immer, schwächen sich die Symptome spätestens im Erwachsenenalter ab. Nur wenig ist darüber bekannt, wie Tics im Gehirn eigentlich entstehen. „In den vergangenen Jahren hat die neurologische Forschung verschiedene Bereiche des Gehirns identifiziert, die für Tics eine Rolle spielen“, sagt der Letztautor der Studie Dr. Andreas Horn. Er ist Leiter einer Emmy Noether-Nachwuchsgruppe zu netzwerkbasierter Hirnstimulation, die sowohl an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie am Charité Campus Mitte als auch am Massachusetts General Hospital und Brigham & Women’s Hospital innerhalb der Harvard Medical School in Boston, USA, angesiedelt ist. Dr. Horn erklärt: „Unklar blieb jedoch: Welche dieser Hirnareale lösen die Tics aus? Welche sind stattdessen aktiv, um fehlerhafte Prozesse zu kompensieren? Wir konnten jetzt zeigen, dass es nicht eine einzelne Hirnregion ist, die die Verhaltensstörungen verursacht. Tics sind stattdessen auf Fehlfunktionen in einem Netzwerk verschiedener Areale im Gehirn zurückzuführen.“ Für die Studie nutzte das Forschungsteam zunächst bereits veröffentlichte Fallbeschreibungen von Patientinnen und Patienten mit einer äußerst seltenen Ursache von Tic-Störungen: Ihre Symptome waren auf eine erworbene Schädigung der Hirnsubstanz zurückzuführen – beispielsweise durch einen Schlaganfall oder Unfall. Bei diesen Betroffenen entstehen Tics also eindeutig durch das verletzte Hirnareal. Die Forschenden fanden in der Literatur 22 solcher Fälle und kartierten im Detail, wo sich die Verletzung der Hirnsubstanz befand und mit welchen anderen Hirnbereichen dieser Ort normalerweise über Nervenfasern verbunden wäre. Für diese Konnektivitätsanalyse nutzten sie einen „Durchschnittsschaltplan“ des menschlichen Gehirns, der an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie in Kooperation mit der Harvard Medical School in jahrelanger Arbeit auf Basis von Hirnscans von über 1.000 gesunden Menschen erstellt worden war.  Die Forschungsgruppe konnte so zeigen, dass die Hirnschädigungen der Patientinnen und Patienten – trotz unterschiedlicher Lokalisation im Gehirn – nahezu alle Teil eines gemeinsamen Nervengeflechts waren. Dieses Netzwerk umfasste verschiedenste Bereiche des Gehirns, nämlich die Inselrinde (Cortex insularis), die Gürtelwindung (Gyrus cinguli), das Striatum, den Globus pallidus internus, den Thalamus sowie das Kleinhirn. Bassam Al-Fatly, einer der beiden Erstautoren der Studie von der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie, erläutert: „Diese Strukturen sind praktisch über das gesamte Gehirn verteilt und haben unterschiedlichste Funktionen, von der Steuerung der Motorik bis zur Verarbeitung von Emotionen. Sie alle wurden in der Vergangenheit bereits als mögliche Auslöser für Tics diskutiert, ein eindeutiger Beweis ist jedoch bisher nicht gelungen und auch ein direkter Zusammenhang zwischen diesen Strukturen war nicht bekannt. Jetzt wissen wir, dass diese Hirnbereiche ein Netzwerk bilden und tatsächlich die Ursache für Tic-Störungen sein können.“ Dass das jetzt identifizierte Nervennetzwerk auch für die Behandlung „klassischer“ Tics relevant ist, zeigte das Forschungsteam anhand einer Analyse von 30 Patientinnen und Patienten mit Tourette-Syndrom, denen an drei verschiedenen europäischen Behandlungszentren Hirnschrittmacher mit unterschiedlich platzierten Elektroden implantiert worden waren. Eine solche tiefe Hirnstimulation kommt aktuell in besonders schweren Fällen zum Einsatz, wenn verhaltenstherapeutische und medikamentöse Ansätze nicht ausreichend wirken. Die Berliner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestimmten anhand von Hirnscans für jeden der 30 Tourette-Betroffenen, wo exakt die Elektroden des Hirnschrittmachers positioniert worden waren und ob diese das Tic-auslösende neuronale Netzwerk stimuliert hatten. Tatsächlich zeigte sich, dass die Symptome der Betroffenen am stärksten zurückgingen, je präziser die Elektroden das Tic-Netzwerk stimulierten.  „Menschen mit schweren Tic-Störungen profitieren also offenbar am meisten, wenn die tiefe Hirnstimulation auf das Tic-Netzwerk abzielt“, sagt Privatdozent Dr. Christos Ganos, Erstautor der Studie und oberärztlicher Leiter der Ambulanz für Tic-Störungen an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie. Der Freigeist-Fellow der VolkswagenStiftung betont: „Diese neue Erkenntnis werden wir in Zukunft in die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten mit einfließen lassen, indem wir bei der Implantation des Hirnschrittmachers das Tic-Netzwerk berücksichtigen. Wir hoffen, dass wir so den wirklich hohen Leidensdruck für die Betroffenen noch besser abmildern können, um ihnen ein weitestgehend selbstbestimmtes und sozial erfülltes Leben zu ermöglichen.“
Veröffentlicht am 19.01.2022 um 10:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Lymphdrüsenkrebs: Zentraler Signalweg in der Tumorentstehung aufgeklärt

Die Ursachen für die Entstehung von Krebs sind vielfältig. Ein multidisziplinäres Forschungsteam unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin und der Goethe-Universität Frankfurt am Main hat Gene untersucht, die bei Lymphdrüsenkrebs verändert sind und so einen Schlüsselprozess bei der Krebsentstehung identifiziert. Der nun im Detail aufgeklärte Signalweg steuert die Reparatur von Erbgutschäden. Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachmagazin Nature Communications* beschreiben, könnten die Erkenntnisse einen neuen Therapieansatz eröffnen. Bei Krebserkrankungen sind verschiedene Signalwege der Zelle gestört. Dazu zählt auch die sogenannte SUMOylierung, eine gezielte Modifikation von Proteinen, die deren Eigenschaften verändert und so etwa über ihre Lebensdauer oder Lokalisation in der Zelle entscheidet. „Wir konnten in unserer Studie ein bisher unbekanntes Krebsgen identifizieren, das diesen zentralen Signalweg in Tumorerkrankungen reguliert und somit einen Angriffspunkt für neue Therapien darstellen könnte“, sagt Prof. Dr. Ulrich Keller, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Charité Campus Benjamin Franklin. Er leitet auch eine Arbeitsgruppe am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC). Um solche zentralen Schaltstellen zu identifizieren und zu charakterisieren, hat ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Charité und der Goethe-Universität systematisch nach Genen gesucht, die bei Lymphomen – also Lymphdrüsentumoren – verändert sind. Dafür haben sie ein sogenanntes Transposon-System genutzt. Mit diesem lassen sich Gene im Mausmodell durch „springende“ Erbgutabschnitte zufällig an- und ausschalten und ihr Effekt auf die Tumorentstehung kann untersucht werden. „In den letzten Jahren haben zahlreiche große Sequenzierungsstudien das Genom von Tumorerkrankungen präzise charakterisiert und die Komplexität und Heterogenität der zugrundeliegenden Veränderungen anhand ‚molekularer Landkarten‘ veranschaulicht. Dass solche Abweichungen häufig nur in kleinen Patientengruppen auftreten, erschwert eine Interpretation ihrer Bedeutung“, erklärt Dr. Markus Schick, Teamleiter und Principal Investigator an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie der Charité und Erstautor der Studie. „Durch unseren Ansatz konnten wir nun zahlreiche bisher unbekannte Krebsgene aufdecken – unter anderem das Gen SENP6, das bei etwa einem Drittel aller Patientinnen und Patienten mit Lymphomen verloren gegangen ist. Ausgehend davon haben wir dessen Funktionsmechanismus aufgeklärt und eine Therapiestrategie entwickelt.“ Welche Rolle das Gen bei Krebserkrankungen spielt, war bisher nicht bekannt. Das dadurch kodierte Protein SENP6 entfernt die SUMO-Modifikationen von anderen Proteinen der Zelle und steuert somit auch deren Wechselwirkungen untereinander. Das Forschungsteam konnte nun belegen, dass das gezielte Ausschalten von SENP6 zur Krebsentstehung führt, es sich also um ein Tumorsuppressorgen handelt. In gesunden Zellen hat SENP6 eine zentrale Rolle bei der Reparatur von DNA-Schäden. Nach Verlust des Gens wird diese Funktion beeinträchtigt, und somit häufen sich im Erbgut Schäden an, die letztlich zur Entstehung von Krebs beitragen. Die Tumorbildung nach Verlust von SENP6 ließ sich allerdings effektiv unterdrücken durch Hemmung des DNA-Reparaturenzyms PARP mithilfe von Medikamenten, die bereits für die Brustkrebstherapie zugelassen sind. Prof. Dr. Stefan Müller, dessen Arbeitsgruppe am Institut für Biochemie II der Goethe-Universität an der funktionellen Charakterisierung des SENP6-Proteins beteiligt war, macht deutlich: „Ein Schlüssel für den Erfolg des Projekts ist die Kombination der biochemischen Expertise in Frankfurt und der klinischen Expertise an der Charité in Berlin." „Mit unseren Erkenntnissen konnten wir also SENP6 als Biomarker für den Behandlungserfolg mit solchen PARP-Hemmstoffen etablieren. Derzeit untersuchen wir, in welchen anderen Tumorerkrankungen – neben Lymphomen – der neu beschriebene Mechanismus zur Krebsentstehung beiträgt“, resümiert Prof. Keller. „Das Ziel einer personalisierten Medizin sind präzise auf einzelne Patientinnen und Patienten abgestimmte Behandlungen. Der nächste Schritt sind daher klinische Studien, um diese Hemmstoffe als neue spezifische Behandlungsoption für Krebserkrankungen, die durch den Verlust von SENP6 gekennzeichnet sind, zu testen. Darüber hinaus bieten sich hierbei Kombinationstherapien an, die noch selten eingesetzt werden, aber enormes Potenzial bergen – insbesondere, wenn sie basierend auf der patienteneigenen Tumorbiologie eingesetzt werden.“
Veröffentlicht am 12.01.2022 um 10:34:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Charité-Experten unterstützen Kolumbien bei SARS-CoV-2-Diagnostik

In Kolumbien leben mehrere Millionen Geflüchtete, darunter 1,8 Millionen Menschen aus Venezuela. Für die Pandemiebekämpfung ist es wichtig, das Infektionsgeschehen auch in dieser besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppe zu beobachten. Experten der Charité – Universitätsmedizin Berlin werden die lokalen Gesundheitsbehörden dabei durch die Bereitstellung von SARS-CoV-2-Tests und die Schulung des Laborpersonals unterstützen. Ein besonderer Fokus liegt auf der Überwachung der Virusvariante My, die unter Beobachtung der Weltgesundheitsorganisation steht und sich in Kolumbien stark verbreitet hat. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fördert die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH das Projekt mit rund zwei Millionen Euro. Kolumbien ist das Land mit den meisten Binnenvertriebenen weltweit. Wegen anhaltender Konflikte zwischen bewaffneten Gruppen waren Ende 2020 laut UNO-Flüchtlingshilfe 8,2 Millionen Menschen im eigenen Land auf der Flucht. Betroffen ist vor allem die bäuerliche, indigene und afrokolumbianische Bevölkerung. Zusätzlich wirkt sich die politische Krise in Venezuela sehr stark auf den lateinamerikanischen Staat aus: Kolumbien hat bisher mehr als 1,8 Millionen Geflüchtete aus dem Nachbarland aufgenommen. Weitere Hunderttausende Venezolanerinnen und Venezolaner nutzen Kolumbien als Transitland, um in andere Länder zu gelangen. „All diese Menschen sind wegen ihrer prekären Lebensbedingungen besonders gefährdet für Infektionskrankheiten“, sagt Prof. Dr. Jan Felix Drexler, Leiter des Projekts vom Institut für Virologie der Charité. „Aufgrund ihrer Mobilität tragen sie jedoch auch zur Verbreitung von Krankheitserregern bei. Insbesondere in der aktuellen Pandemie kann ein starkes Infektionsgeschehen in den mobilen Bevölkerungsgruppen das Gesundheitssystem des Gastlandes erheblich belasten. Sowohl für die Bekämpfung der Pandemie als auch zum Schutz der Geflüchteten ist es deshalb wichtig, das Infektionsgeschehen mit verlässlicher Diagnostik gut zu beobachten.“ Mit seinem Team und in Zusammenarbeit mit dem von der GIZ vor Ort umgesetzten Projekt „SI Frontera“ wird Prof. Drexler die kolumbianischen Behörden dabei unterstützen. Dazu ist geplant, Kolumbien voraussichtlich Anfang 2022 rund 500.000 PCR-Tests für SARS-CoV-2 zur Verfügung zu stellen. Sie sollen insbesondere für die Diagnostik in Aufnahmegemeinden von Geflüchteten im Raum Botogá und der Grenzregion zu Venezuela eingesetzt werden.  Dabei kommt dem Aufspüren der SARS-CoV-2-Variante My besondere Bedeutung zu. „Die My-Variante wurde weltweit zuerst in Kolumbien nachgewiesen und hat sich dort stark ausgebreitet“, erklärt Prof. Drexler. „Mittlerweile hat man dieses Virus aber in Dutzenden Ländern der Erde entdeckt, insbesondere auch in den USA. Erste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass My schlechter vom Immunsystem erkannt werden könnte als die ursprüngliche SARS-CoV-2-Variante. Sollte sich dies bestätigen, könnten sich Menschen trotz Impfung oder durchgemachter Erkrankung mit höherer Wahrscheinlichkeit anstecken. Wir müssen My also – wie auch die jetzt viel diskutierte Variante Omikron – genau im Blick behalten.“ Das Problem: Es gibt keine kommerziell erhältlichen Coronavirus-Tests, die neben der Feststellung einer Infektion auch darüber Auskunft geben können, ob diese auf My oder eine andere zirkulierenden Variante zurückzuführen ist. Das Forschungsteam plant deshalb, einen neuen PCR-Test zu entwickeln, der neben My auch für Kolumbien besonders relevante Virusvarianten wie Beta, Delta und Lambda gleichzeitig erkennen kann. Angesichts der aktuellen Verbreitung von Omikron soll das Verfahren auch diese Variante abdecken. So wird es möglich sein, innerhalb von 90 Minuten anhand von nur einer Abstrich-Probe herauszufinden, ob eine Person mit SARS-CoV-2 infiziert ist und, wenn ja, mit welcher Virusvariante. Zusätzlich wird das Team der Charité den lokalen Behörden Antikörper-Tests zur Verfügung stellen. Sie geben anhand von Blutproben Aufschluss darüber, wie weit SARS-CoV-2 sich bereits verbreitet hat. Ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist auch der Wissenstransfer: Die Charité-Experten werden das Laborpersonal der Universidad Industrial de Santander (UIS) sowie des Instituto Nacional de Salud (INS) – dem kolumbianischen Pendant zum Robert Koch-Institut – in der Durchführung der Tests und der Arbeit mit infektiösem Virus schulen. „Kolumbien versorgt die venezolanischen Geflüchteten nach allen Kräften mit Impfungen und medizinischer Behandlung“, betont Prof. Drexler. „Mit den Labormaterialien und durch Qualifizierung des Personals werden die lokalen Behörden darüber hinaus bestimmen können, welche Virusvarianten aktuell zirkulieren und ob die Impfungen dagegen wirksam sind. Das wird der Politik vor Ort als wichtige Grundlage für die Ergreifung oder Einstellung von Maßnahmen dienen, aber auch essenzielle Daten für die globale Bekämpfung der Pandemie liefern – wie uns das Beispiel Omikron gerade vor Augen geführt hat. Schließlich und endlich ist das Projekt also auch ein Beitrag zur öffentlichen Gesundheit hier bei uns in Deutschland und Europa.“ Bei der Umsetzung des Projekts kann das Expertenteam auf gute Landes- und Sprachkenntnisse zurückgreifen und auf Strukturen aufbauen, die es im Rahmen eines Vorgänger-Projekts bereits etabliert hat: Seit Ende 2020 etablierten die Virologinnen und Virologen in der Grenzregion zwischen Kolumbien und Venezuela die COVID-19-Diagnostik insbesondere mit Antigen-Schnelltests. Die Initiative war ebenfalls von der GIZ im Auftrag des BMZ mit knapp zwei Millionen Euro gefördert worden.  Das Team um Prof. Drexler ist seit Beginn der Pandemie in vielen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Osteuropas beratend tätig. In Zusammenarbeit mit der GIZ war es bereits im afrikanischen Benin, Ghana und Mauretanien, im Irak, in Kirgistan, Usbekistan, der Republik Moldau sowie in Kolumbien, Ecuador, Peru, Paraguay, Costa Rica, Honduras, Guatemala, Venezuela, der Dominikanischen Republik und Mexiko im Einsatz. Für die Unterstützung Perus im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie ist Prof. Drexler gemeinsam mit einem Einsatzleiter der GIZ, Dr. Michael Nagel, mit der Ehrentafel des Peruanischen Kongresses ausgezeichnet worden. Die Charité-Experten engagieren sich zudem im Pandemie-Dialog mit Staaten Lateinamerikas und der Karibik, der vom Auswärtigen Amt unterstützt wird. Der Austausch von Erfahrungen und wissenschaftlicher Rat beispielsweise zur diagnostischen Strategie soll den Ländern Hilfestellung im Umgang mit der Pandemie bieten.
Veröffentlicht am 22.12.2021 um 11:12:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Charité setzt umfangreiche Vorsorgemaßnahmen im Tierversuchslabor um

Zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird die Charité – Universitätsmedizin Berlin das Tierversuchslabor am Campus Virchow-Klinikum umfangreich dekontaminieren. Hintergrund sind positive Befunde von Coxiellen innerhalb eines eng begrenzten Bereichs. Coxiellose ist eine bakterielle Erkrankung, die bei Tieren meist asymptomatisch verläuft, bei Menschen unter anderem zu grippeartigen Symptomen führen kann und Q-Fieber genannt wird. Tiere und Menschen in der näheren Umgebung eines infizierten Tieres können sich durch Einatmen von Staub und Tröpfchen anstecken. Da der Erreger die Fähigkeit besitzt, Dauerformen zu bilden und eine hohe Abwehrkraft gegenüber Austrocknung hat, kann er anhaltend in Staub, auf Heu oder in Wolle überleben. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. Die von der Charité nun beschlossenen Maßnahmen sehen eine grundlegende Desinfektion des eng begrenzten Bereichs vor. Zudem ist die Tötung von einzelnen Versuchstierbeständen unumgänglich. Es handelt sich um rund 1.200 kleine Nagetiere, in deren unmittelbarer Haltung wiederholt positive Befunde erhoben wurden. Die Charité nimmt ihre Verantwortung für den Schutz der Beschäftigten sehr ernst. Daher bleibt der gesamte Bereich für die Forschung bis zum Abschluss der vollständigen Dekontamination gesperrt. Die notwendigen Vorsorgemaßnahmen erfolgen nach vorherigem Austausch mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales und dem Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit. Dabei wurden neben der Fürsorgesorgepflicht gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch tierschutzrechtliche Aspekte intensiv besprochen.  Die Charité bedauert die notwendig gewordene Tötung der Versuchstiere. Sie engagiert sich intensiv für eine verstärkte Umsetzung des 3R-Prinzips in Forschung und Lehre und hat dafür vor einigen Jahren Charité 3R gegründet. Der Name Charité 3R bezieht sich auf die Begriffe Replace, Reduce und Refine. Ziel dieses Prinzips ist es, Tierversuche zu ersetzen, die Anzahl der Versuchstiere zu reduzieren und die Belastung für Versuchstiere zu mindern. In der biomedizinischen Forschung spielen Tierversuche nach wie vor eine wichtige Rolle. Charité 3R will den Tierschutz in diesem Forschungsumfeld verstärkt vorantreiben und nicht ersetzbare Tierversuche verbessern. Außerdem suchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort nach neuen Möglichkeiten, um Tierversuche durch Alternativmethoden zu ersetzen.
Veröffentlicht am 17.12.2021 um 14:32:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Deutsches Herzzentrum der Charité nimmt letzte Hürde

Gemeinsame Pressemitteilung von Charité und DHZB  Die Charité – Universitätsmedizin Berlin und das Deutsche Herzzentrum Berlin (DHZB) bündeln im Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) ihre herzmedizinischen Kompetenzen. Das DHZC soll zum 1. Januar 2023 den Betrieb aufnehmen. Die hierfür notwendigen vertraglichen Voraussetzungen wurden gestern notariell beglaubigt. Ab 2023 entsteht am Campus Virchow-Klinikum zudem der dazugehörige Neubau, für den ein Mittelvolumen in Höhe von 386,9 Millionen Euro vorgesehen ist. Aus dem Krankenhausbetrieb des DHZB und aller herzmedizinischen Einrichtungen der Charité am Campus Virchow-Klinikum, am Campus Charité Mitte sowie am Campus Benjamin Franklin soll ein international führendes universitäres Herzzentrum als „Gemeinsames Zentrum“ der Charité errichtet werden.  Jetzt wurde die Vereinigung finalisiert: Am 13. Dezember haben die Vorstände von Charité und DHZB die Besondere Beteiligungsvereinbarung zur Errichtung des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) unterzeichnet. Auf dieser Grundlage räumt die Charité dem DHZB eine besondere Beteiligung im Bereich der Herzmedizin ein und ermöglicht damit die Errichtung des DHZC als gemeinsames Zentrum der Charité. Zuvor hatten die Aufsichtsgremien beider Einrichtungen und die Senatskanzlei – Wissenschaft und Forschung sowie die Senatsverwaltung für Finanzen dieser Vereinbarung zugestimmt. Bereits im Juni dieses Jahres hatten sich das Land Berlin, die Charité und das DHZB in einer Rahmenerrichtungsvereinbarung über die Grundlagen und die Bedingungen dieses Zusammenschlusses verständigt. Als Tag des Betriebsübergangs ist der 1. Januar 2023 vereinbart. Bis dahin müssen alle klinischen und strukturellen Vorbereitungen getroffen sein sowie operativ umgesetzt werden. Die Stiftung DHZB wird zukünftig neben den Aufgaben im Zusammenhang mit der strategischen und operativen Mitsteuerung des DHZC verstärkt im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie im Bereich von Innovation, Entwicklung und Forschung sowie deren Förderung aktiv sein und so umfassend den Stiftungszweck der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und von Wissenschaft und Forschung erfüllen können.  Der Bau des DHZC auf dem Campus Virchow-Klinikum startet ebenfalls ab 2023. Der Neubau ist nachhaltig konzipiert und wird auf über 25.000 Quadratmetern Nutzfläche über modernste Operationssäle, Herzkatheter-Labore und Hybrid-Eingriffsräume sowie rund 300 Betten zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen verfügen. Darüber hinaus werden im Neubau die zentralisierte Notaufnahme mit Hubschrauberlandeplatz sowie die zentrale Sterilgutversorgung verortet sein. Das Land Berlin finanziert das Bauvorhaben mit 286,9 Millionen Euro. Der Bundestag hatte 2019 zusätzlich 100 Millionen Euro zugesichert, die inzwischen durch den Haushaltsausschuss des Bundestages und die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz bewilligt wurden. Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin und als Senator für Wissenschaft und Forschung Aufsichtsratsvorsitzender der Charité, der sich für dieses Projekt außerordentlich engagiert hat: „Ich freue mich sehr, dass die Verhandlungen über die Errichtung des modernsten Herzzentrums Europas erfolgreich abgeschlossen worden sind. Jetzt haben wir die notwendigen rechtlichen Grundlagen geschaffen, so dass auf dem Virchow-Campus in Berlin-Wedding aus einer Vision Realität werden kann. Das heißt vor allem eine herzmedizinische Forschung und Versorgung auf internationalem Spitzenniveau für die Patientinnen und Patienten in unserer Stadt und in ganz Deutschland.“ Prof. Dr. Hans Maier, Präsident des DHZB-Stiftungsrats: „Durch den Zusammenschluss des Deutschen Herzzentrums Berlin mit der Charité-Herzmedizin im Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) entsteht eine der weltweit führenden Institutionen der Herzmedizin und im Herzen Berlins ein herzmedizinisches Cluster von internationaler Strahlkraft und erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Die getroffene Vereinbarung sichert der Stiftung die strategische und operative Mitbestimmung über das DHZC und stellt sicher, dass unsere Stiftung des bürgerlichen Rechts langfristig und in optimaler Weise eine herausragende Krankenversorgung, Aus- und Weiterbildung und vor allem auch anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung im Bereich der Herzmedizin nachhaltig fördern kann.“ Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité: „Ich bin sicher, dass das DHZC eine einmalige Chance für Berlin ist, international neue Maßstäbe in der translationalen Herzmedizin zu setzen. Denn das DHZC vereint künftig die klinische und wissenschaftliche Expertise zweier Top-Einrichtungen im Bereich der Herzmedizin. Es steht exemplarisch für den medizinischen Fortschritt, der sich maximal an der Versorgung der Patientinnen und Patienten orientieren wird. Ein außergewöhnlicher Zukunftsbaustein ist dabei auch der dazugehörige Neubau – sowohl in seiner architektonischen Form als auch durch die kombinierte Finanzierung aus Landes- und Bundesmitteln.“ Prof. Dr. Volkmar Falk, Ärztlicher Direktor des DHZB und Vorsitzender des Geschäftsführenden Vorstands: „Im DHZC werden Charité und DHZB in hochspezialisierten und interprofessionellen Teams die Qualität der herzmedizinischen Versorgung weiter verbessern. Der Neubau wird es ermöglichen, unsere Vorstellungen von Spitzenmedizin in einer modernen Infrastruktur zum Wohle der Patientinnen und Patienten optimal umzusetzen.“ Dr. Rolf Zettl, Kaufmännischer Direktor des DHZB und Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands: „Die Zusammenführung wird uns erlauben, medizinische Prozesse neu und innovativ zu gestalten und damit gleichzeitig die Qualität der Versorgung und – unterstützt durch Digitalisierung der Prozesse – die Effizienz der Einrichtung zu erhöhen. Dies unmittelbar, aber nach Bezug des Neubaus in besonderer Weise.“ Astrid Lurati, Vorstand Finanzen und Infrastruktur der Charité: „Das DHZC wird als digitale Modellklinik sowohl funktionell hochmodern gestaltet als auch infrastrukturell in nachhaltiger Bauweise errichtet. Dabei prägt ‚Healing architecture‘ – also ein architektonisches Konzept, das den Heilungsprozess der Patientinnen und Patienten unterstützt – den ab 2023 entstehenden Neubau. Mit wörner traxler richter konnten wir nach Abschluss des europaweiten Vergabeverfahrens ein im Gesundheitsbau international erfahrenes Architekturbüro für die Generalplanung beauftragen. Das Bauprojekt markiert zudem den ersten großen Zukunftsbaustein der baulichen Entwicklung am Campus Virchow-Klinikum bis 2050.“
Veröffentlicht am 14.12.2021 um 08:30:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

Sepsis-Langzeitfolgen: Jahrelanger Behandlungs- und Pflegebedarf

Gemeinsame Pressemitteilung von Charité und UKJ Drei von vier Sepsis-Überlebenden sind von neuen Gedächtnisstörungen, seelischen oder körperlichen Erkrankungen betroffen. Sogar in der Gruppe der vormals unter 40-Jährigen leiden mehr als die Hälfte der Sepsis-Überlebenden daran. Das sind zwei Befunde einer jetzt im Fachjournal JAMA Network Open* erschienenen anonymisierten Auswertung von Krankenversicherungsdaten. Das Autorenteam von Charité – Universitätsmedizin Berlin, Universitätsklinikum Jena (UKJ) und Wissenschaftlichem Institut der AOK untersucht darin die Häufigkeit und die Kosten der gesundheitlichen Folgen einer Sepsiserkrankung.   Als Sepsis definiert die Medizin eine gefährliche Organfehlfunktion, die durch die überschießende Immunreaktion auf eine Infektion verursacht wird. Dieser lebensbedrohliche Zustand tritt ein, wenn die Antwort des Körpers auf eine Infektion die eigenen Gewebe so schädigt, dass Organe wie Niere oder Leber nicht mehr arbeiten. Weltweit ist Sepsis die führende infektionsbedingte Todesursache. In Deutschland werden jedes Jahr 320.000 Fälle im Krankenhaus behandelt, die Sterblichkeit im Krankenhaus liegt bei etwa 25 Prozent und ist damit alarmierend hoch. Auch die Mehrzahl der Behandelten mit schwerem COVID-19-Verlauf weisen aktuellen Untersuchungen zufolge eine Sepsis auf. Forschungsergebnisse des Zentrums für Sepsis und Sepsisfolgen (CSCC) am UKJ haben nicht nur maßgeblich zur Vernetzung von patientennaher Grundlagenforschung mit klinischer Forschung im Bereich Sepsis beigetragen, das Zentrum hat auch Langzeitfolgen und Rehabilitation nach der schweren Erkrankung untersucht. Derzeit wird hier ein interdisziplinäres Post-COVID-Zentrum aufgebaut. Eine vom Gemeinsamen Bundesausschuss mit Mitteln des Innovationsfonds geförderte Kooperation der UKJ und der Charité analysierte nun gemeinsam mit dem Wissenschaftlichen Institut der AOK die Folgeerkrankungen, Risikofaktoren, Versorgung und Kosten der Sepsis.  Für die Auswertung konnte das Studienteam auf die anonymisierten Gesundheitsdaten von mehr als 23 Millionen Versicherten der AOK der Jahre 2009 bis 2017 zurückgreifen, die gut für die deutsche Gesamtbevölkerung stehen können. Das Team identifizierte darunter 159.684 Versicherte im Alter von über 15 Jahren, die in den Jahren 2013 oder 2014 wegen einer Sepsis auf einer Normal- oder Intensivstation im Krankenhaus behandelt wurden. Für diese wurden sowohl die Vorerkrankungen erfasst als auch Diagnosen, die in den drei Jahren nach der Sepsis neu auftraten, und der daraus resultierende Behandlungs- und Pflegebedarf. „Dabei suchten wir nach neuen körperlichen, psychischen und kognitiven Einschränkungen, wie sie bekanntermaßen als Folge einer Sepsis auftreten können – etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kognitive oder motorische Störungen, das Erschöpfungssyndrom Fatigue oder Depressionen“, sagt die Projektleiterin Dr. Carolin Fleischmann-Struzek.  Allein im ersten Jahr nach der Entlassung kam bei drei Viertel der Sepsis-Überlebenden eine neue Diagnose hinzu, mehr als 30 Prozent verstarben noch im ersten Jahr. Sogar in der Gruppe der unter 40-Jährigen stellten sich bei mehr als 56 Prozent im ersten Jahr nach der Krankheit Folgeerkrankungen ein. Prof. Dr. Christiane Hartog, Versorgungsforscherin an der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin der Charité und Seniorautorin der Studie, unterstreicht: „Psychische, kognitive und körperliche Folgen betreffen die Mehrzahl der Überlebenden und treten sogar häufig gemeinsam auf, was für die Betroffenen eine besondere Belastung ist. Erstaunlicherweise macht es dabei nur einen geringen Unterschied, ob die Sepsis weniger schwer verlief oder sie auf der Intensivstation behandelt werden musste. Insbesondere mit Blick auf das Infektionsfolgesyndrom nach COVID-19 ist dies von großer Relevanz.“ Das Studienteam analysierte auch die Kosten, die bei den Überlebenden für stationäre und ambulante Behandlungen, Rehabilitation, Heilmittel und Medikamente anfallen. Auf 29.000 Euro beziffert es die Behandlungskosten pro Fall in den ersten drei Jahren nach der Erkrankung. Darin sind Notfall- und Transportkosten, Hilfsmittel, Pflegekosten und indirekte Kosten wie Arbeitsausfall nicht enthalten. Mehr als 30 Prozent der Sepsis-Überlebenden waren im Jahr nach der Krankenhausentlassung neu pflegebedürftig, nach einem schweren Verlauf mussten mehr als 13 Prozent neu in einem Pflegeheim betreut werden. Das Autorenteam konstatiert in seiner Studie auch, dass es kaum angepasste Nachsorgemaßnahmen gibt. Nur 5 Prozent der Sepsis-Überlebenden werden in eine Rehabilitationseinrichtung entlassen. „Die Sepsis hat massive und langjährige Folgen – sowohl für Überlebende und ihre Angehörigen als auch für das Gesundheitssystem. Deshalb bedarf es spezifischer Nachsorgekonzepte für die Sepsis“, betont Dr. Fleischmann-Struzek.
Veröffentlicht am 09.12.2021 um 14:20:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:

COVID-19-Lungenversagen: Warum Betroffene so lange beatmet werden müssen

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité, des HIRI, des MDC und der Uniklinik RWTH Aachen Bei der Mehrheit der Patientinnen und Patienten mit schwerem COVID-19 vernarbt die Lunge in außergewöhnlich starkem Ausmaß. Das zeigen Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI), des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), der Uniklinik RWTH Aachen und des Robert Koch-Instituts in einer aktuellen Studie. Wie sie in der Fachzeitschrift Cell* beschreiben, spielen Fresszellen des Immunsystems eine zentrale Rolle. Einige Prozesse des COVID-19-Lungenversagens ähneln dabei denen der idiopathischen Lungenfibrose, einer bisher unheilbaren Form der Lungenvernarbung. Die gestörte Narbenreaktion könnte erklären, warum die Lunge lange funktionsunfähig bleibt und eine langwierige ECMO-Therapie erfordert. Bei Patientinnen und Patienten mit schwerem COVID-19-Verlauf versagt die Lunge ihren Dienst: Sie ist so schwer geschädigt, dass der Körper nicht mehr genügend Sauerstoff aus der Luft aufnehmen kann. Fachleute sprechen von einem Acute Respiratory Distress Syndrome, kurz ARDS. Nur mit der Gabe von Sauerstoff, einer unterstützenden Beatmung oder sogar dem Einsatz einer künstlichen Lunge – der sogenannten ECMO – haben Betroffene eine Chance, ein solches akutes Lungenversagen zu überleben. Im Vergleich zu anderen Ursachen für ein Lungenversagen ist die Lungenschädigung bei COVID-19 besonders schwer. „Patientinnen und Patienten mit schwerem COVID-19 haben oft ein sehr stark ausgeprägtes Lungenversagen“, sagt Prof. Dr. Leif Erik Sander von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité, einer der beiden korrespondierenden Leiter der Studie. „Die weitgehende Zerstörung ihrer Lungenstruktur erfordert eine invasive Beatmung oder sogar eine ECMO-Behandlung über längere Zeit und geht leider mit einer sehr hohen Sterblichkeit von etwa 50 Prozent einher.“ Als Grund für die lange Dauer des Lungenversagens hatte das Forschungsteam unter anderem eine spezielle Form des ARDS im Verdacht, bei der das Lungengewebe vernarbt, dadurch verdickt und unelastisch wird. Schon relativ früh in der Pandemie war bei einzelnen Patientinnen und Patienten ein solcher als Fibrose bezeichneter Umbau des Gewebes aufgefallen. Die aktuelle Studie des interdisziplinären Forschungskonsortiums aus ganz Deutschland bestätigt nun, dass das schwere COVID-19-bedingte Lungenversagen tatsächlich sehr häufig von einer ausgeprägten Vernarbung des Lungengewebes begleitet wird. „Eine fehlgeleitete Reaktion sogenannter Makrophagen, die auch als Fresszellen des Immunsystems bekannt sind, könnte dafür mitverantwortlich sein“, konstatiert Dr. Antoine-Emmanuel Saliba, Arbeitsgruppenleiter am HIRI in Würzburg und zweiter korrespondierender Leiter der Studie. Für die Studie untersuchte das Team die Lungen verstorbener COVID-19-Patienten anhand verschiedener mikroskopischer Aufnahmen. „Bei fast allen Betroffenen haben wir enorme Schäden entdeckt: Die Lungenbläschen waren weitgehend zerstört, die Wände deutlich verdickt. Außerdem fanden wir ausgeprägte Ablagerungen von Kollagen, welches ein Hauptbestandteil von Narbengewebe ist. All dies ist charakteristisch für eine schwere Fibrose“, beschreibt Prof. Dr. Peter Boor die Befunde. Er hat die Studie am Institut für Pathologie der Uniklinik RWTH Aachen geleitet. „Diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass wir es beim COVID-19-Lungenversagen mit einem sogenannten fibroproliferativen ARDS zu tun haben, also einer besonders schweren Form des Lungenversagens. Das könnte erklären, warum wir die Betroffenen so lange beatmen müssen.“ Der Grund für dieses Phänomen war zunächst unklar. „Bei COVID-19 entwickelt sich ein Lungenversagen typischerweise erst in der zweiten oder dritten Woche nach Symptombeginn, wenn die Viruslast eigentlich schon wieder sinkt“, erklärt Prof. Sander. „Das weist darauf hin, dass nicht die unkontrollierte Virusvermehrung zum Versagen der Lunge führt, sondern nachgeschaltete Reaktionen, beispielsweise des Immunsystems, eine Rolle spielen.“ Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten deshalb die Zusammensetzung und Eigenschaften der Immunzellen in Lungenspülungen und -gewebe schwer erkrankter beziehungsweise verstorbener COVID-19-Patienten. Dazu nutzten sie modernste Methoden der Einzelzellanalyse. Mit ihnen ist es möglich, jede einzelne Zelle im Detail zu betrachten.  Das Team konnte so zeigen, dass sich in der Lunge von COVID-19-Betroffenen, die ein Lungenversagen entwickeln, vor allem Makrophagen in großen Mengen ansammeln. Diese Fresszellen beseitigen zum Beispiel eingedrungene Erreger oder Zellabfall, sind aber auch an der Wundheilung und Reparatur von Gewebe beteiligt. „Überraschenderweise zeigten die Makrophagen bei schwerem COVID-19 ähnliche Eigenschaften wie bei einer chronischen Form der Lungenvernarbung, der idiopathischen Fibrose“, betont Dr. Saliba. Bei dieser unheilbaren Erkrankung vernarbt die Lunge unaufhaltsam bis zum Verlust der Organfunktion. Die Ursache ist unbekannt, unter allen Formen der Lungenfibrose hat sie die schlechteste Prognose. „Die Makrophagen treten bei schwerem COVID-19 mit bestimmten Zellen des Bindegewebes in Kontakt, die für die Bildung von Narbengewebe verantwortlich sind. Diese Zellen vermehren sich stark und produzieren große Mengen Kollagen“, ergänzt der Experte der Einzelzellforschung.  In der Zellkultur entdeckten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass SARS-CoV-2 selbst die Fresszellen so beeinflusst, dass sie den Fibroseprozess möglicherweise befeuern. Dazu isolierten sie Fresszell-Vorläufer aus dem Blut gesunder Menschen und stimulierten sie mit dem Virus. Wie eine Analyse von etwa 7.000 Proteinen zeigte, produzierten die Immunzellen daraufhin verstärkt Botenstoffe, die Vernarbungsprozesse einleiten, ganz ähnlich wie bei einer idiopathischen Lungenfibrose. „SARS-CoV-2 ist also zumindest ein möglicher Auslöser für die fehlgeleitete Reaktion der Fresszellen“, erklärt Prof. Dr. Matthias Selbach. Der Proteomik-Experte hat die Studie am MDC geleitet. „Das Virus vermehrt sich dabei anscheinend nicht in den Immunzellen, sondern programmiert sie um. Diesen Effekt konnten wir interessanterweise nicht beobachten, wenn wir die Makrophagen mit einem Grippevirus stimulierten. Das Influenza-Virus vermehrte sich in den Immunzellen stark. Es brachte sie aber nicht dazu, Vernarbungsprozesse zu fördern.“  „Unsere Daten zeigen also eindeutig Parallelen zwischen COVID-19 und der chronischen Lungenfibrose auf“, resümiert Dr. Saliba. „Das erklärt vielleicht, warum einige Risikofaktoren für COVID-19 auch Risikofaktoren für die idiopathische Lungenfibrose sind – zum Beispiel Grunderkrankungen, Rauchen, ein männliches Geschlecht und ein Alter über 60 Jahre. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Erkrankungen: Bei COVID-19 ist die Vernarbung zumindest potenziell reparabel.“ Das konnte das Forschungsteam anhand von CT-Bildern nachvollziehen. Bei COVID-19-Erkrankten, die mit der ECMO behandelt wurden, zeigten die Aufnahmen zunächst typische milchglasartige Trübungen, die sich im Verlauf der Erkrankung verdichteten und vernarbten. Bei Betroffenen, die von der ECMO-Behandlung entwöhnt werden konnten und genasen, gelang es dem Körper, die Verdichtungen allmählich aufzulösen – auch wenn in manchen Fällen deutliche Vernarbungsreste zurückblieben. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen nun genauer untersuchen, welche zellulären Prozesse dazu führen, dass sich eine Fibrose zurückbildet. „Wenn wir die Auflösung von vernarbtem Gewebe besser verstehen, können wir in Zukunft hoffentlich nicht nur COVID-19-Betroffenen, sondern auch Patientinnen und Patienten mit bisher unheilbarer Lungenfibrose helfen“, sagt Prof. Sander. „Die wichtige Rolle der Makrophagen für beide Krankheiten legt außerdem nahe, dass eine Hemmung der Zellen dazu beitragen könnte, die Vernarbung zu verhindern.“ An der Charité untersuchen Forschungsgruppen beispielsweise die Wirksamkeit einer Blockade von Rezeptoren, die den Fresszellen den Eintritt in das Lungengewebe ermöglichen.
Veröffentlicht am 30.11.2021 um 09:00:00 Uhr - Kategorie: Pressemitteilung - Autor:



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